Kapitel #009

15.5K 858 89
                                    

Mich immer an den Zahlen an den Türen orientierend, suchte ich mir langsam meinen Weg durch das Hauptquartier der Rebellen.
Da das nicht soo anspruchsvoll war, solange keine Wächter in der Nähe waren (was der Fall war), schweiften meine Gedanken schnell ab.

Irgendwie war es hier ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Früher dachte ich immer, die Rebellen hätten so ein hypermodernes Quartier, total gut mitten in der Stadt getarnt und alle Mitglieder laufen in Uniformen rum und tragen eine Waffe bei sich.
Ich dachte, jeder Wiederstandskämpfer würde bei ihnen ein Zuhause finden, wenn er es schon nicht in der 'normalen' Welt tat. Ich hab es mir familiär und herzlich, kämpferisch und mutig vorgestellt.

Aber sicherlich kein Keller mit kilometerlangen, rostigen Eisengängen, kein kleiner Wicht als Anführer und keine Ahnung... eben lebendiger.

Ich lief schon recht lange, ich war inzwischen bei Zimmer 2845, aber bis jetzt war mir noch keine Menschenseele begegnet. Früher wollte ich immer zu den Rebellen, ich konnte dieses System der Unterdrückung und Überwachung durch die Codes nie ausstehen, aber hier war es jetzt irgendwie auch nicht besser. Ich wurde eingesperrt und in irgendwelche Pläne eingebunden, von denen ich nicht mal eine Ahnung hatte.

Und so viele Fragen...

Was läuft hier? Was ist mit mir? Was will Colin von mir? Was hat Dennis damit zu tun? Was ist mit meinem Bruder und Annie und Flynt? Suchen sie mich? Und wo sind meine Eltern? Geht es ihnen gut?

Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte keine Ahnung und das machte mich Wahnsinnig.

Ich war so in Gedanken versunken, das ich die Schritte einem Moment zu spät bemerkte.

Mist.

Eigentlich wollte ich von dem Welzer nicht gebrauch machen... vorallem wenn man sich der Tatsache bewusst wurde, dass ich vielleicht nicht mal stark genug war, das Buch einem so stark über zu braten, dass er davon Ohnmächtig wurde. Aber Versteckmöglichkeiten gab es hier nicht, also blieb mir wohl nichts anderes übrig, als es darauf ankommen zu lassen.

Schnell näherten sich die Schritte und schon wenige Augenblicke später kam ein kleiner, aber muskulöser Mann auf mich zu und sagte sofort "Nanu? Was machst du den hier?".

Shit. Ich hätte mir vielleicht mal eine Ausrede überlegen sollen.

"Ich... ähm..." fing ich an und wartete auf irgendeinen Gedankenblitz.
"Moment... bist du nicht Lucy Winter? Dieses Mädchen, dass uns alle anscheinend rettet?" fragte er misstrauisch und kam forschend einen Schritt auf mich zu.
Ich lachte extrem künstlich auf "Ja, sie haben recht, genau die bin ich. Und damit ich Sie retten kann, muss ich zu Zimmer 2744, könnten sie mir helfen?".

Wieder kam er vorsichtig einen Schritt auf mich zu. Inzwischen war er in meiner Reichweite, gut. Adrenalin rauschte durch meinen Körper, wenn ich an das dachte, was ich gleich tun würde.

"Also, so wie ich informiert bin, müssten sie eigendlich auf ihren Zimmer sein... es sollte später jemand kommen und sie über den Stand der Dinge informieren...".
In diesem Moment schien er zu begreifen, wie es dann sein konnte, dass ich hier vor ihm stehe, obwohl ich auf meinem Zimmer sein müsste, denn seine Augen weiteten sich überrascht.

Und ich zog ihm eins mit dem Welzer über.

Einen Moment stand er noch, schaute mich seltsam an, dann verdrehte er seine Augen und kippte nach hinten.

'Sauber, Lu, sauber' lobte mich mein Unterbewusstsein, als ich auf den Ohnmächtigen Rebellen herunter schaute. Dieses Buch war eine bessere Waffe als gedachte.

Doch da ich hier nicht ewig herum stehen konnte, ging ich zügig weiter. Es dauerte nur weitere zehn Minuten, dann stand ich vor der Tür mit der Beschriftung '2744'.

CodeworldWhere stories live. Discover now