Kapitel #052

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Als ich die Stimme erkannte, begann ich erst recht mich zu wehren, bis er mich widerwillig los ließ. "Man, Alex! Du hast echt einen schaden! Wie kannst du mich so erschrecken?!" fuhr ich ihn an. Er verschränkte die Arme und wirkte unbeeindruckt von meinem kleinen Ausbruch "Was machst du hier, Lucy?". Die Kälte in seinen Augen machte mich unsicher. Wieder merkte ich, wie übermündet ich bin. Leicht beschämt senkte ich den Blick "Ich konnte nicht schlafen". "Aha. Und all die anderen Nächte, in denen du am nächsten morgen so fertig warst, aber plötzlich alle meine Aufgaben vom Vortag lösen konntest?" bohrte er weiter und ich spürte seinen unerbittlichen Blick auf mir. Ich seufzte schwer und spürte zu meinem bedauern, dass mir Tränen in die Augen stiegen "Ich dachte, lieber trainiere ich noch mehr, als das ich meine Zeit mit sinnlosen Im-Bett-rumliegen verbringe. Ich habe ja nicht mehr allzu viel Zeit". Jetzt seufzte auch Alex und hob mein Kinn mit zwei Fingern an, sodass ich ihn ansehen musste "Ach Lu, dass ist doch dumm. Lieber trainieren wir tagsüber zusammen und ich kann dir helfen, als das du dich nachts alleine mit deinen Problemen quälst. Außerdem musst du doch am Tag fit sein! Du darfst deinen Schlaf Rhythmus nicht so durcheinander bringen! Nicht so kurz vor der Mission". "Aber ich finde sowieso keinen schlaf!" schniefte ich jetzt völlig aufgelöst und kam mir selbst ein bisschen albern vor, normalerweise bin ich nicht so nah am Wasser gebaut. Das muss auch an meinen Hormonhaushalt liegen, der seit der Fehlgeburt sowieso durchdreht. Ein weiterer guter Grund, wieder regelmäßig zu schlafen. Aber es ist, ja auch nicht so, dass ich mir aussuche, nicht zu schalfen. "Ich drehe mich stundenlang hin und her. Da ich aber nicht schlafen kann, kann ich auch gleich trainieren, das kommt morgens aufs gleiche raus" fuhr ich aufgebracht fort. Ernst sah mich Alex an "Das du aber fit und ausgeschlafen bist ist noch wichtiger als das ganze Trainig! Wenn du am Tag der Mission nicht fit bist, kannst du dich auch nicht konzentrieren und bist schon so gut wie tot". Ich schluchzte verzweifelt "Aber was soll ich denn machen? Ich kann das nicht!". " Shhh" sagte Alex beruhigend, griff nach meiner Hand und zog mich mit sich Richtung Bärenhöhle. "Ich sag doch, dass ich nicht schlafen kann" versuchte ich es erneut, war aber zu schwach, um mich gegen seinen griff zu wehren. Er zog mich einfach weiter "Ich sag dir jetzt, was wir machen. Wir machen uns einen Tee, dann redest du dir alles von der Seele, was dich bedrückt und dann schläfst du morgen mal aus".

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich so gut wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich lag neben Alex im Bett. Er hatte beide Arme um mich geschlungen und schlief noch friedlich. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Gestern, beziehungsweise heute war es auch wirklich spät geworden. Mit einem Tee in der Hand saßen wir beide ewig zusammen und ich erzählte Alex alles, was mich beschäftigte. Angefangen von der Angst zu Versagen, über die Angst zu sterben bis hin zu der Angst, andere Menschen zu töten. Er hatte mir ohne Unterbrechungen zugehört. Dann hatte er mich in den Arm genommen und mir Mut zugesprochen. Das ich das schaffen kann. Das ich nicht alleine bin, wir sind immer über Headset miteinander verbunden. Das ich stark bin. Das ich bereit bin. Und immer wieder, dass ich das richtige tue. Wenn ich meinem Herzen Folge, kann ich nichts falsch machen, meinte er. Aber davon war ich nicht sonderlich überzeugt. Kann ich wirklich andere Menschen töten? Zum Wohle der 'Allgemeinheit'? Tja, wird sich zeigen. Auf jeden Fall ging es mir jetzt viel besser als die Wochen davor mit dem nächtlichen Trainig. Ich fühlte mich fit, wach und motiviert. Noch drei Tage. Drei Tage training, Konzentration und Anstrengung. Dann kommt Tag X. Und wenn ich diesen Tag überstanden habe, kann mir nichts mehr etwas anhaben. Dann ist das ganze Drama vorbei. Vielleicht kann ich dann wieder normal Leben. Meine Schule weiter machen und so. Jedenfalls hoffte ich das. Wobei... keiner weiß, wie das Leben nach der Machtübernahme der Rebellen weiter geht. Gibt es überhaupt noch normale Schulen? Arbeit? Herrscht nicht erstmal das totale Chaos? Und was werde ich für eine Rolle dabei spielen? Ich weiß es nicht und es ist eindeutig zu früh, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Jetzt muss ich mich erstmal auf das konzentrieren, was mir unmittelbar bevorsteht. Was danach passiert, wird sich zeigen. Aber ehrlich gesagt war ich noch nie so optimistisch wie an diesem Morgen. Zum ersten mal hatte ich wirklich das Gefühl, diese Mission meistern zu können. Ich werde das rocken. Und dann können sie mich alle mal, weil dann ist es vorbei.

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