Kapitel #053

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Die nächsten zwei Tage war das Trainig auch nichts besonderes mehr. Wir machten eigentlich das, was wir immer machten. Aufwärmen, was Neues probieren, an den Sachen arbeiten, die ich am Vortag nicht konnte und zum Schluss ein bisschen Krafttraining. Am Ende des zweiten Tages klopfte Alex mir auf die Schulter und sagte "Sehr gut, Lucy. Du bist bereit". Doch ich wusste, dass das nicht stimmte. Ich war noch lange nicht bereit. Alex sagte das nur, um mir Mut zu machen und mich zu beruhigen. Und vielleicht versuchte er auch, sich mit den Worten selbst davon zu überzeugen, dass ich so weit war. Egal, wie diese Worte letzendlich gemeint waren, ich war ihm dankbar. Nicht unbedingt nur für diese Worte, irgendwie für alles. Deshalb umschlag ich ihn mit meinen Armen und vergrub mein Gesicht an seiner Brust "Danke". "Wofür?" fragte Alex nur und strich mir über den Rücken. "Für alles" nuschelte ich gegen sein T-Shirt "dafür, dass du mich so gut trainiert hast. Dass du alle meine Launen ausgehalten hast und mich bestmöglich auf übermorgen vorbereitet hast. Dafür, dass du mir immer zugehört hast und für mich da warst. Für alles einfach". Ich konnte sein lächeln fast körperlich spüren "Für dich immer, Kleines". Kichernd löste ich mich von ihm "Komm, packen wir unsere Sachen. Ich muss die Welt retten" er seufzte und folgte mir von der Lichtung "Du hast keine Ahnung, wie sehr es mir gegen den Strich geht, dich alleine da rein zu lassen. Zu diesen ganzen Mördern und Psychopathen...". "Ich bin ja nicht alleine, du kannst mich ja immer hören" sagte ich. Er murmelte "Toll. Dann kann ich dir ja beim sterben zuhören". Jetzt blieb ich stehen und hielt ihm am Arm fest "Ich werde da drinnen nicht sterben, okay? Ich schaff das, wenn du mir beistehst. Du hast mich so gut ausgebildet, ich kann das. Ich werde kämpfen". Er lächelte schwach "Das ist mein Mädchen". Dann, ehe ich reagieren konnte, beugte er sich zu mir runter und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich seufzte und erwiderte ihn und schlag meine Arme um seinen Nacken, während er mich an der Taille noch näher an sich zog. Doch als ich den Kuss vertiefen wollte, löste sich Alex von mir und sagte atemlos "Nicht jetzt, Lu. Wir müssen los". Etwas enttäuscht wich ich seinem Blick aus "Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt...". Alex griff vorsichtig nach meinem Kinn und hob es, sodass ich ihn ansehen musste. Sanft sah er mich an und sagte weich "Nicht so, Lucy. Nicht aus Augst oder Zeitdruck. Aus Liebe". Mit Tränen in den Augen sah ich ihn an "Aber es wäre doch aus Liebe...". Er zog mich in seine schützenden Arme und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel "Du weißt, was ich mein, Lucy". Ich seufzte und lehnte mich gegen ihn. Natürlich wusste ich das. Ergeben nickte ich. Er küsste mich kurz auf die Stirn, dann trat er zurück, griff aber sofort nach meiner Hand und zog mich mit sich "Komm, mein Schatz. Wir haben heute noch viel vor"

Den Rest des Tages waren wir mit packen und sonstigem Kleinkram beschäftigt. Außerdem fing ich an, die Baupläne auswendig zu lernen und versuchte mir in jeder freien Minute, den weg einzuprägen. Am nächsten Morgen machten wir uns, nachdem ich ausführlich vom Dennis und Sven Stevens (den Oberoffizier) verabschiedet worden war, auf den Weg. Erstmal aus diesem Wald raus. Dazu mussten wir den Einkerbungen in den Bäumen nur in die entgegengesetzte Richtung folgen, erklärte mir Alex. Doch ich verstand das System dahinter immer noch nicht ganz, deswegen folgte ich einfach Alex. So liefen wir eine ganze Weile schweigend. Alex ganz vorne, hinter ihm ich und den Schluss bildete Cat. Diese hatte noch kein einziges Wort mit mir gewechselt. Insgeheim war ich auch ganz froh, ich habe keine Ahnug, wie ich reagieren sollte. Ich konnte sie für die Sache mit Dennis immer noch nicht leiden, aber wenn sie nett zu mir wäre, wäre ich bereit, nett zu ihr zu sein. Immerhin hatte sie mich vor einer längeren Beziehung mit Dennis gerettet und darüber war ich inzwischen ganz froh. Ohne die Trennung von Dennis wäre ich Alex vielleicht nie näher gekommen. Und Alex ist definitiv das beste, was mir passieren konnte. Ich war so in Gedanken gewesen, das ich erst jetzt bemerkte, dass sich vor uns die Wiese ausbreitete, die bis an die weiße Stadtmauer reichte. Klein konnte man in der ferne den zerstörten Raum der Gefallenen entdecken. Die Sonne stand auch schon ziemlich hoch und nur leichte Wolken bedecken den Himmel. Heute waren wir morgens los gegangen, damit ich noch über vierundzwanzig Stunden in der alten Bärenhöhle hatte. Außerdem war der Weg bis dahin noch nicht sonderlich gefährlich. Morgen abend wird es dann spannend. Schon bei dem Gedanken daran begann mein Herz panisch zu klopfen. "Kommst du?" fragte Alex da und ich bemerkte erst jetzt, dass er und Cat schon losgelaufen waren, während ich noch wie erstarrt am Waldrand stand. "Jaja" sagte ich eilig und schloss zu den beiden auf. Dann stapften wir über die Wiese mit dem hüfthohen Gras. Ich erinnerte mich daran, als ich sie das erste mal überquert habe. Damals, in der Nacht. Die ganzen Geräusch hatten mich damals verängstigt und eingeschüchtert. Jetzt nahm ich sie kaum mehr wahr, im Gegenteil, sie waren einfach ein Teil dieser Landschaft. Es wäre seltsam, wenn sie nicht da wären. Auch kam mir die Wanderung über den breiten Wiesenstreifen beim ersten mal deutlich länger vor. Heute standen wir in Gefühlten Sekunden vor dem kaputten Raum der Gefallenen. Er sah genau so schrecklich und traurigen wie früher. Das kalte Glas huderter verlorenener Erinnerungen knirschte unter meinen Schuhen, als wir ihn betraten. Vor der Glastür zu alten Bärenhöhle zögerte Alex und drehte sich zu mir um "Bereit?". "Nein. Gehen wir" sagte ich und stieß die Tür auf.

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