Kapitel #045

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"Du bist WAS?!" schrie Alex und schubste mich grob von sich weg. Das Glücksgefühl von eben war wie weggeblasen. "Ich bin schwanger" wiederholte ich und hatte schon Tränen in den Augen. Scheiß Hormone. Trotzdem fuhr ich unbeirrt fort "Aber lass es mich erklären. Das war nämlich-". Er unterbrach mich barsch "Wer, Lucy? Wer ist der Vater". Ich zögerte eine Sekunde, ehe ich antwortete "Sag dir der Name 'Jasper' was?". "Etwa Jasper Flynt?! Der kleine Bruder von Benjamin Flynt?" rief er fassungslos. Beschämt senkte ich den Blick, was er jedoch völlig falsch deutete. Auf einmal lag eine seltsame Kälte in Alex' Stimme "Und in dieses Arschloch hast du dich so sehr verliebt, dass er dich gleich mal schwängern durfte? Und jetzt kommst du bei mir an und redest von einem 'zusammen'? Du bist echt das allerletzte, Lucy". Der Schmerz war ihm ins Gesicht geschrieben und sein Schmerz war irgendwie auch meiner. "So war das nicht, Alex. Wirklich.Hör mir zu, ich-" versuchte ich es im ruhigen Ton, doch er fiel mir wieder ins Wort "Was willst du mir jetzt erzählen, Lu? Details? Kein Interesse. Hast du plötzlich fest gestellt, dass er ein Arsch ist? Geschieht dir recht. Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen und das will ich auch gar nicht. Mach deinen Scheiß doch einfach alleine, ich hab keinen Bock mehr. Auf dich und die ganzen Katastrophen, die auf mich einstürzen, seitdem du da bist. Ich empfinde mehr für dich, als für andere und ich dachte, das beruht auf Gegenseitigkeit. Hab mich wohl getäuscht. Herzlichen Glückwunsch zur Mutterschaft. Viel Glück". Mit diesen Worten wandte er sich ab. Und es tat mir weh. So unendlich. Alex schien mir fast wie die einzige Person, auf die ich noch zählen kann, aber jetzt vertraut mir nicht mal mehr er. Die Tränen liefen mir in Strömen über's Gesicht. Doch so wollte ich es nicht beenden. Ich werde ihm wenigstens die Wahrheit sagen. Augenblicklich wandelte sich meine Trauer in Wut. Ich lief ihm die paar Schritte, die er schon von mir weg gemacht hat, hinterher und schrie ihn dann wütend an "Man Alex! So war das nicht! Ich liebe dieses Arschloch nicht! Er hat mich VERGEWALTIGT!".

Alex erstarrte. Sein Gesicht sah ich nicht, denn er stand noch mit dem Rücken zu mir, doch seine Körperhaltung wirkte... irgendwie bedrohlich. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und entspannten sich wieder. "Sag das nochmal" flüsterte er so leise, dass ich ihn gerade so verstand. Seine Stimme hatte sich verändert. Er redete in einem Ton, der keine Wiederrede zuließ. Auch ich sagte deutlich leiser "Jasper Flynt hat mich vergewaltigt". Beim letzten Wort brach meine Stimme weg. Ich fühlte mich elend. So beschmutzt und wertlos. Stumm liefen mir Tränen über das Gesicht. Endlich wandte sie Alex um und blickte mich mitleidig an "Es tut mir leid, Lu". Mit zwei langen Schritten kam er auf mich zu und zog mich besitzergreifend in seine Arme. Ich versuchte mich verzweifelt von ihm zu lösen. Ich wollte ihn nicht umarmen, wo er mir doch gerade eben mit seinen Worten das Herz gebrochen hatte. Doch er war zu stark und hielt mich eisern fest. Dabei flüsterte er dauernd "Shh Lucy", "alles gut", "dir kann nichts passieren" und verteilte Küsse auf meinem Scheitel. Nach einigen Minuten gab ich meinen Widerstand auf, sank kraftlos gegen seine Brust und begann ungehemmt zu schluchzen. Es tat gut, mal all den Schmerz raus lassen zu können und dabei in den Arm genommen zu werden. Es tat gut, nicht immer nur die Stare mimen zu müssen, sondern auch mal schwach sein zu dürfen. Alex tat mir gut. Seine starken Arme waren wohl das einzige, was mich in diesem Moment vor dem zerbrechen bewahrte. Nach einiger Zeit brachte ich mit kratziger Stimme heraus "Es... es tat so weh, Alex. Er war so... brutal". Ich wurde wieder von Schluchzern geschüttelt und Alex fuhr beruhigend mit seiner Hand mein Rückgrat hoch und runter. "Es tut mir leid" flüsterte er "Ich hätte bei dir bleiben und dich vor diesem Arsch beschützen müssen. Ich schwöre dir, wenn ich ihm begegne, bringe ich ihn eigenhändig um." Ich nickte nur und lauschte auf Alex' gleichmäßigen Herzschlag und seine tiefen, ruhigen Atemzüge. Es gab nichts, was mich mehr beruhigte, als diese zwei Geräusche und seine Anwesenheit. Und obwohl das vielleicht in Angesicht der Situation ein bisschen krank war, war ich genau in diesem Moment, an diesem Ort so glücklich wie schon lange nicht mehr. Ich beschloss, den Moment zu genießen, da sich in der Zukunft schon wieder neue Probleme zusammenbrauten wie ein unheilvolles Gewitter an Himmel. Wer weiß, wie oft ich solche stillen Momente noch erleben darf.

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