-Kapitel 82-

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»Bitte erzähl weiter«, schnieft sie. Sie versucht ruhig zu bleiben, aber sie kann mir nichts vormachen.

»Wir waren geschockt, wir konnten uns nicht bewegen. Wir wussten alle, was passiert war. Joshua war in wenigen Sekunden tot. Ich weiß, wir hätten sofort einen Krankenwagen rufen sollen, aber wir konnten nicht. Es war, als hätte uns jemand eingefroren. Ich konnte nicht einmal nach Luft schnappen. Irgendwann klingelte Coles Handy und nach einer gefühlten Ewigkeit schaffte er es ranzugehen. Es war dein Dad, Luna.« Sie zieht neben mir scharf die Luft ein. »Er rief an, da er gemerkt hatte, dass sein Auto nicht mehr in der Einfahrt steht. Das lag daran, weil Cole ihm den Schlüssel am Nachmittag geklaut hat, da er das Auto brauchte. Damit sind wir zur Party gefahren. Cole konnte nicht sprechen, bis er bloß folgende Worte über die Lippen brachte: »Ich habe einen Fehler gemacht«. Innerhalb von zehn Minuten war dein Dad vor Ort, wir versuchten ihm so gut es ging zu erklären, was genau passiert war. Dein Dad wusste erst nicht was er sagen soll, genau wie wir. Dann befahl er uns so schnell es geht zu verschwinden, er würde sich darum kümmern. Er rief den Krankenwagen an, während wir Jungs wie feige Idioten abhauten. Cole ließ den Autoschlüssel deines Dads fallen, er lag am Unfallort. Der Krankenwagen kam, als dein Dad gerade zu einem Nachbarhaus rennen wollte, um weitere Hilfe zu holen. Der Krankenwagen rief die Polizei, die kam, als dein Dad noch weg war. Kein Nachbar öffnete ihm die Tür. Es sah aus, als hätte er die Flucht ergriffen. Ich rannte zu euch, brach das Fenster auf und versuchte zu begreifen was geschehen war. Dann kamst du. Du hast mich geküsst, in der Nacht, in der ich dein Dad hinter Gittern brachte. Er wurde abgeführt, aber wir sollten nichts dagegen unternehmen. Er nahm die Schuld auf sich um unsere Zukunft sichern zu können, Luna. Dein Dad hat ihn nicht umgebracht, es war ein tragischer Unfall. Wir wollten die Wahrheit sagen, aber Isabell und dein Dad waren dagegen. Also zogen wir eine Weile nach San Francisco um darüber hinwegzukommen. Wir waren noch jung, wir hatten Angst. Wir wollten für unseren Fehler geradestehen, aber es war uns nicht bestimmt. In San Francisco mieteten uns die Eltern von Jamie ein Apartment. Sie dachten wir wären für ein Abenteuer hier, sie schickten uns dort auf die High-School und ließen uns in der Firma ihrer Familie arbeiten.«

Als ich zum Ende komme, atme ich erleichtert aus. Es fühlt sich überraschend befreiend an darüber zu sprechen. Eher gesagt bin ich nur erleichtert, dass ich Luna nichts mehr verheimlichen muss. Stille breitet sich aus, ich umfasse Lunas Hand fester. Sie zittert am ganzen Leib, am liebsten würde ich sie an mich ziehen und sie fest halten. Aber ich weiß nicht, ob sie das möchte. Sie hat gerade erfahren was tatsächlich passiert ist. Sie weiß nun, dass wir alle ihr was vorgespielt haben, und trotzdem scheint sie nicht aufgebracht zu sein.

»Ich muss das erst einmal verarbeiten.« Sie schluckt. Ich kann nicht mehr ruhig neben ihr sitzen bleiben, ich rücke an sie heran und schlinge meinen Arm um ihren Rücken. Sie entzieht sich meiner Berührung nicht, sie lehnt ihren Kopf an meine Halsbeuge und lässt zu, dass ich sie halte. Es vergehen Minuten, Minuten, in denen wir beide nichts sagen. Erst nach einer Weile setzt Luna sich geradewegs hin, ihr Blick ruht auf mir.

»Das bedeutet mein Dad hat euch alle geschützt und Cole hat den Kontakt zu mir abgebrochen, weil er sich schuldig gefühlt hat?« Ich räuspere mich. »Cole war die ersten Monate nach unseres Verschwindens immer noch neben der Spur. Er fühlt sich verantwortlich für das was er getan hat, er dachte er verdient dich nicht. Aber Luna, glaub mir. Er hätte dich gebraucht, allerdings war es seine Entscheidung gewesen deine Hilfe abzulehnen.«

»Ich muss zu ihm.« Plötzlich erhebt sie sich, wobei sie ihr Gleichgewicht verliert. Schnell stehe ich auf um sie zu halten, sie krallt ihre Finger in meinen Oberarm. Sie wirkt abgelenkt, nicht sie selbst.

»Er ist gerade ziemlich durch den Wind.«

»Ich muss zu ihm«, wiederholt sie mit Nachdruck. Ich nicke und lasse sie los. Sie geht an mir vorbei und hinterlässt dabei einen eiskalten Windzug. Es liegt mir so viel auf der Zunge was ich ihr noch alles sagen möchte, doch es klappt nicht. Als ich schon denke sie sei weg, erscheint sie erneut vor mir. Bevor ich sie fragen kann, weshalb sie noch nicht gegangen sei, liegen ihre Lippen schon auf meinen. Überrumpelt erwidere ich ihren Kuss sofort, schlinge meine Arme um ihren Körper und drücke sie fest an mich. So fest, als würde ich sie so vom Gehen aufhalten können. Luna stellt sich auf die Zehenspitzen, schlingt ihre Arme um meinen Körper und lässt ihre Hand in mein Haar gleiten. Unsere Münder bewegen sich hungrig aufeinander, ich vergesse mich vollkommen in ihr. Als meine Zunge in ihren Mund taucht, keuchen wir gleichzeitig nach Luft, meine Sinne scheinen zu explodieren. Langsam lösen wir uns voneinander, sehen uns tief in die Augen. Ich habe mich gewaltig geirrt. Ich dachte, genau wie Cole, dass Luna mich mit anderen Augen ansehen würde, wenn sie die Wahrheit kennt. Dem ist nicht so. Ihre Augen strahlen mich an, obwohl es Dunkel draußen ist, kommen sie mir so hell wie niemals zuvor vor. Ihr Duft klebt an mir, meine Hand liegt sicher an ihrem Rücken.

»Ich liebe dich.«

In mir schaltet sich für einen Moment alles aus. Ihre Worte scheinen für mich keinen Sinn zu ergeben, ich glaube zu träumen. Meine Atmung beschleunigt sich, mein Herz macht einen gewaltigen Hüpfer in meiner Brust. Ich ziehe Luna noch dichter an mich heran, sie hebt ihr Kinn an. Ein kleines Lächeln huscht über ihre Lippen.

»Was?« Mehr bringe ich nicht heraus. Sie beginnt zu kichern an, da sie merkt wie verwirrt und verloren ich wegen ihr bin. Ihre kalte Hand landet auf meiner Wange, sie streichelt mich als wäre ich ihr kostbarster Besitz.

»Ich weiß schon ziemlich lange, dass ich mich in dich verliebt habe und dass du es geschafft hast mir von der Nacht zu erzählen bestärkt meine Gefühle nur noch mehr. Ich habe dich schon damals gemocht, jetzt kenne ich den Unterschied zwischen mögen und lieben. Ich liebe dich Drew Hanson und nichts von dem was du mir eben erzählt hast wird etwas daran ändern können.« Ich habe bedenken gleich auseinanderzufallen, wie ein Spielzeug Roboter, der gegen die Wand geklatscht wurde. Meine ganzen Funktionen scheinen nicht zu funktionieren, dann sehe ich plötzlich alles ganz klar. Ich hebe Luna hoch, wirble sie einmal herum und dämpfe ihr Gekicher ab, indem ich sie küsse.

Ihre Lippen schmecken nach meiner Zukunft, ich sehe sie ganz klar. Ich habe immer nur sie gewollt, nichts anderes kam in Frage. Hektisch löse ich mich von ihr, damit ich ihr Gesicht mit beiden Händen umgreifen kann.

»Ich liebe dich auch.«

Endlich erscheint Licht am Ende des Tunnels. 

-Losing Game-Where stories live. Discover now