-Kapitel 25-

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»Keine Ahnung. Dein Name hat dich vermutlich verraten.« Luna entgeht ein leises Brummen, dann lässt sie das Thema bleiben. Während ich hoch in den dunklen Nachthimmel starre, versuche ich zu realisieren in welcher kuriosen Situation ich mich befinde. Vorhin war ich noch mit Luna in einem Schrank eingesperrt und als sie meine Identität herausgefunden hat, schlug sie auf mich und das Holz ein. Inzwischen stehen wir beide zusammen am Straßenrand und warten auf ein Taxi, damit es uns zu ihr nach Hause bringt. Mir brennen so viele Fragen auf der Zunge, doch sie kommen nicht über meine Lippen. Das Risiko Luna würde dicht machen und merken, dass sie normalerweise kein Wörtchen mit mir wechseln sollte, ist zu groß.

Langsam löse ich meinen Blick von dem Himmel und sehe unauffällig in Lunas Richtung. Sie hält weiterhin den Kopf in den Nacken gelegt und starrt in die endlosen Weiten, als würden sich dort alle Antworten ihres ganzen Lebens widerspiegeln. Sie sieht wunderschön aus, ihre Wangen scheinen immer noch ein wenig rot zu sein. Immer wieder stolpert sie einen kleinen Schritt zurück, kämpft gegen ihr nicht vorhandenes Gleichgewicht an und strafft die Schultern. Das sie wegen uns so viel erdulden musste zerreißt mir das Herz. Jetzt gerade mehr als in den letzten zwei Jahren, weil sie direkt neben mir steht. Als ich fort ging konnte ich mir nur ausmalen, wie es ihr ging, doch jetzt sehe ich wie sehr sie leidet. Allein die Tatsache, dass sie die heutige Nacht nicht ohne Alkohol überstehen konnte, zeigt wie schwer sie es hat. Sie musste sich betäuben um unter Leute zu gehen.

Meine Muskeln spannen sich an und mein Puls beschleunigt sich unkontrollierbar. Zügig packe ich meine Hände in die Hosentaschen, damit sie nicht sehen kann, wie sie sich schmerzlich zu Fäusten ballen. Als würde Luna überhaupt etwas davon mitbekommen. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt ihren Nacken zu überdehnen, damit sie mehr sehen kann.

»Drew?« Ich zucke kaum merklich zusammen. Sie meinen Namen sagen zu hören ist wie als würde man mir immer wieder mit einem Hammer gegen den Schädel schlagen, gleichzeitig klingt dieser simple Name aus ihrem Mund sich an wie das schönste Wort auf der Welt.

»Ja?« Meine Stimme ist unbewusst höher geworden. Vor Aufregung? Vor Angst? Keinen Schimmer. Luna lässt sich verdammt viel Zeit für ihre Antwort, dann langsam dreht sie ihren Kopf in meine Richtung und ich warte sehnsüchtig darauf, dass sie mich mit ihren großen Augen ansieht, aber sie tut es nicht. Stattdessen schaut sie an mir vorbei, öffnet ihren Mund um etwas zu sagen, doch es kommt nichts. Sie scheint sich unsicher zu sein und genau das macht mich unfassbar verrückt. Ich bin kurz davor sie an den Schultern zu packen um sie anzuflehen mir zu sagen, was ihr auf der Zunge brennt. Endlich scheint sie die passenden Worte gefunden zu haben, während ich vor Aufregung beinahe ausflippe.

»Ich glaube das Taxi kommt.«

Wow. So fühlt sich also pure Enttäuschung an. Jämmerlich wie ich nun mal bin, sacken meine Schultern in sich zusammen. Dann fahre ich mir gequält über mein Gesicht und schaue auf die Straße. Sie hat recht, das Taxi ist da, doch ich wünsche mir es würde einfach wieder wegfahren, damit ich die wahre Frage aus Luna rausbekommen kann. Sie kann mir nicht weismachen, dass sie mich gerade nur darauf aufmerksam machen wollte, dass unser Taxi erschienen ist.

»Dann bringen wir dich mal nach Hause«, murmle ich unverständlich und laufe auf das Auto zu, welches direkt vor uns auf der Straße angehalten hat. Wie ein Gentleman öffne ich Luna die hintere Tür und warte bis sie reingeschlüpft ist. Sie bedankt sich nicht bei mir, doch damit muss ich leben. Sie hat keinen Grund mir jemals für irgendetwas zu danken.

Frustriert schlage ich die Tür zu, laufe auf die andere Seite und pflanze mich zu ihr nach hinten. Kurz darauf verrate ich dem Taxifahrer die Adresse, woraufhin mir Lunas skeptischer Blick nicht entgeht. Abgelenkt drehe ich meinen Kopf langsam in ihre Richtung.

»Was?« Ich schnalle mich an. »Denkst du ich kenne die Adresse von meinem besten Freund nicht?« Luna starrt mich einfach nur an. Nicht überrascht, sondern eher als würde sie eben erst realisieren, dass wir beide zusammen in einem Auto sitzen um zu ihr nach Hause zu fahren.

Die ganze Fahrt über halte ich meinen Blick aus dem Fenster gerichtet und erwische mich oft dabei, dass ich mich zu ihr drehen möchte. Doch ich gebe dem Verlangen nicht nach, sondern fühle mich lieber wie auf einem eiskalten Entzug. Als würde man mir all meine Lieblingsgerichte auf einem Silber Tablett servieren, doch mir ist es verboten auch nur daran zu riechen.

Vor dem Haus der Gibsons angekommen reiche ich dem Fahrer von hinten das Geld mit einem ordentlichen Trinkgeld zu, dann erst schaue ich seit langem wieder zu Luna. Mein Puls ragt in die Höhe und beruhigt sich, als ich endlich ansehen kann was ich die ganze Zeit wollte. Lunas Augen liegen geschlossen, ihr Mund ist leicht geöffnet. Sie war auf der Fahrt eingeschlafen.

Schnell steige ich aus, umrunde das Auto und öffne ganz langsam ihre Tür. Ihr Körper kippt dabei ein wenig in meine Richtung, doch ich kann sie noch rechtzeitig auffangen. Sie zu berühren, ihre weiche Haut zu fühlen ist reine Folter. Behutsam hebe ich sie aus dem Taxi, nehme sie hoch und sehe ohne nach Sauerstoff zu schnappen dabei zu, wie sie sich ein wenig an meinen Oberkörper kuschelt, als befinde sie sich in ihrem Bett.

Mein Herz hämmert so stark gegen meine Rippen, sodass ich Bedenken habe sie konnte dadurch wach werden. Bevor ich die Tür mit meinem Fuß zuschlage, bitte ich den Fahrer einige Minuten auf mich zu warten, damit er mich nachher noch zurück fahren kann. Ich versprach ihm noch mehr Trinkgeld. Erst dann steuere ich mit Luna auf meinem Arm auf die Haustür zu.

Alle Lichter im Haus scheinen erloschen zu sein und auch hier auf der Veranda erscheint kein Licht. Während ich ungeschickt versuche den Schlüssel von Cole aus der Hosentasche zu fischen, balanciere ich Luna auf meinem Arm und hoffe inständig sie würde nicht wach werden. Wenn sie sehen würde, wie ich sie trage, würde sie aufspringen und mich hier draußen stehen lassen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit bekomme ich die Tür aufgeschlossen, dann trage ich sie langsam die dunklen Treppenstufen nach oben. Ich weiß nicht in welchem Zimmer sie schläft, doch ich gehe mal fest davon aus, dass sie das Gästezimmer einbezogen hat. Ich war früher so oft hier, ich kenne jeden Winkel auswendig.

In ihrem Zimmer angekommen, schließe ich mit meinem Fuß langsam die Tür, dann lasse ich sie auf ihrem Bett nieder. Ich kann es mir nicht verkneifen, sie zuzudecken. Luna kuschelt sich geschwind in ihr Kissen und das Licht des Mondes scheint ihr direkt aufs Gesicht, da sich ein Fenster direkt neben ihrem Bett befindet.

Schmunzelnd lasse ich mich langsam auf der Bettkante nieder, begutachte sie einige Minuten und ich stelle fest, dass ich dies die ganze Nacht tun könnte. Ich beobachte wie sich ihre Decke durch ihre Atmung hebt und wieder senkt, wie sie erschöpft durch den Mund ein und ausatmet und wie ihr immer wieder einzelne Strähnchen ins Gesicht fallen.

»Drew?« Ich zucke zusammen. Erst bin ich viel zu überfordert um auf ihr Gemurmel zu reagieren, doch sie hatte soeben wirklich meinen Namen gesagt. Im Schlaf. »Ja?« Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern.

»Warum hasst Cole mich?« Mein Puls ragt erneut in die Höhe, dann fängt sie sich an zu bewegen, doch ihre Augen sind geschlossen. Entweder sie ist gerade dabei aufzuwachen, oder sie redet im Schlaf.

»Er hasst dich bestimmt nicht.« Ich schlucke. Es macht mich wütend zu sehen, wie Cole gegen die Freundschaft mit Luna ankämpft und wie er ihr die kalte Schulter zeigt, aber er weiß das. Er weiß es ist falsch und er tut Luna weh, genau wie er sich selbst damit schadet. Denn die beiden hatten eine unbeschreibliche Verbindung die ich immer zu bewundert habe.

»Doch«, murmelt sie und dreht sich auf den Rücken. »Und ich weiß, dass du den Grund kennst«, flüstert sie klar und deutlich. Mir wird eiskalt, meine Muskeln spannen sich an. Ich muss das Thema wechseln, oder noch viel besser: Einfach gehen.

»Da irrst du dich.« Ich schaue mich verzweifelt in ihrem dunklen Zimmer um. »Dein Fenster ist direkt an deinem Bett. Das findest du bestimmt cool.« Ich komme mir so dumm vor, doch dann erkenne ich durch den Mondschein ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. »Ja«, nuschelt sie. »Was ich mir noch wünsche ist ein Sternenhimmel an meiner Decke. Dann könnte ich sie auch am Tag sehen.«

Auch auf meinen Lippen bildet sich ein kleines Lächeln. Es kostet mich eine große Überwindung zu gehen, doch es muss sein. Conners Schlüssel platziere ich auf ihrem Nachttisch. Langsam beuge ich mich vor, gebe ihr einen kurzen Kuss auf die Wange und verschwinde aus ihrem Leben so schnell wie ich wieder aufgekreuzt bin. 

-Losing Game-Where stories live. Discover now