20 • Talia

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Ich wünschte, es wäre nur mein Kopf, der vor Schmerzen klagt. Das Glück habe ich dieses Mal jedoch nicht. Mein Aufwachen ist weitaus unerfreulicher als das zuvor. Die Schmerzen sind in jeder Faser meines Körpers verankert, die Glut des Brennens all meiner Organe verursacht durch ein so banales Kraut gemischt mit ein wenig Wasser. Wer hätte das gedacht! So leicht können die Menschen also Magier im Zaum halten, sie in den Dienst verdonnern. Diejenigen, die übernatürlich sind, werden von nichts Anderem als der Natur selbst geschlagen. Wenn das nicht mindestens so paradox ist wie Ash, dann weiß ich auch nicht.

Apropos Ash - ich schnelle in die Höhe, brauche einen kurzen Moment, um mich orientiert zu haben. Es ist derselbe triste Raum, keine Möbel, keine persönlichen Gegenstände, der Inbegriff des Mangels an Individualität und Wohlbefinden.

Nicht dass mich all dies stört. Ich plane nicht, hier länger zu verweilen. Luan wartet. Ob bei Ash oder hier muss ich jedoch zuerst noch herausfinden. Mein Blick fällt auf meine Handgelenke. Sie haben sich gegen eine Fessel entschieden. Was bringt diese denn auch? Ich zwinge mich auf die wackligen Beine, kann mich nicht daran erinnern, jemals in so kurzer Zeit gleich zweimal bewusstlos geworden zu sein. Es ist ein furchtbares Gefühl, aufzuwachen und nicht zu wissen, was in der Zwischenzeit mit einem passiert sein mag. Wo man war, wer uneingeschränkte Kontrolle über einen hatte.

Der Junge steht noch immer neben der Türe, von Lucius fehlt jede Spur. Mein Blick gleitet zu dem Fenster, in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren, wo genau ich mich befinde.
"Denk gar nicht erst daran."
Mein Kopf wirbelt zu dem Jungen herum, überrascht, dass er mit mir spricht.
"Aus dem Fenster zu springen?"

Luan hatte immer gemeint, dass besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern, aber Selbstmord zu begehen, wäre mir nicht in den Sinn gekommen.
Ein Mundwinkel zuckt kaum merklich. "Zu fliehen."
"Wirst du mich aufhalten?"

Solange ich nicht weiß, ob sie Luan gefangen halten oder nicht, werde ich diesem Ort sicher nicht den Rücken kehren, auch wenn dies alles andere als eine Utopie ist. Vielleicht finde ich die Antwort in meiner Akte, vielleicht haben sie auch eine für Luan angelegt, obwohl er nicht über Magie verfügt. Wer weiß denn schon, wie weit ihr Drang nach Struktur und Ordnung reicht? Das bedeutet also, dass ich den Raum mit Lumien finden muss. Die detaillierte, beinahe poetische Beschreibung des Autors von dort bis zu den Akten, hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.

"Das ist meine Aufgabe." Er fixiert einen Punkt hinter mir, als müsste er sich daran erinnern, was seine Pflicht ist.
"Du meinst die Aufgabe, die dir Lucius aufgetragen hat", korrigiere ich ihn, lehne mich gegen die Liege, um das Krampfen meines Bauches zu verringern. Was zur Hölle hat dieses Kraut mit mir angerichtet? Der Schlag gegen die Schläfe, in den Magen? So zermürbt habe ich mich noch nie gefühlt.

Der Junge untersagt sich selbst jede Antwort. Ich seufze, schüttele fassungslos den Kopf. Als Magier müsste er genauestens wissen, was dieses Kraut verursacht, welcher Qualen uns Lucius bewusst aussetzt. Seine Gleichgültigkeit kann nur einen Grund haben. Lucius erspart ihm diese Tortur, solange er seine Aufgabe erfüllt.
"Verstehe. Er erpresst dich."

Ich mache einen Schritt auf ihn zu, ignoriere meinen stechenden Magen und konzentriere mich auf meine Atmung, auf das Pulsieren tief in mir. Das Kraut will das Aufbegehren meiner Energie unterdrücken, doch muss sich ihr geschlagen geben.

Der Junge antwortet nicht, meidet meinen Blick. Er wird mich schnell schachmatt setzen können, also muss ich schneller sein. Ein klein wenig verbrannte Haut wird genügen, um mich aus diesem verfluchten Raum zu retten. Auf Lucius und seine Folter zu warten, sagt mir keineswegs zu.
"Hat er dir etwa auch verboten, mit mir zu reden?" Noch ein Schritt, fast zum Greifen nahe. "Oder ist es dein Gewissen, weil du genau weißt, was er tut?"

InhumanityWhere stories live. Discover now