Kapitel #066

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Der Sprengstoffgürtel drückte etwas unangenehm gegen meine Hüfte. Der Rest der schwarzen Hightech-Klamotten saß wie schon bei den vorherigen Missionen perfekt. Alles super bequem und super leicht. Nur der schwere Gürtel zog mich nach unten. Vielleicht war er auch gar nicht so schwer. Nur die Tatsache, dass Sprengstoff daran befestigt war, lastete schwer auf mir. Aber ich wusste, im tiefsten inneren, dass das das Richtige war. Diese Unterdrückung muss ein für alle mal aufhören. Und inzwischen fühlte ich mich mehr oder weniger bereit. Nichtmal müde, obwohl es 3:30 Uhr morgens war. Da ich die letzten zwei Tage ausgiebig trainiert habe, fühlte ich mich auch körperlich inzwischen einigermaßen imstande, diese Mission zu meistern. Nach einer langen Stecke tat mein Oberschenkel zwar wieder weh, aber das schaffe ich schon. Auch der Weg, den ich laufen musste, zeichnete sich deutlich vor meinem inneren Auge ab. Jede Ecke, jeder Gang. Und wie ich nachher zu Alex' Zelle komme. Das war mein eigentliches Ziel. Den blöden Sprengstoff anbringen war nur Nebensache. Nick hatte mir gestern erklärt, wie ich Apperat, der fast so groß war wie eine kleine Handtasche, an der Wand befestige und wie ich die Zeit dann auf zwanzig Minuten einstelle und den Sprengstoff scharf mache. Auch das hatte ich mir genau eingeprägt, schließlich konnte eine falsche Bewegung und das drücken einer falschen Taste dazu führen, dass ich mich selbst in die Luft jage. Keine schöne Vorstellung. Aber ich wusste alle Wege, war fit, wach und motiviert. Ich werde Alex da raus holen. Als ich mich vom Spiegel weg drehte, zuckte ich erschrocken zusammen. Mitten im Zimmer stand Nick und betrachtete mich "Du siehst gut aus". "Danke" lächelte ich, trat zu ihm und zog ihn in eine Umarmung "Für alles Nick. Dass du immer so auf mich aufgepasst hast. Dass du mich immer verteidigt hast. Dass du für mich gekämpft hast. Du wurdest für mich der Bruder, den ich verloren habe. Ich hab dich wirklich lieb". Er erwiederte die Umarmung seufzend "Ich würde alles auf der Stelle nochmal für dich tun, Lu. Du bist ein ganz besonderes Mädchen. Aber bitte sag sowas nicht, als würdest du dich verabschieden. Wir sehen und wieder, nach dieser Mission. Das musst du mir versprechen". "Ich kann nichts versprechen, was ich vielleicht nicht halten kann..." murmelte ich in sein Oberteil. Er zog mich enger an sich "Versprich es mir. Wenn du es nicht verspricht, lass ich dich nicht gehen". Ich lachte leicht "Okay. Ich verspreche es". "Pass einfach auf dich auf, Kleine" murmelte er, drückte mich noch einen Kuss auf den Scheitel und löste sich dann von mir "Aber jetzt komm, die anderen warten sicher schon".

Letztendlich stand ich wieder an der unterirdischen Eisenbahnstrecke, wo auch das Gleiskettenfahrzeug stand. Es waren mehr Rebellen da, als ich dachte. Der Vorraum vor den Schienen war mit Leuten bevölkert. Zusammen mit Nick quetschte ich mich durch die Menschenmasse. Alle schienen durcheinander zu reden, trotzdem merkte man die Spannung im Raum deutlich. Keiner wagte es, zu laut zu sprechen. Das Flüstern, dass den ganzen Raum zu erfüllen schien, wirkte jedoch beruhigend. Es zeigte nochmal, dass ich nicht alleine war. So viele Leute, die mit mir kämpfen werden. Mit denen ich kämpfen werde, als eine Einheit. Das Gefühl, das mich erfüllte, machte mir Mut. Zusammen waren wir stark, eine unaufhaltsame Gewalt, eine feste Einheit. Es machte mich stolz, dass so viele Leute gegen die Unterdrückung kämpfen. Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich erst jetzt bemerkte, dass wir inzwischen bei unseren Leuten angekommen waren. Astrid zog mich in eine kurze Umarmung und murmelte "Wir bleiben immer zusammen, okay?". Ich nickte nur, als sich auch schon ein Arm um meine Schultern legte und mich ein Stück Weg von Astrid zog. Es war Bastian, der mir jetzt ins Ohr flüsterte "Ich bin woanders stationiert als ihr, Lu. Pass bitte gut auf mein Mädchen auf". "Versprochen" sagte ich wie aus der Pistole geschossen. Er nickte, drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er zu Astrid, zog sie besitzergreifend und beschützerisch in seine Arme und küsste sie intensiv. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und erwiederte den Kuss leidenschaftlich. Das war der Moment, in dem ich mich weg drehte, aus vielerlei Gründen. Ich wollte natürlich nicht so ein kranker Stalker sein, der Leute beim küssen anstarrt. Außerdem war der Kuss so intim, dass man nur weg gucken konnte. Und dann war da auch noch das etwas neidische Stechen in meiner Brust. Was würde ich jetzt dafür geben, Alex so küssen zu können, mich einfach an seine Brust zu schmiegen und seinen Duft einzuatmen. Die Antwort war einfach. Alles. 'Bald' rief ich mich zur Ordnung 'Heute werde ich ihn wieder sehen und genau so küssen. Mit der gleichen Leidenschaft und Intensität'. Schon bei dem Gedanken kribbelte mein Bauch. Wie sehr ich ihn vermisse... Erst jetzt bemerkte ich, dass es um mich herum inzwischen ganz Still geworden war. Auch als ich zu Astrid sah, runzelte ich verwirrt die Stirn. Diese deutete mit der Hand nur nach vorne. Ich folgte ihrem Blick und dann sah ich Nick, der auf dem Gleiskettenfahrzeug stand. Alle sahen erwartend zu ihm. Nick sah lächelnd auf uns runter und wartete, bis es wirklich ganz ruhig war. Dann sagte er "Da ich nicht mit euch mitkommen werde, müsst ihr euch ab jetzt an meinen Kameraden Bastian wenden. Er weiß die genaue Uhrzeit, wann die Mission startet und wird euch an euren Startpunkt führen. Vom dort an hat jeder persönlich Anweisungen erhalten, was er zu tun hat. Ihr wisst bescheid. Ich will auch gar nicht lange quatschen, ihr müsst los, aber eins noch". Inzwischen war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.

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