-Kapitel 48-

605 39 0
                                    

Luna

Als mein Wecker zu klingeln beginnt, seufze ich auf und rolle mich über die gesamte Matratze, bis zum Nachttisch um mein Handy auf stumm zu schalten.

Drew und ich haben uns gestern darauf geeinigt, dass er nicht in der Badewanne schlafen muss, dafür aber auf dem Sofa. Heute Nacht bin ich an der Reihe und er darf die Vorzüge des großen Bettes auskosten. Ich habe geschlafen wie ein Engel, die Matratze fühlt sich an als bestehe sie aus hauchzarten Federn. Da fällt mir ein, dass ich Drew noch fragen muss, wie viel er für die zwei Nächte bezahlen musste. Bei einem solchen Zimmer und einem weiblichen Personal, welche die Gäste vermutlich am liebsten verspeisen möchten, muss der Preis ziemlich hoch liegen.

Beinahe nicke ich noch einmal ein, dann erinnere ich mich was heute auf dem Plan steht. Um punkt zehn Uhr beginnt die Führung über den Campus, bis dahin muss ich duschen, mich fertig machen und Frühstücken.

Mit einem aufgeregten Adrenalin Schub schlage ich die Decke von meinen Beinen und setze mich aufrecht hin. Meine Augen schweifen direkt zu dem Sofa ab, doch zu meiner Verwunderung finde ich Drew nicht darauf vor. Die Tagesdecke ist ordentlich zusammengefaltet, genau wie die Klamotten, die er gestern trug.

Wir sprachen nicht mehr viel gestern, als wir das Hotel betreten haben erschlug mich die Müdigkeit. Ich zog mir nur noch meinen Schlafanzug an, dann fiel ich auf das Bett und schlief direkt ein.

»Drew?« Ich springe von der Bettkante und gehe auf die Badezimmertür zu. Es ist kein Wasserstrahl zu hören, das Zimmer ist völlig reglungslos. Fast schon gruselig.

»Bist du im Badezimmer?« Unschlüssig klopfe ich gegen das Milchglas und lege meine Hand an den Türgriff. Es sind keine Geräusche zu entnehmen, nichts. Mit einem stoß drücke ich die Tür auf und finde ein leeres Bad vor.

Panik macht sich augenblicklich in mir breit. Schnell schaue ich mich nach seinen Sachen um. Als ich seine Sporttasche in der Garderobe erkenne fällt mir ein Stein vom Herzen, trotzdem fühlt sich das alles gar nicht gut an.

Das letzte Mal als ich ihn geküsst habe tauchte er am nächsten Tag für zwei Jahre unter, ich weiß immer noch nicht, wo er in der Zeit steckte und was ihn so schnell aus der Stadt getrieben hat.

Panisch fasse ich mit meinen Daumen an meine Unterlippe, erinnere mich an den Kuss zurück, der mich beinahe durchdrehen ließ und laufe wild im Zimmer auf und ab.

»Nein, nein, nein«, sage ich zu mir selbst. Das Sichtfeld vor mir verengt sich, als hätte ich einen Sitzen. Ich kann nicht glauben, dass ich schon wieder darauf reingefallen bin. Aber mal ehrlich, was habe ich denn erwartet? Das Drew mein Märchenprinz ist und mich auf seinem weißen Ross abholt? Das er mir die Sterne vom Himmel holt? Eine Lachnummer. Das bin ich. Eine völlige Lachnummer.

Drew empfand früher nichts für mich und das wird sich jetzt nicht geändert haben. Nur kann ich es nicht fassen, dass er mich sitzengelassen hat, nachdem ich ihm gestern so viel von mir gegeben habe. Ich habe ihm Sachen erzählt, die ich sonst keinem erzählt hätte. Ich habe ihm offen meine Wunden gezeigt und das ist der Dank.

Noch eine Person die mich einfach so verlässt.

Das Klopfen an der Tür lässt mich aufhorchen. In schnellen Schritten, fast schon im Rennmodus, gehe ich auf die Tür zu und ziehe sie in einem hohen Schwung auf.

Drew steht mit einem Servierwagen vor der Tür und lächelt mich leicht beschämt an. Meine Schultern sacken in sich zusammen, genau wie die Zweifel und die Wut, die eben noch in mir brodelten.

»Sorry. Ich habe die Zimmerkarte vergessen.« Mein Mund steht offen, ich taxiere ihn mit meinen Blicken, nicht im Stande zu reagieren. Unbewusst legt sich meine Stirn in Falten, mit der einen Hand umklammere ich den Türgriff so fest, dass meine Knöchel weiß hervortreten.

»Hey, Luna.« Drew umkreist den Wagen, schiebt ihn etwas von mir weg und steht mir nun direkt gegenüber. »Was hast du?« Seine raue Hand legt sich wie von selbst an meine Wange, er wischt über meine Haut, erst dann merke ich die Nässe. Ich habe Tränen in den Augen?

»Ich dachte es wäre wie das letzte Mal«, schniefe ich schließlich und wische mir mit dem Ärmel über das Gesicht, dabei achte ich darauf, seine Hand nicht zu berühren.

Drew sieht mich besorgt und gleichzeitig unschlüssig an, als würde ich eine ganz andere Sprache sprechen. Ich sehe zu Boden und schlucke.

»Das letzte Mal als wir uns geküsst haben bist du für zwei Jahre verschwunden. Als ich aufgewacht bin und dich nirgends entdecken konnte bin ich von dem Schlimmsten ausgegangen.«

»Luna ich verlasse dich nicht«, fällt er mir lächelnd ins Wort, dann tritt er einen Schritt beiseite und erweist mir so freie Sicht auf den Servierwagen. »Solange du geschlafen hast, habe ich mich um das Frühstück gekümmert. Pancakes mit Erdnussbutter. Ich hoffe doch sehr, dass du das gestern Nacht nicht nur aus Spaß gesagt hast.«

Auf dem Wagen stehen Kaffee, Orangensaft, die besagten Pancakes und frische Brötchen mit aufstrich. Mein herz macht einen gewaltigen Hüpfer, immer wieder sehe ich von Drew zu dem Essen, dann wieder zu Drew.

»Ist das dein Ernst? Gestern klang es nicht so, als würdest du dich wirklich darum kümmern.«

»Morgen bist aber definitiv du an der Reihe. Ich musste durch den ganzen Block laufen um deinen Wünschen gerecht zu werden. Die Erdnussbutter soll wirklich gut sein. Der Mann in der Bäckerei verkauft sie normalerweise nicht, aber er konnte eine Ausnahme machen, nachdem ich ihm erzählt habe, wie verzweifelt ich bin...«

Er kommt nicht dazu weiter zu reden, denn ich bin schneller. Ich ziehe Drew am T-Shirt zu mir heran und presse meine Lippen fest auf seine. Er scheint überrumpelt zu sein, da seine Arme erst ohne Plan in der Luft hängen, erst einen Moment später, krallt er sie in meine Taille und zieht mich enger an sich heran.

Seine Lippen fühlen sich weich wie Butter auf meinen an, dieser zarte Kuss hat keine Ähnlichkeit mit dem gestern. Unsere Münder verschmelzen in einer Harmonie, voller Zärtlichkeit und ruhe. Dieser Kuss fühlt sich wie ein kleines Dankeschön für das tolle Frühstück und allgemein die ganze Reise an.

Ich löse meine Lippen von seinen, schwanke einen Schritt zurück, doch kann es mir nicht verkneifen meine eine Hand in seinem T-Shirt vergraben zu halten. Seine Brust fühlt sich darunter extrem muskulös an, es kitzelt mich in den Fingern ihm das Stück Stoff vom Leib zu reißen.

»Wow. Das ist schon das dritte Mal, dass du mich küsst. Du scheinst wohl nicht genug zu bekommen.«

»Bilde dir bloß nichts darauf ein.« Ich zwinkere ihm vielsagend zu, lasse von seinem Shirt ab und taumle rückwärts ins Hotelzimmer rein. Meine Wangen glühen vor Hitze, doch das beruht auf Gegenseitigkeit. Rote Flecken schmücken Drews Wangen, als wäre er eben in der Saune gewesen.

Ich sehe zu wie er den Wagen mit dem köstlichen Essen ins Zimmer schiebt und ihn vor der Bettkante verriegelt, damit er uns nicht wegrollen kann. Lächelnd schließe ich die Tür, springe auf das Bett und warte, bis Drew sich zu mir gesellt.

Ich habe keinen Schimmer was mit mir los ist. Vielleicht liegt es an der Anhörung am Montag, oder meine Gefühle verleiten mich dazu waghalsige Dinge zu tun. In meinem Unterbewusstsein weiß ich, dass unsere Nähe ein Tageslimit hat. Gestern Nacht hat sich etwas zwischen uns verändert, doch schon morgen endet dies. Dieser Ausflug ist verantwortlich dafür. Wir leben an unseren eigenen Alltag vorbei, fühlen uns für diese drei Tage wie in einem anderen Leben.

Wenn wir Sunnyvale erreichen und jeder zurück in seine Ecke kriecht, wird das alles Vergangenheit sein. Und ob ich das ertrage weiß ich nicht. 

-Losing Game-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt