Kapitel #070

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"Hallo Kleine" grinste er mich noch immer an. "Was zum Teufel machst du hier?!" fragte ich total überfordert. Er wäre der absolut Letzte gewesen, mit dem ich hier gerechnet hätte. Er zuckte mit den Schultern "Nachdem du den Präsidenten gekillt hast, wusste keiner so recht wo hin. Als CodeSystems die Führung übernommen hatte, wurde es auch nicht besser. Ich wusste, dass irgendwas am der Sache faul ist. Dann hat Nick sich bei mir gemeldet, mir die Lage erklärt und gefragt, ob ich nicht helfen möchte. Und da dachte ich mir, da es mit der Regierung sowieso bergab geht und man sich wohl für Rebellen oder CodeSystems entscheiden muss, warum sollte ich zu CodeSystems gehen? Gab für mich keinen Grund, deswegen dachte ich, helf ich doch Lucy". "Wow danke..." nuschelte ich "du hast mir gerade wahrscheinlich das Leben gerettet". "Immer wieder gerne" sagte er und sah über meinen Kopf hinweg James an. Ich wagte es jedoch noch nicht, mich zu ihm umzudrehen "Was ist mit Jasper?". "Der hat sich auch für die Rebellen entschieden und müsste hier irgendwo rum laufen" beantwortete Flynt lässig. Unterbewusst spannte ich mich an. Er bemerkte das natürlich sofort und legte mir einen Arm um die Schultern "Alles gut, Lu. Er tut dir nichts. Wir sollten uns jetzt erstmal um Alex kümmern, es sind nur noch knapp zehn Minuten...". Ich nickte, er hatte natürlich recht. Obwohl sich alles in mir sträubte, drehte ich mich langsam um. Dort lag er auf dem Boden. Um seinen Kopf hatte sich inzwischen eine kleine Blutlache gebildet. Ich wusste nicht recht, ob ich traurig oder glücklich sein soll. Wahrscheinlich zweiteres. Aber irgendwie konnte ich mich nicht richtig freuen, nichtmal wirklich erleichtert war ich. Vorsichtig trat ich auf ihn zu, ging vor ihm in die Hocke und drückte seine Augenlider zu, damit ich nicht diesen schrecklich starren, toten Blick sehen musste. Und ein bisschen auch aus Respekt. Mit dem Tod hört jede Feindschaft auf. "Schlaf gut, Bruder" flüsterte ich noch. Dann richtete ich mich wieder auf, machte einen großen Schritt über die Leiche und blieb vor Alex' Zelltür stehen. Jetzt war ich wieder ein bisschen aufgeregt. Trotzdem verlor ich keine Zeit sondern drückte meinen Code auf den Touchscreen neben der Tür. Nach einigen Sekunden sagte die Ansage "Zugang gewährt" und die Tür öffnete sich. Ich hielt den Atem an... und erstarrte. Die Zelle war leer.

Einige Sekunden stand ich wie festgefroren da. Dann breitete sich Panik in mir aus "Wo zum Teufel ist er?!". Flynt legte mir einen Arm um die Schultern "Ganz ruhig, Lu. Das muss kein schlechtes Zeichen sein. Vielleicht hat er es geschafft zu fliehen und ist schon lange draußen...". Mein Blick war noch immer starr in die leere Zelle gerichtet, während ich flüsterte "Und was, wenn nicht?". "Hm?" fragte er nach und ich wiederholte lauter "Was, wenn er Selbstmord begangen hat, weil sie ihn so gequält haben? Oder wenn sie ihn gleich umgebracht haben, als sie bemerkt haben, dass die Rebellen angreifen?". Flynt seufzte "Ich tippe ja eher auf die Variante, dass er, als sich die Türen geöffnet haben, geflohen ist". Ich drehte mich um und sah ihn an "Was, wenn er den Weg nicht gefunden hat und hilflos im Gebäude herum irrt?". Der Polizist hielt mit seinen großen Händen meine beiden Schultern fest und sah mir eindringlich in die Augen "Du musst hier raus, Lu. Die Chance, dass du ihn in diesem riesigen Gebäude findest, wenn der denn überhaupt noch hier ist, ist gleich Null". "Ich kann nicht gehen, wenn ich nicht sicher weiß, dass er in Sicherheit ist" murmelte sie "Ich kann einfach nicht, aber...". Plötzlich hatte ich eine Idee. Denn ich würde auf keinen Fall zulassen, dass Flynt mit mir hier blieb. Ich werde sein Leben auf keinen Fall riskieren. Aber jetzt hatte ich die ultimative Idee, wie ich ihn loswerde. Außerdem wäre mir dann in vielerlei Hinsicht geholfen. "Aber?" fragte Flynt nach. Jetzt war ich es, die ihn eindringlich ansah "Du musst mir helfen. Meine Freundin, die mit mir auf dieser Mission war, wurde verletzt und liegt im Treppenhaus, das direkt zur der Empfangshalle führt. Ich musste sie zurück lassen. Kannst du... vielleicht zu ihr gehen und sie raus bringen?". Er runzelte die Stirn "Und du?". "Ich gehe hier nicht raus, bis ich mir sicher bin, dass Alex in Sicherheit ist" sagte ich fest. Ich weiß nicht, was er in meinen Augen sah, aber es schien ihn zu überzeugen, denn er nickte und ließ meine Schultern los. Ich lächelte ihn dankbar an. "Aber Lucy?" fragte er nochmals. "Ja?". "Wenn du Alex nicht findest... Versprich mir, dass du dich in Sicherheit bringst und von hier verschwindest. Ich möchte nicht Alex später vor dem Gebäude treffen und ihm erklären müssen, dass sein Mädchen auf der Suche nach ihm in diesem verdammten Gebäude gestorben ist". Ich nickte "Okay, versprochen". Noch einmal zog er mich in seine Arme "Pass auf dich auf". Ich erwiderte die Umarmung "Du auch. Bis später". "Bis dann" sagte er, löste sich aus meinen Armen und verschwand hinter der nächsten Ecke.

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