Kapitel #016

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Am nächsten Morgen war ich so krass übermüdet.

Meine Augenringe konnte ich kaum verdecken. Kein Wunder, immerhin hatte ich die letzte Nacht sozusagen durchgemacht. Vor meiner 'Mission' habe ich ja nicht geschlafen und danach bekam ich auch kein Auge mehr zu.

Deswegen schaute mich Alex aus seinen treuen, braunen Augen skeptisch an, als ich ihm die Tür öffnete.

"Schlecht geschlafen?" fragte er.
Ich zuckte darauf nur mit den Schultern und murmelte "Albträume".

Hoffentlich bemerkte er diese Lüge nicht. Doch anscheinend kaufte er es mir ab, denn er ging, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, los Richtung Trainigsraum eins.
Als er den Raum aufgeschlossen hatte, wollte ich rein gehen, doch er stellte sich in den Türrahmen​ und versperrte mir den Weg.

"Was ist?" wollte ich verwirrt wissen.
"Ich habe nur eine kleine Frage an dich" antwortete er.

Ich schluckte, das klang nicht gut.

"Trägst du zufällig solche Haarklammern?" fragte er und zog eine schwarze, verbogene Klammer aus seiner Tasche. Meine Haarklammer, mit der ich gestern die Tür aufbrechen wollte.

Scheiße, jetzt darf ich mir bloß nichts anmerken lassen.
Also setzte ich mein Pokerface auf und sagte möglichst sicher und desinteressiert "Nein, ich trage keine Haarklammern".

Alex erwiderte darauf nichts sondern starrte mich nur an. Er schien mich mit seinen Blicken zu durchbohren. Ich spürte, wie meine Handflächen langsam schweißig wurden und hoffte, dass man mir meine Nervosität nicht ansah.

Nach gefühlten Stunden, bewegte er sich wieder. Er beugte sich vor und hielt mir das schwarze Stück Metall vor die Nase.

"Na gut, Lucy" zischte er bedrohlich leise "Ich glaube dir jetzt einfach, aber ich werde die Klammer ins Labor schicken. Die werden sie auf jede noch so kleine DNA-Spur untersuchen. Und sollten man feststellen, dass du die Besitzerin dieser Haarklammer bist, dann bist du die längste Zeit hier auf den Gängen herumgestreunert. Und dann kommst du vielleicht auch mal wieder dazu, in deinem eigenen Bett zu schlafen. Haben wir uns verstanden?!"

Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und betrat den Trainingsraum.

Ich blieb noch einen Moment wie erstarrt stehen. Oh nein, was hab ich da nur wieder angerichtet. Früher oder später werde ich wieder in meinem Zimmer eingesperrt, und das nur, weil ich diese dumme Klammer fallen ließ.

Ich hasse mein Leben.

>Alex<

Ich beobachtete Lucy, wie sie langsam aber sicher den Parcours, den ich in der Trainigshalle aufgebaut hatte, bewältigte.

Sie wurde immer besser, das kann man nicht leugnen. Vor zwei Wochen hätte sie diesen Parcours nicht halb so sauber und schnell schaffen können.
Sie lernte schnell, bald können wir sicher mit Waffen und Strategien anfangen.

Ich schaute zu, wie sie mithilfe eines Anlaufs geschickt über eines der Hindernisse kletterte. Sie da dabei so schön aus. Hoch konzentriert, angespannt und elegant.

Sie war gut. Sehr gut.

Ich würde ihr durchaus zutrauen, dass sie gestern Nacht durch die Flure geschlichen ist und sich am Schloss des Speisesaals zu schaffen gemacht hatte.

Andererseits, warum sollte sie das tun? Der einzige Grund wäre der Zugang zum Archiv, aber davon kann sie ja nicht wissen...
Außerdem hatte ihre Mine bei meiner Drohung keinerlei Regung gezeigt.

Naja, mal schauen was das Labor sagt. Der einzige Hacken an der Sache: die Auswertung der DNA-Spuren dauerte immer ewig. Es kann also eine Weile dauern, bis Ergebnisse da sind.

CodeworldWhere stories live. Discover now