67 • Ash

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"Ashton Monroe!" Runa stampft aufgebracht hinter mir her. Ihre Stimme sprüht voller Entrüstung darüber, dass ich nicht eine Sekunde zögere, um ihr den Rücken zuzuwenden. Talia ist weg, Will und Luan ebenso. "Bleib stehen. Es gibt da etwas, was du wissen solltest."

"Netter Versuch."
Warum sollte ich überhaupt den leeren Worten Glauben schenken, die mir eine Verräterin und Lügnerin versucht wie Gift einzuflößen?
"Ash, jetzt hör mir zu! Es ist wichtig!"

Um ihr zu entkommen, will ich gerade meine Magie einsetzen, da sauge ich Wills weniger frischen Geruch ein. Ich neige den Kopf nach links, um Runas aufdringlichen Vanilleduft zu entkommen und meine Nase für weitere Reize zu öffnen. Er muss vor wenigen Augenblicken an der Treppe gewesen sein. Ich folge seinem Geruch hinab in das Erdgeschoss, bis in einen abgelegenen Gang, der ins Freie führt. Erst hier, wo der metallische Gestank nach Blut verblasst, nehme ich eine zarte Note Rosenduft wahr.

Will lehnt an der Ecke, hält sich im Schatten des Mondes und blickt in den gepflegten Garten, der sich rund um den Palast erstreckt. Nachdem Paylas Armee jedoch genauso hektisch ging, wie sie kam, sind die Beete zertrampelt. Selbst die Statue des Löwen ist zerbrochen, muss mit der Kraft mehrerer Männer auf den Boden geworfen sein. Trotz Wills Regungsloskeit pirsche ich mich an ihn heran. Sein rasendes Herz verrät, dass er die Luft aus Angst, weniger aus Verwunderung anhält.

Als ich seinem Blick folge, stockt mir der Atem.
"Was hast du getan?"
Mein bester Freund traut mir nicht, in die Augen zu schauen. "Es war ihre Idee, ich schwöre."

Anderes habe ich auch nicht behauptet. Zumal er niemals Talia vorausgeschickt hätte, wenn sie nur irgendwie verletzt werden könnte. Deswegen hatte ich ihm auch signalisiert, sie aus dem Palast zu schaffen, nachdem sie unter Schock stand. Denn auch wenn sich Will lieber in Sicherheit wiegt, so ist er nicht das, was Simon verkörpert: Selbstsucht. Erst recht nicht auf Kosten anderer.

"Simon."

Hätte ich Kaya nicht selbst das Schwert mitten durch ihr zwiegespaltenes Herz gebohrt, hätte mich Wills perfekte Illusion vollkommen getäuscht. Zweifelsohne hat er in den letzten Jahren die Fähigkeiten seiner Magie verfeinert. Nicht nur die optische Erscheinung meiner Schwester ist bis hin zu den nach unten heller werdenden Spitzen getroffen, sondern auch ihre Stimme perfekt eingefangen - eine Illusion, die Simon nicht durchschaut. Weil er nicht weiß, dass Kaya nicht mehr unter uns ist. Weil Will kein Detail verschwimmen lässt, um Talia zu decken.

Ich presse die Lippen aufeinander, als sie direkt vor ihn tritt. Normalerweise hätte sie den Kopf in den Nacken legen müssen, um seinen Blick erwidern zu können, doch Kaya ist größer und so sind sie beinahe auf Augenhöhe. Ich schlucke schwer. Was hast du vor, Talia?

"So sehen wir uns also wieder."
Simon klingt überrascht. Nicht ansatzweise so erfreut, wie ich erwartete. Zwar hatte er mir gesagt, dass er Kaya nicht hinterher rennen würde, doch hautnah zu erleben, wie er sie behandelt hätte, ist Beweis genug, dass er sie nie aufrichtig liebte. Dass meine Warnungen nicht unbegründet waren.

"Ich war nie neidisch auf deine Sinne, Ash, aber jetzt wäre ein guter Moment zum Tauschen", raunt Will und gibt mir zu verstehen, dass er nur sehen, aber nicht hören kann.

Ich schmunzele. "Glaub mir, deinen eigenen Geruch so intensiv wahrzunehmen, willst du dir lieber ersparen." Dann mache ich eine Kopfbewegung zu Simon und Talia. "Konzentriere dich. Bitte."
Ihr Leben hängt davon ab. Zumal sich unter ihrem linken Ärmel ein Schatten abzeichnet, der bedrohlich nach einem Messer oder Dolch aussieht. "Sie ist bewaffnet."

"Was?" Will schnellt zu mir herum und ich verfluche mich im selben Moment dafür, ihr ein Risiko zu sein, weil ich ihn ablenke. Doch er ist zu gut, hält seine Illusion problemlos aufrecht. "Aber...oh Mist. Sie will ihn umbringen."

InhumanityWhere stories live. Discover now