Kapitel #041

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Einen Moment war ich vor Schock zur Salzsäule erstarrt. Dann wurde ich wie auf Knopfdruck unglaublich wütend. Ich weiß nicht, ob das an meinen Hormonen lag, die offensichtlich verrückt spielen oder einfach an der Tatsache, dass ich schon die ganze Zeit alles mögliche in mich hineinfraß und nichts aus mir raus lasse. Auf jeden Fall hatte ich große Lust, auf jemanden einzuschlagen. Nein, nicht auf irgendjemanden. Auf ihn. Also warf ich jeden noch so gut ausgeklügelten Racheplan über Bord. Wuttränen stiegen mir in die Augen, als ich das Bad mir strammen Schritten verließ. Im Flur stampfte ich dann an einer verblüfft guckenden Annie vorbei und rauschte ins Wohnzimmer. Da stand er, lehnte lässig an der Wand mir gegenüber, als hätte er mich erwartet. Trotzdem wirkte er überraschte und zog eine Augenbrauen hoch. Ich jedoch lief zielstrebig auf Jasper zu, blieb nah vor ihm stehen und verpasste ihm dann die Ohrfeige seines Lebens. Sein Kopf flog zur Seite und der Abdruck meiner kleinen Hand leuchtete rot auf seiner Wange. "Du Arschloch!" schrie ich jetzt und die Tränen rannen über mein Gesicht "Du hast mich geschwängert, du Schwein! Mit 16! Wenn du mich schon so leiden lassen musstest, wieso konntest du nicht verhüten?! Meine ganze Zukunft ist am Arsch!". Völlig perplex starrte Jasper noch auf mich runter. Mein Herz raste und pumpte Adrenalin duch meine Adern. Ich zitterte vor Wut. "Ich hasse dich" sagte ich fast ruhig, doch mein zittern und meine Hände, die sich automatisch zu Fäusten geballt hatten, straften mich Lüge. Und dann tat ich das, was ich schon lange tun wollte, wovor ich doch zu viel Angst und Vernunft hatte. Aber jetzt hatte ich die beste Entschuldigung. Immerhin war ich eine schwangere, hormongesteuerte Frau. Also schlug ich ihn. Prügelte förmlich auf ihn ein. Ließ all meine Wut und all meinen Hass raus. Ich schlug und kickte Jasper. Dabei kreischte ich die ganze Zeit "Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich". Ich sah nicht, was er dabei fühlte, Tränen verschleierten meine Sicht. Doch er wehrte sich nicht. Er ließ sich von mir verprügeln, ging jedoch auch nicht zu Boden. Nach einiger Zeit schlangen sich zwei starke Arme wie Boa Constrictors um meine Tailie und zogen mich zurück. Ich schlug um mich und wand mich in dem Griff "Fass mich nicht an!". Nachdem ich einige Meter zurück gezogen wurde, schaffte ich es, mich zu befreien. Ich drehte mich um und schaute in Flynts Blau-Grüne Augen. Er hatte einen unergründlichen Gesichtsausdruck und musterte mich intensiv. "Fass mich nicht an" wiederholte ich meine Worte leise, dann wirbelte ich herum, stürzte aus dem Raum und lief auf dem Flur in das erstbeste Zimmer. Es war der Raum, in dem ich vergewaltigt worden war. Doch dieses mal wollte ich nicht hier raus. Der kahle, leere Raum passte zu meinen Schmerzen. In einer Ecke langen noch immer meine zerschnittenen Klamotten. Ja, dieser Raum ist meine persönliche Hölle. Der Ort meiner Alpträume. Meine eigene Folterkammer. Ich schaffte es noch bis in die Ecke, in der ich damals in einer Decke eingewickelt aufwachte. Dann fiel ich auf die Knie und brach in Tränen aus. Mein Schluchzen erfüllte meinen Körper und den leeren Raum. Ein passender Vergleich - mein Körper fühlte sich so leer wie der Raum. Dabei war ich darin jetzt nicht mehr alleine. Ich teile ihn mit Jaspers Genen. Meinen heißen Tränen tropften auf den kalten Boden. Womit habe ich das verdient?

Ich weiß nicht, wie lange ich da saß. Inzwischen waren meine Tränen vertrocknet. Nur der Schmerz war geblieben. Meine linke Hand lag auf meinen Bauch und strich gedankenverloren darüber. Plötzlich öffnete sich die Tür und mein Kopf schoss ruckartig nach oben. Mit allen hätte ich gerechnet. Mit allen. Nur ihm nicht. "Jasper" sagte ich tonlos. In Kombination mit diesem Raum tat er mir nicht gut. Die zurückkehrende Angst ließ eine Gänsehaut über meine Arme streifen und mein Herz schneller schlagen. Jedoch wurde die Angst etwas gedämpft, als ich sah wie er aussah. Platzwunde auf der Stirn, schiefe Nase an der getrocknetes Blut hing, aufgeplatzte Lippe, blaues Auge. Und das war nur das Gesicht - er schien auch zu hinken. Was das alles ich? Als hätte er meine Gedanken gehört, lachte er plötzlich auf "Als ob du mit deinen kleinen Fäusten jemanden so zurichten könntest. Das war Ben, nachdem du so dramatisch den Raum verlassen hast". Bei seinem lachen zuckte ich zusammen und flüsterte "Was willst du hier?". "Mich entschuldigen" sagte er nüchtern und setzte sich mit mehreren Metern Abstand mir gegenüber auf den Boden "Sonst hätte mich Ben wahrscheinlich getötet". "Und wofür willst du dich entschuldigen?" fragte ich barsch "Dafür, dass du mich vergewaltigt hast? Dafür, dass du mich geschwängert hast? Dafür, dass du geboren wurdest?!". "Wow, ich wusste gar nicht, dass du auch schlagfertig kannst" schmunzelte er "Aber ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Du nennst mich Arschloch, das ist okay. Du schlägst mich, auch okay. Ich hab's verdient, so bin ich eben. Gut, das mit der Schwangerschaft ist blöd gelaufen-". "Blöd gelaufen?! Mein ganzes Leben, alle meine Pläne sind am Arsch!" unterbrach ich ihn aufgebracht und funkelte ihn an. Ergeben hob er die Hände "Okay, es war scheiße von mir. Aber jetzt kann man es nicht mehr rückgängig machen. Das einzige, was ich tun kann, ist dir versprechen, unserem Kind und dir so gut es geht beizustehen". "Ich will deinen scheiß Beistand nicht! Ich will mein Leben wieder!" rufe ich aufgebracht. Unser Kind. Ich könnte kotzen. Ich hatte vor, schwanger zu werden, wenn ich Hals über Kopf verliebt und glücklich bin. Mit dem Mann, an den ich auch mein Herz verschenkt habe. Nicht mit meinen Vergewaltiger. Jasper rutschte ein Stück auf mich zu "Du willst das Kind doch nicht töten?!". Seine Stimme war entsetzt. "Nein, verdammt!" fuhr ich ihn an "Das Kind kann doch am wenigsten für das ganze Schlamassel!". Er atmete sichtlich auf "Okay, gut". "Bitte geh, Jasper. Ich kann deine Anwesenheit gerade nicht ertragen. Reden... reden wir irgendwann anderst über die Zukunft, okay?" flehte ich fast. "Ja... später" sagte er nur leise, musterte mich noch einmal und richtete sich dann auf. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging zur Tür. Geade als er diese öffnen wollte, erstarrte er. Jemand klopfte an die Wohnugstür und eine dunkle Stimme rief "Aufmachen, hier ist die Polizei!".

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