Kapitel #065

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Die nächsten Tage gab es viel zu planen und zu tun, doch ich wurde aus allem mehr oder weniger raus gehalten. Nur das nötigste sollte mir erzählt werden. Und daran hielten sich alle strikt. Nick hatte wohl ein bisschen gebraucht, alle vollends davon zu überzeugen, mich mitzunehmen. Jetzt versuchten sie eben bestmöglich mich über Details im Dunkeln zu lassen. Wenigstens hatte Bastian mir den Plan ein bisschen detaillierter beschrieben. Ich werde einen Sprengstoffgürtel bekommen. Die Rebellen, die keinen Sprengstoff hatten, werden, sobald sich die Türen öffnen, voraus rennen und uns dem Weg frei halten, da wir ja hoch explusiv sein werden. Wir, mit den Sprengstoff, sollen in den Severraum und zu den anderen uns zugewiesen Stellen gehen und den Sprengstoff anbringen. Dann stellen wir die Zeit auf zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten, uns in Sicherheit zu bringen. Wer dann noch im Gebäude ist, hat Pech gehabt. Bei diesen Worten hatte mich stark zusammen reißen müssen, nicht etwas zu sagen. Die Vorstellung, dass Unschuldige wegen uns sterben werden, behagte mir noch immer nicht ganz. Auf jeden Fall haben sie mir wieder einen Gebäudegrundriss gegeben und den schnellstmöglichen Weg und den Ort, wo ich meine Sprengstoffladung anbringen soll, markiert. Ich habe unauffällig mit Bleistift noch ein zweites Kreuz gesetzt. Es war im gleichen Stockwerk wie der Severraum, den ich sprengen sollte. Es waren die Zellen. Ich war ehrlich gesagt total überrascht, dass eine im Grunde völlig normale Firma Zellen in ihrem Gebäude hatte. Schließlich war das ja für einen "normalen" Betrieb nicht unbedingt typisch. Aber offensichtlich plante CodeSystems diese Machtübernahme schon sehr lange, also war es vielleicht doch nicht so seltsam, dass sie ein hauseigenes Gefängnis hatten. Sobald ich den Sprengstoff angebracht habe, wollte ich einem kleinen Umweg dahin machen. Ich kann Alex ja nicht in seiner Zelle sitzen lassen, wenn das ganze Gebäude in die Luft fliegt. Und dieser Gebäudegrundriss lag jetzt vor mir auf der Apparatur, an der man die Geschwindigkeit des Laufbands einstellen konnte. Wie gesagt, man hielt mich möglichst aus allem Planungen raus. Stattdessen schickten sie mich in den Trainingsraum, damit ich meine Versetzungen in dieser Woche wieder ein bisschen aufarbeite. Immerhin muss die ich Muskeln in meinem kaputten Oberschenkel wieder etwas aufbauen, wenn ich in einer Woche so viel rennen muss. Währenddessen lernte ich meinen Weg durch die Firma auswendig. Und ich war den Rebellen aus den Weg, die die Freiheitskämpfer aus der Bärenhöhle 2.0 in die alte Bärenhöhle oder hier her brachten. Außerdem gab es noch einen Südlichen und einem nördlichen Stützpunkt. Die Bärenhöhle lag im Osten der Stadt. Da CodeSystems seinen Sitz im Herzen der Stadt hatte, war es ja egal, aus welcher Himmelsrichtung man kam. Außerdem war es taktisch gut, aus vielen verschiedenen Richtungen anzugreifen, meinte Bastian. Solche Sätze erinnerten mich immer unheimlich an Alex. Mit seinem Strategie Unterricht. Allgemein dachte ich hier viel an Alex. Auch, dass ich wieder etwas trainierte, ließ meine Gedanken zu ihm schweifen. Irgendwie vermisste ich seine strenge Stimme, die mir Anweisungen zum Trainieren gab, mich immer motivierte und mir Tipps gab. Erst hatte ich auch richtige Probleme, den Trainingsraum zu betreten, weil das immer irgendwie unser Ding war. Zusammen Trainieren. Seine Präsens fehlte mir dabei mehr als sonst irgendwo. Aber inzwischen habe ich mich zusammen gerissen. Ich trainiere hier ja auch für ihn. Das kleine Bleistiftkreuz auf meiner Karte stachelte mich an, mein Bestes zu geben. Das hier tat ich nicht nur für die Stadt. Ich tat es für ihn. Und wenn ich ihn da Lebend raus holen will, muss ich besser werden.

Allerdings machte mir meine Schusswunde noch mehr zu schaffen, als ich zugeben würde. Mit Cat machte ich zwar jeden Morgen Muskelaufbau-Trainig und auf dem Laufband schaffte ich langsam immer weitere Strecken in immer höheren Tempo, aber meine Leistung war lange noch nicht ausreichend. Wenn ich mit den anderen Rebellen mithalten wollte, muss ich noch schneller werden. Außerdem schaffte ich momentan ungefähr die Strecke von hier bis zum Firmengelände, ohne eine Pause zu machen oder zu starke Schmerzen zu haben. Das Problem war nur, dass ich in dem Gebäude auch rennen musste. Und wenn möglich auch wieder raus. Auch meine Schüsse waren durch meine Armverletzung noch sehr zittrig und trafen fast nie ihr Ziel. Nur das Messerwerfen fiel mir immer noch so leicht wie ohne Wunden. Wenigstens eine Waffe, mit der ich mich verteidigen konnte. In drei Tagen sollte die Mission ablaufen. In den frühen Morgenstunden, wo ein Großteil der Stadt noch schlief, aber bei CodeSystems schon der Arbeitstag angefangen hat. Aber iregenwie hatte ich vor dieser Mission weniger Angst als vor Operation X. Vielleicht, weil ich nicht alleine war. Der Gedanke, meine Freunde und Verbündeten um mich zu haben, beruhigte mich ungemein. Auch wenn ich natürlich etwas Angst hatte, jemanden zu verlieren, der mir etwas bedeutet. Die wahrscheinlich war ja nicht gerade gering... Vielleicht bin ich aber auch nur so entspannt, weil ich Alex bald wiedersehen werde. Er fehlt mir mehr, als ich gedacht habe. In drei Tagen befrei ich ihn. Astrid, die den Auftrag bekommen hat, auf mich Aufzupassen, damit ich keinen Mist baue, wird es verstehen. Und wenn nicht... werde ich es schaffen, ihr zu entkommen. Sorry Astrid. Aber ich kann Alex nicht in einem Gebäude sitzen lassen, dass in die Luft fliegt. Auch wenn ich viel weiter rennen muss. Apropos rennen, für heute hatte ich genug Lauftraining. Daher schaltete ich das Laufband ab, faltete meine Karte zusammen und verließ den Trainingsraum, um mir erstmal eine Dusche zu gönnen. Das hatte ich auf jeden Fall verdient.

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