-Kapitel 9-

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Ich kann nicht fassen, dass ich mich wirklich dazu hab überreden lassen auf diese Party zu gehen. So eine Veranstaltung fällt genau in die Kategorie meines Lebens, die ich ins hinterste Eck meines Hirns einspeichere.

Die letzten drei Jahre war ich so gut wie nie unter Leute gekommen, schon gar nicht mit den aus der Schule. Die mich alle versuchen mit ihren Blicken zu erdolchen. Meghan oder Conner schleppten mich in den letzten Monaten manchmal zu Konzerten, oder Festivals außerhalb der Stadt um mich abzulenken und es machte mir unheimlich viel Spaß, ja. Aber mein Unterbewusstsein ist sich todessicher, dass dieser Abend nicht einmal ansatzweise so gut werden wird.

Trotz allem stehe ich hier. Vor Jamie Andrews Haus.

Mein Herzschlag verdreifacht sich, als Conner mir die Beifahrertür seines Wagens öffnet, nach meiner Hand greift und mich rauszieht. Ich mache keine Anstalten mich zu bewegen, mein Blick ruht einzig und allein auf der prächtigen, hohen Mauer, die sich um das Grundstück der Andrews legt.

»Das ist so eine scheiß Idee, Leute«, murmle ich verzweifelt, fahre mir durch die Wellen und muss mich selbst ermahnen, mir nicht einen ganzen Haarbüschel auszureißen. Meghan öffnet den Kofferraum und entnimmt die zwei Wodkaflaschen, die wir vorhin noch besorgt haben.

»Scheiß Ideen sind immer die besten«, meint Conner schulterzuckend und legt mir seinen Arm um die Schulter.

Nachdem Conner mich vorhin in das Schwarze- Etwas gesteckt hat sind wir wenig später zu Meghan gefahren, die mich dann aufgehübscht hat. Meine dunkelblonden Haare fallen nun in leichten Wellen meinen nackten Rücken hinunter und das schlichte Make-Up lässt mich in den Neonlicht nicht allzu glänzen. Dabei vergessen wir nicht die schwarzen High-Heels die mir jetzt schon das Leben zur Hölle machen.

»Wenn es dir zu viel wird bringe ich dich nach Hause.« Meghan drückt Conner die beiden Flaschen in die Hand. »Oder besser.« Jetzt strahlt sie mich an, wodurch ich beinahe Angst bekomme. »Wenn du es nicht mehr aushalten kannst, nehmen wir Conners Auto und verfrachten uns auf den Parkplatz vom In-and-out-Burger.«

»Das klingt nach einer fantastischen Idee.«

»Ha! Das könnt ihr euch gleich wieder abschminken, Ladys.« Conner schüttelt entgeistert mit dem Kopf, entfernt seinen Arm von meiner Schulter und schließt das Auto ab. »Sei kein Spielverderber, Con.« Meine Stimme klingt viel ernster als gewollt.

Mein Gesicht huscht kurz zu Meghan, die mich zögernd mustert und ziemlich schnell erkenne ich den mitleidigen Blick, den ich viel zu oft von ihnen zusehen bekomme. Meine Freunde bleiben für einen Moment still, dann räuspert sich Conner und stellt sich direkt vor mich. Eindringlich versucht er meine Stimmung zu erforschen, wobei sich ein Kloß in meinem Hals bemerkbar macht.

Ich hasse es, dass sie mich ansehen, als würde ich jeden Moment zusammenbrechen können.

»Vielleicht war es doch keine gute Idee«, erklingt Meghans Stimme irgendwo hinter Conners Rücken. Da er so massiv gebaut ist, ist es mir unmöglich noch etwas anderes als ihn wahrzunehmen. Um stark zu wirken, verschränke ich meine Arme vor die Brust, merke dabei jedoch, dass meine Finger zittern. Es war mir davor nicht aufgefallen. Auch meine Beine scheinen immer mehr nachzugeben, doch ich schiebe die Schuld auf die hohen Schuhe. Ich bin es einfach nicht gewohnt mit Absätzen zu laufen, Punkt.

»Komm, Lu. Ich bringe dich zu mir nach Hause. Wir können einen Mädels Abend machen und massenweise Filme gucken.«

»Nein.« Ich unterbreche sie mit harter Stimme, die sogar mich überrascht. Mit wackligen Beinen mache ich einen Schritt zurück und mustere meine beiden Freunde mit ernster Miene.

»Ich habe meine Meinung geändert.« Ich schlucke und ringe mich zu einem schmalen Lächeln, welches sie mir hoffentlich abkaufen.

»Ich weiß, ich hatte meine Zweifel, aber ich möchte jetzt auf diese Party. Ich meine.« Ich hebe verzweifelt meine Arme in die Luft, starre in den dunklen Himmel und konzentriere mich für einen Moment bloß auf die vielen Punkte des Universums.

»Ich kann mich nicht noch länger verstecken. Das habe ich lang genug.« Meine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser und ich muss mir ein Schluchzen unterdrücken, der sich seinen Weg hochgebahnt hat.

»Ich hab es mir anders überlegt.« Conner greift nach meiner Hand, dreht sie um und legt seinen Autoschlüssel hinein. »Wenn du es mit den ganzen Idioten in dem Haus nicht mehr aushalten kannst, könnt ihr beide mit meinem Auto hinfahren, wohin ihr möchtet.« Ein echtes Lächeln breitet sich unwillkürlich auf meinem Gesicht aus und ich ziehe Conner in eine feste Umarmung. Über seine Schulter hinweg sehe ich zu Meghan, die mir vielsagend zuzwinkert und höchstwahrscheinlich an dasselbe denkt wie ich.

Eis mit Karamellsauce vom In-and-out-Burger.

»Danke, Con.«

»Das ist dann unser Fluchtwagen«, kommentiert Meghan quiekend und klatscht in die Hände. Lachend löse ich mich von Conner, der Meghan skeptisch ansieht. »Ladys, bitte.« Seine Stimme klingt gequält. »Bitte lasst mein Baby in einem Stück.«

Grinsend werfe ich Conners Autoschlüssel einmal in die Luft, fange ihn geradeso wieder auf und lasse ihn in meinem BH verschwinden. Anerkennend zieht er die Augenbrauen in die Höhe, seine Augen liegen auf meinem Ausschnitt. Dann schnalzt er mit der Zunge und läuft voraus.

»Ich bereue es jetzt schon«, ruft er uns über die Schulter aus zu und achtet nicht einmal darauf, ob wir beide ihm folgen oder nicht.

»Wie kannst du nichts von ihm wollen?« Meghan hakt sich bei mir unter, bevor wir Conner mit langsamen Schritten folgen. »Er ist doch super süß.«

»Ja, zu mir.« Ich muss schmunzeln. »Aber seine Bettgeschichten behandelt er ganz anders, Meg. Das zwischen uns ist wie unter Geschwister.« Ich suche nach den passenden Worten. »So wie...«

»Cole und du es waren«, beendet sie vorsichtig meinen Satz. Ein stich macht sich in meiner Brust bemerkbar, doch ich weigere mich diesem Gefühl nachzugeben. Nicht jetzt, wenn ich vermutlich nur wenige Meter von der besagten Person entfernt bin. Zu wissen, dass Cole und Drew höchstwahrscheinlich schon im Haus sind lässt etwas in mir aufflammen.

»Ja.« Dann lassen wir das Thema fallen.

Die Party ist schon im vollen Gange, als Meghan und ich durch das Gartentor spazieren und uns umsehen. Noch stehen wir neben dem Tor was bedeutet ich könnte jeden Moment einfach dadurch verschwinden und mit Conners Auto abhauen. Doch eine innere Stimme in mir fleht mich an dieses Mal keinen Rückzieher zu machen. Ich befinde mich nicht in den Schulfluren, im Unterricht oder in der Cafeteria, wo mich jeder anstarrt, als wäre ich eine Kriminelle. Nein, ich bin mit meinen zwei Freunden auf einer Veranstaltung, die mir zusteht, auf die ich eingeladen bin. Das hier nur die Leute aus der Schule sind muss ich ausblenden. Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen, atme tief ein und stelle mir vor, dass wir uns nicht in Sunnyvale befinden. Meghan, Conner und ich sind auf ein Festival außerhalb unserer verflucht, kleinen Stadt gefahren. In einen Ort, in dem mich keiner kennt. Wo mich niemand verurteilt und Behauptungen über mich aufstellt.

Ein Ort an dem ich frei bin.

Mit neuer Kraft öffne ich die Augen und nehme die Atmosphäre in mir auf. Ich kenne das Anwesen der Andrews bereits, früher schleifte mich Cole immer wieder mit hier her. Damals gehörte ich dazu und wurde noch nicht ausgegrenzt.

-Losing Game-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt