-Kapitel 43-

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Drew

Die heiße Dusche erfüllt leider nicht den erwünschten Effekt, sondern macht alles nur schlimmer. Denn hätte ich nicht die beschissene Idee gehabt um neunzehn Uhr duschen zu gehen, hätte ich Luna vielleicht davon abhalten können alleine loszuziehen.

Wir sind hier nicht in Sunnyvale, wo es so gut wie nichts Gefährliches gibt, sondern in San Francisco. Hier kann in jeder verfluchten Seitenstraße etwas passieren und wenn man sich kaum auskennt und nicht weiß welchen Weg man einschlagen soll, verläuft man sich schnell. Mal ganz abgesehen von dem Nachthimmel, der sich langsam, aber sicher zuzieht.

Ich steige in saubere Klamotten und verstaue die alten in meine Tasche. Das Zimmer fühlt sich allein viel zu groß an, immer wieder nehme ich das große Bett in Betracht. Mir war nicht entgangen, wie Luna nachgesehen hat, ob man die Matratzen auseinanderschieben kann.

Seit sie im Auto die letzten Jahre ansprach kippte die Stimmung zwischen uns beiden gewaltig. Sie traut sich nicht die wichtigen Fragen zu stellen und ich überwinde mich nicht dazu sie in alles einzuweihen. Weil es um verdammt viel mehr geht als nur um mich.

Ich habe diesen Ausflug nicht nur geplant, damit ich Cole zufriedenstellen kann, indem ich Luna Frage, was sie in jener Nacht gedacht hat. Irgendwie habe ich gehofft sie so etwas ablenken zu können, damit sie nicht permanent an Montag denken muss. Doch bis jetzt erweist sich der Ausflug eher als Selbstzerstörung.

Luna und ich sind viel zu sehr in unseren Gedanken und Zweifeln gefangen um richtig zu leben. Eine unsichtbare Wand erstreckt sich zwischen uns beiden und das verhindert unseren freien Geist. Die Lust, der Spaß die Tage gemeinsam zu verbringen. Es ist erloschen.

Aufgewühlt laufe ich auf den Balkon zu, schiebe die weißen Vorhänge, die aus purer Seide bestehen, beiseite und trete hinaus. Lauter Lärm der Autos ist zu hören, der typische Verkehr von San Francisco. Kühler Wind weht mir um die Ohren, während ich meine Ellenbogen gegen das Geländer des Balkons lehne. Der Himmel zieht sich zu, die letzten hellen Sonnenstrahlen verschwinden hinter dem Horizont, die Farbe, die sich dabei ergibt, wirkt wie ein bunter Glanz über San Francisco.

Luna würde der Anblick gefallen.

Seufzend beginne ich mit dem Fuß zu wippen um mich selbst zu zügeln. Ich habe zwei Jahre in dieser Stadt gelebt, trotzdem verspüre ich keine Sehnsucht nach diesem Ort. Unser Zimmer befindet sich im fünften Stock, dementsprechend habe ich eben eine weite Aussicht über die ganzen Gebäuden und die Wolkenkratzer. Sie faszinierten mich früher schon nicht, ebenso wenig jetzt gerade.

Vielleicht liegt meine Abneigung dieser Stadt gegenüber an meiner emotionalen Verbindung hierzu. Cole, Jamie und ich kamen ohne zu zögern hier an um uns zu verstecken. Wir verkrochen uns vor unseren Taten. Wir versteckten uns wie eine Schnecke in ihrem Haus. Das zeigte weder von Stärke noch von Unabhängigkeit. Ganz zu schweigen von dem Opfer, welches Mr Moore entgegenbrachte.

Zwanzig Minuten später rufe ich Cole an und erzähle ihm von Lunas Verschwinden. Er soll mir die Orte nennen, die sie hier damals kannte. Zwar lernten die beiden sich erst nach ihrem Umzug kennen, doch wenn Cole sie so gut kennt, wie er immer behauptet, kann er mir möglicherweise weiter helfen.

Cole nimmt meine Bitte direkt ernst und durchsucht das Internet nach möglichen Adressen, die er mir rüber sendet. Erst versucht er Luna selbst zu erreichen um sie zu fragen, wo sie steckt, doch es sprang direkt die Mailbox an. Ich bedanke mich und lege auf, um mir die zwei Orte anzusehen. Schnell öffne ich die Karte auf meinem Handy und gebe beide Adressen ein. Die eine scheint ganz in der Nähe zu sein, es sind nur fünfzehn Minuten zu Fuß.

Ohne weiter darüber nachzudenken, schnappe ich mir mein Handy, die Schlüsselkarte und einen dicken Pullover aus meiner Tasche. Ich verzichte auf den Aufzug und jogge viel lieber durch das kühle Treppenhaus nach unten. Beim Verlassen des Hotels winkt mir die gleiche Frau von vorhin hinter der Rezeption zu, doch ich ignoriere es geschickt.

Ich gelange auf die Hauptstraße, halte meinen Blick auf mein Handy gesenkt und folge der Navigation. Hier ist es viel kühler als bei uns in Sunnyvale, ein kalter Windzug verfolgt einen egal, wohin man läuft. Während ich mich dem Ziel nähere und mich an die Hoffnung klammere Luna dort zu finden, sehe ich zu wie sich alle Laternen nacheinander einschalten.

Der Fußweg erweist sich länger als gedacht, was wahrscheinlich an mir liegt. Zu sehen, wie sich komische Leute durch die Straßen schlendern versetzt mich nur noch mehr in Panik.

Mein Handy sagt mir, dass sich das Ziel auf der anderen Straßenseite befindet. Ich schalte es ab, betrete die Straße und warte bis ich endlich rüber kann. Weder habe ich die Zeit noch die Lust mich nach einer Fußgängerampel umzuschauen. Bei der nächstmöglichen Gelegenheit überquere ich zügig die Straße und laufe auf das Ziel zu.

Es wirkt wie ein Parkeingang, der umzingelt ist von hohen Gebüschen. Der Eingang befindet sich ganz in meiner Nähe, mit schnellen Schritten gehe ich darauf zu, dann tritt jemand aus dem Tor. Das alte Metall beginnt zu quietschen an und ich mache eine Vollbremsung.

Obwohl nur die Laternen mein Sichtfeld in Farbe tauchen, steht es nicht außer Frage, dass es sich bei dieser Person um Luna handelt. Sie ist mit dem Rücken zu mir gedreht, ihre Arme sind um ihren Bauch umschlungen, als würde sie sich so wärmen wollen. Sie hat mich noch nicht bemerkt, sondern läuft in langsamen Schritten von mir weg.

Ich setze mich wieder in Bewegung, hole sie nach kurzer Zeit ein und stelle mich ihr in den Weg. Erneut läuft sie gegen mich, wie bei unserem ersten Treffen nach der Jahrelangen Pause.

»Verfluchte Scheiße, Drew.« Sie macht einen Schritt zurück, ihr Blick richtet sich dem Boden. »Bald solltest du mir Schmerzensgeld zukommen lassen, so oft wie du mich erschreckst.« In ihrer Stimme liegt kein amüsierter Unterton, sie klingt eher gekränkt. Aufgewühlt und schwach.

»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. In dem Fall schuldest du mir eher das Geld.«

Ihre Arme um ihren Körper verkrampfen sich. Ich sehe, wie sie zittert.

»Hey«, sage ich langsam und lege meinen Daumen an ihr Kinn. Meine Haut pulsiert unter ihrer Berührung, trotzdem führe ich meine Mission fort. Behutsam hebe ich ihren Kopf an, bis ich ihr ins Gesicht schauen kann. Mir versetzt es einen kleinen Stich, als ich ihre durchnässten Wangen erkenne, ihr gerötetes Gesicht und die angeschwollenen Augen. Sie hat geweint.

»Was ist passiert?« Ich trete einen Schritt näher an sie heran und wische ihr mit dem Daumen zärtlich über die Wange. Sie sieht mir nicht in die Augen, sondern an mir vorbei. Ihre Lippen sind zu einer schmalen Linie gepresst, als könnte sie sich so verkneifen zu schluchzen.

Da sie nicht reden möchte muss ich handeln. Ich ziehe den warmen Pullover, den ich mitgenommen habe, hervor und lege ihn über Lunas Schultern.

»Wir können uns irgendwo hinsetzen. Vielleicht in den Park, wo du eben warst, und dann können wir in Ruhe reden.« Mir ist schlichtweg anzumerken, wie nervös mich diese Situation macht. Luna strafft die Schultern und macht einen Schritt zurück, um sich jeglichen Berührungen meinerseits zu entziehen.

»Das ist kein Park.« Ihr Stimme klingt schwach. Langsam drehe ich meinen Kopf Richtung Eingang und runzle die Stirn. Es steht nirgends ein Schild und ich kenne diesen Ort nicht. Ich hätte Cole Fragen sollen was das ist, oder wenigstens besser auf die Karte meines Handys achten sollen.

»Was ist es dann?« Ich sehe sie wieder an.

»Ein Friedhof«, bringt sie heiser hervor.  

-Losing Game-Where stories live. Discover now