Kapitel #057

6.3K 503 36
                                    

Ich blieb komplett erstarrt liegen und wartete. Sogar das atmen verbot ich meiner Lunge. Durch die schmalen Spalten im Lüftungsschacht blickte ich hinaus auf den Gang. Einige Sekunden passierte nichts, dann traten zwei paar schwarze Stiefel in mein Blickfeld. Die beiden Wächter blieben stehen, sahen sich um und lauschten, ob ich mich irgendwie verraten habe. Ein paar Sekunden hielt ich die Luft dann komplett an. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte einer dann "Verdammt, sie ist weg". Dann hörte ich das piepsen eines technischen Geräts und die andere Wache sage "Hier ist sie nicht". Dann ertönte ein kurzes Rauschen und ich identifizierte, dass es sich wohl um ein Funkgerät handelt. Kurz darauf sagte eine Stimme aus dem Funkgerät "Scheiße! Wir haben sie verloren! Sucht jeden verdammten Raum ab, sie muss hier noch irgendwo sein!". "Zu Befehl, Herr Oberstleutnant" sammelte der Wächter am Funkgerät etwas eingeschüchtert. "Was ist eigentlich mit Kamera-aufnahmen?" fragte jetzt der andere Wachmann und die Stimme aus dem Funkgerät antwortete "Das ist ja das Problem! Irgendjemand sorgt dafür, dass unser ganzen Kameras deaktiviert sind. Unsere Leute arbeiten daran. Aber jetzt an die Arbeit!". "Zu Befehl" sagte die zweite Wache nochmal und schaltete mit einem leisen piepsen das Funkgerät wahrscheinlich aus. Dann entfernten sich die Schritte langsam "Wow, ich hätte nicht gedacht, dass die Rebellen so gut vorbereitet sind" stellte die Wache mit dem Funkgerät erstaunt fest. "Ja, wir hätten uns besser vorbereiten sollen..." sagte die andere und ihre Stimmen wurden langsam leiser. Ich wartete, bis sie nicht mehr zu hören waren, dann atmete ich erleichtert aus. In diesem Moment hätte ich Nick echt abknutschen können. Sogar an die Kameras hat er gedacht, der gute. Erleichterung durchströmte mich. Und ein unglaubliches Triumphgefühl, weil ich im Treppenhaus entkommen bin. Aber für Triumphgefühle war jetzt noch keine Zeit. Ich habe immerhin noch ein ganzes Stück Weg vor mir. Noch zwei Stockwerke und etliche Gänge. Ich beschloss, einen Moment einfach mal hier zu bleiben und durch zu atmen, dann aber so bald wie möglich weiter zu gegen. Aber gerade tat mir dieser Moment der Ruhe nach dem Erlebnis im Treppenhaus einfach nur gut. Das war schon super knapp, so weit sollte ich es kein zweites mal kommen lassen. Man muss sein Glück ja nicht herausfordern. Ein paar mal eilten noch Schritte draußen im Gang hin und her, doch ich blieb einfach immer still liegen und wartete, bis sie vorbei waren. In der Zeit schmiedete ich Pläne. Ins gleiche Treppenhaus gehe ich auf keinen Fall nochmal, das war mir doch zu riskant. Aber wenn ich mich recht erinnere gibt in diese Richtung noch ein zweites Treppenhaus. Wenn ich mich nicht täusche, muss ich dazu den Gang entlang, dann links und dann rechts und dann geradeaus. Muss ich da nur noch hin kommen. Aber ich kann ja jetzt auch nicht ewig im Lüftungsschacht rumliegen. Also lauschte ich noch ein paar Minuten. Ich hörte aber nichts verdächtiges, also atmete ich noch einmal tief durch, löste das Gitter und krabbelte auf den Gang.

Ich richtete mich auf und blickte mich um. Soweit alles ruhig. Mein Blick blieb kurz an der Tür zum Drama-Treppenhaus hängen. Keine zehn Pferde bringen mich da wieder rein. Also machte ich auf dem Hacken kehrt und folgte dem Gang zügig in die andere Richtung. Ich beschloss, nicht zu rennen, da ich meine Kräfte sparen wollte und nicht in so einer entspannten Lage wie jetzt verschwenden wollte. Außerdem bin ich so wesentlich leiser. Bald kam ich an eine Abzweigung nach links und bog ab. Ich musste mich inzwischen mitten in diesem monströsen Gebäude befinden, denn die Gänge hatten keine Fenster. Nur durch grelle Neonröhren wurde der Weg vor mir erhellt. In regelmäßigen Abständen gingen Türen links und recht ab. Hier und da hing nochmal ein Bild von Präsident Willow. Ich kam gerade an die Abzweigung nach rechts, als ich Stimmen hörte. Sofort erstarrte ich und lauschte. Sie kamen aus dem Gang, in den ich wollte, kamen mir aber entgegen. Was im Prinzip schonmal gut war. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass sie gerade aus weiter müssen und nicht in den Flur biegen wollen, in dem ich stehe. Schnell presste ich meinen Körper an die von ihnen abgewandte Seite und lehnte mich dann vorsichtig ums Eck, schnellte dann aber sofort wieder zurück. Die beiden waren schon näher als ich dachte. Aber da sie mitten im Gespräch waren und sich gerade gegenseitig angeguckt haben, dürften sie mich eigendlich nicht gesehen haben. Ich krallte meine schwitzige Hände in die weiße, glatte Wand hinter mir, mein ganzer Körper war mal wieder bis zum letzten Millimeter angespannt. Mein Herz raste wie nach einem Marathon und schon wieder betete ich, dass sie mich nicht bemerken. 'Nach dieser Mission bin ich gläubig' dachte ich nur nebenbei. Aber bis jetzt sind alle meine Gebete mehr oder weniger erhört wurden. Hoffentlich jetzt auch. Die Jungs hatten ihr Gespräch beendet, doch die Schritte waren jetzt ganz nah. Instinktiv hielt ich die Luft an und erstarrte komplett. Ich wagte es nicht mal, zu blinzeln. Einen Moment sah ich die beiden Typen im Profil, doch dann waren sie schon einem Schritt weiter und ich konnte nur noch ihre breiten Rücken sehen. Leise atmete ich auf. Sie sind weder abgebogen, noch haben sie mich bemerkt. Heute habe ich wirklich mehr Glück als Verstand. Ich wartete noch einige Minuten, dann schlüpfte ich um die Ecke und lief so schnell aber so leise wie möglich weiter. Nach gut hundert Metern habe ich dann das andere Treppenhaus erreicht. Ich blicke mich noch einmal um, dann lege ich wieder die Hand mit dem Code auf den Touchscreen und mit der anderen halte ich den Lautsprecher zu. Diese Taktik hat sich ja bewährt. Nach nur einigen Sekunden öffnet sich die Tür. Einen Moment lauschte ich, doch alles wirkte ruhig. Schnell trat ich ins Treppenhaus und zog die Tür hinter mir zu. Alles war still. Fast schon zu still. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Irgendetwas stimmt hier nicht.

CodeworldWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu