Kapitel #062

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Ich erreichte die Tür, für die man dummerwiese einen Code brauchte. Zum Glück war der Code in der linken Handfläche, also auf der Seite, wo ich verwundet war. So konnte ich mich mit der anderen Hand wenigstens etwas verteidigen. Ich drückte meine Handfläche auf den Touchscreen und drehte dann den Rücken zur Tür. Kurz ließ ich meinen Blick schweifen. So viele Wächter, nur wegen mir. Aber einige waren mir fast schon gefährlich nah. Ohne zu zögern zog ich ein Wurfmesser nach dem anderen aus meinem Gürtel und warf. Dieses mal achtete ich nicht darauf, sie nicht zu töten. Nicht, dass ich sie töten wollte, aber für soetwas hatte ich einfach keine Zeit. Auf jeden, der mir zu nahe kam, warf ich ein Messer. Damit hielt ich sie eigentlich ziemlich gut auf abstand. Nur die Schusswaffen, mit denen sie auf mich schossen, verlor ich dabei etwas aus den Augen. Somit hielt ich zwar die Wächter auf abstand, doch gegen die Kugeln hatte ich keinen Schutz. Das bekam ich schmerzhaft zu spüren, als mich eine Kugel in den Oberschenkel traf. Ich schnappte nach Luft und kurz wurde mir schwarz vor Augen. Der Schmerz explodierte in mir. Auch meine Hand griff ins leere, als ich nach noch einem Messer greifen wollte. Scheiße. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich hatte verloren. Doch in dieser Sekunde sagte die Frauenstimme "Zugang gewährt". Ich zögerte nicht eine Millisekunde. Ich riss die Tür auf und schlüpfte durch. Doch noch bevor ich es raus geschafft hatte, spürte ich, wie mich jemand an der Jacke von Nadines Uniform festhielt. Erst wollte ich mich nur losreißen, aber der Typ hielt mich vehement fest. Jetzt versuchte er sogar, mich zurück zu ziehen. Da hatte ich einen Geistesblitz. Ich riss schnell und grob den Reißverschluss der Jacke auf und schlüpfte in einer einzigen Bewegung aus den Ärmeln. Jetzt war ich frei. Als ich mich umdrehte sah ich noch das verdutzte Gesicht eines Wächters, der Nadines Jacke in der Hand hielt. Dann fiel die Tür ins Schloss und es war auf einmal Still. Am liebsten hätte ich mich jetzt einfach an der Wand neben der Tür auf den Boden fallen lassen und hätte erstmal eine Pause gemacht. Aber das ging natürlich, denn in wenigen Sekunden wird irgendein Wächter mit seinem Code diese Tür nochmal öffnen und dann sollte ich so weit weg wie möglich sein. Also rannte ich los. Beziehungsweise ich versuchte, zu rennen. Mit einer Kugel im Oberschenkel gestaltet sich das aber nicht sonderlich gut. Ich versuchte, den Schmerz zu ignorieren und lief mit zusammen gebissen Zähnen weiter. Ich schaffte es genau um eine Ecke und somit aus den Blickfeld der Wachen, als ich hörte, wie sich die Tür wieder öffnete und eine Stimme rief "Sucht alles ab! Weit kann sie nicht gekommen sein!". Mutlosigkeit erfasste mich. Das schaffe ich nie.



Ich hatte keine Zeit. Weglaufen konnte ich vergessen. Erstens würden sie meine Schritte hören und zweitens wäre ich mit einer Kugel im Bein nicht schnell genug. Kämpfen ist auch eher ungünstig, da ich vorher meinen linken Arm aufgeschnitten habe und mit einem schmerzfreien Arm und einem funktionierenden Bein war es schwer, sich vernünftig zu verteidigen. Einzige Chance: verstecken. Aber wo?! Es war vielleicht 5:30 Uhr morgens und die Sonne stand gerade knapp über dem Horizont. Es war noch dämrig und die Straßen waren wie leer gefegt. Also keine Menschen da, unter die ich mich mischen könnte. Die nächste Seitenstraße, in die ich könnte, lag ungefähr 500 Meter entfernt. Zu weit, als das ich in der kurzen Zeit da hin könnte. Irgendwelche Gebäude hoch klettern konnte ich mit meinen Verletzungen auch vergessen. Es standen auch keine Mülltonnen oder andere Sachen herum, die als Versteck dienen könnten. Und in irgendwelchen Hauseingängen konnte ich mich auch nicht verstecken. Scheiße. Die Zeit rannte mir davon. Alle diese Möglichkeiten waren in Sekundenschnelle durch meinen Kopf geschossen. Noch einmal ließ ich meinen Blick schweifen und hatte dieses mal eine Idee. Die Autos. Alle paar Meter parkte ein Auto. Okay, es war nicht das originellste Versteck, aber momentan definitiv das beste, dass ich hatte. So schnell ich konnte, hinkte ich auf das nächstbeste Auto zu, warf mich auf den Boden und rollte mich darunter. Keine Sekunde zu früh, den da hörte ich schon die Schritte der Wächter um die Ecke laufen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Finger krallten sich in den rauen Asphalt. Wenn sie mich hier finden, bin ich definitiv tot. Mein Kopf lag seitlich auf dem Boden und da fiel mir auf, das an der Stelle, wo ich mich auf den Boden fallen gelassen habe, um mich unter das Auto zu rollen, etwas Blut von meinem Oberschenkel auf der Straße kebte. Shit. Das Blut kebte da wie ein roter Pfeil, der auf mein Versteck zeigte und schrie "Hier ist sie!". Ich konnte nur beten, dass sie so dumm waren, diesen eindeutigen Fingerzeig zu übersehen. Jetzt hörte ich ihre Stimmen ziemlich nah. "Wir teilen uns auf. Ihr zwei geht nach links, ihr nach rechts. George, kommen Sie, wir gehen gerade aus. Sucht alles nach ihr ab!" wies einer von ihnen an und es waren wieder Schritte zu hören. Zwei Leute kamen dabei in meine Richtung. "Du übernimmst die linke Straßenseite, ich die rechte" sagte einer von ihnen. Ich hörte wie links von mir jemand an dem Auto vorbei lief, konnte ihn aber nicht sehen, da mein Kopf nach rechts gedreht war. Allerdings lief der zweite Wächter jetzt genau vor mir entlang. Meine Augen folgten seinen schwarzen Stiefeln, die fast provozierend langsam am Auto entlang schritten. Unwillkürlich hatte ich die Luft angehalten, mein Körper war bis aufs äußerste angespannt. Als er auf Höhe meiner Blutspur war, schien sogar mein Herz einen Augenblick aufhören zu schlagen. 'Bitte, bitte, bitte... Geh einfach weiter' flehte ich in Gedanken. Aber natürlich wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt. Der Wächter ging auf ein Knie und fuhr mit der Hand über die Stelle. "Blut..." murmelte er fast unhörbar. Die Zeit schien still zu stehen. Ganz langsam beugte er sich weiter runter, bis er mir genau in die Augen blickte. Ich starrte ihn an. Das wars dann wohl.

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