-Kapitel 19-

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Als sie anfing mich in fünf Worten zu beschreiben, brannte auch meine letzte Sicherung durch und im Nu fand ich ihre Hüfte in der Dunkelheit und zog sie auf mich. Was das für ein Gefühl war, war nicht zu beschreiben. Gleichzeitig war ich im Himmel und in der Hölle. Es fühlte sich so gut an, dass es schon schmerzte. Sie erkannte mich, sah mich zum ersten Mal an und glaubt mir. Wäre ich nicht in so einer beschissenen Situation, wäre ich allein durch ihren Anblick gekommen.

In ihren grünen Augen lagen Welten. Welten, die ich erkunden möchte. Ich möchte alles über sie erfahren. Ich möchte erfahren, wieso sie nicht länger bei ihrer Pflegefamilie bleiben wollte, was sie zu den Gibsons verschlagen hat. Mein Beschützerinstinkt wuchs nach jeder verstrichenen Sekunde, weil sie die ist, die ich mit Leib und Haaren beschützen möchte.

Das ironische daran ist, dass ich erst der Grund dafür bin, dass man sie beschützen muss.

Anfangs glaubte ich, dass es an den Schuldgefühlen liegt. Das ich sie nur deswegen vor der ganzen Welt beschützen möchte. Doch als ich ihr in die Augen sah, verschwommen all meine Vermutungen. Ich möchte sie nicht wegen den Schuldgefühlen beschützen.

Ich möchte sie vor mir beschützen.

Das ich immer noch in diesem Schrank sitze wird mir erst bewusst, als mich ein weiblicher Arm berührt. In der Hoffnung es könnte Luna sein, reiße ich meinen Kopf geschwind in Richtung der Person und atme dann enttäuscht aus.

Reiß dich zusammen, Arsch. Du brauchst gar nicht zu hoffen, dass sie nach allem was geschehen ist zu dir zurückkommen wird, schreit mich eine innere Stimme an. Es ist Alison Jackson, die mich mit ihren dichten Wimpern ansieht als wäre ich ihr Traumwagen. Oder ihr Traum Dessous Geschäft.

»Deine Zeit mit der Tussi ist um, Süßer. Sie ist weg, also brauchst du keine Bedenken haben und kannst aus dem Schrank klettern.« Grummelnd schüttle ich ihren Arm ab, stemme mich hoch, doch bevor ich aus dem Schrank klettere, spüre ich unter meinem rechten Fuß etwas. Mit stockendem Atem bücke ich mich nach meinem Fund und halte einen Schlüssel in der Hand. Den muss Luna vergessen haben, nachdem sie mit dem Ding ein Loch in das Holz geschlagen hat, nur um vor mir fliehen zu können.

Ich umklammere den Schlüssel fest mit meinen Fingern, halte ihn bei mir, als wäre es der wichtigste Gegenstand in meinem Leben. Der Schlüssel ist mein einziges Andenken an das, was eben geschehen war. Nennt es Aberglaube, aber für mich steht das Ding gerade für die Hoffnung. Die Hoffnung das mit mir und Luna wieder kitten zu können.

»Was war das überhaupt für eine Scheiß Aktion?«, schnauze ich Alison an und klettere endlich aus dem elendigen Ding. Verzweifelt lasse ich meinen Blick durch den Rauchbedeckten Raum schweifen, natürlich vergeblich. Luna ist sicherlich schon auf den Weg nach Sibirien, nur um so weit wie möglich vor mir zu fliehen.

»Was meinst du, Drewy?« Sie so einen widerlichen Spitznamen sagen zu hören verursacht in mir den Drang mich zu übergeben. Mit der Nase rümpfend verstaue ich den Schlüssel von Luna in meiner Hosentasche, verschränke meine Arme vor der Brust und mache einen bedrohlichen Schritt auf Alison zu.

»Du weißt, wovon ich rede. Erst steckst du mich und Luna Moore in einen Schrank in dem Wissen ihr damit zu schaden.« Ich mache noch einen Schritt auf sie zu, die Wut kehrt in mir zurück, doch ich weiß damit umzugehen. Alison weicht meinen Blicken aus, zupft ihr pinkes Kleid zurecht und hüpft unsicher von einem Fuß aufs andere. »Sie wollte eben mitspielen.«

»Du hättest jeden anderen Typen auf dieser Party mit ihr einsperren können. Wieso also ausgerechnet ich?« Okay, zugegeben gefällt mir die Vorstellung Luna mit einem anderen in dem dunklen Schrank überhaupt nicht. Ich habe sogar das Bedürfnis mir den Mund mit Seife auswaschen zu müssen, um über meine besagten Worte wegzukommen. »Außerdem.« Meine Stimme wird härter. »Kann ich mir nicht vorstellen, dass Luna freiwillig bei diesem Ritual mitgemacht hat. Zum anderen wusste sie darüber Bescheid, dass wir beide zuvor in dem Schrank waren, und aus ihrem Mund hörte es sich so an, als hättest du eine Menge dazuerfunden. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran dich auch nur auf irgendeine Weise berührt zu haben.« Ich schnalze amüsiert mit der Zunge und muss mir ein Grinsen unterdrücken, als ich an das ganze Gebrabbel von Luna zurückdenke. Sie wollte ihren hübschen Mund gar nicht mehr schließen.

»Dann hat sie wohl etwas falsch verstanden.« Alison verkrampft sich, sucht sich hilfesuchend um. »Ich hoffe ich habe mich klar ausgedrückt, Alison.« Ich presse meinen Kiefer zusammen. »Wenn ich noch einmal mitbekomme, wie du Luna Moore oder irgendjemand anderen schikanierst, fange ich auch damit an eine Menge zu erfinden. Verstanden?«

»Du willst mich. Und das wissen wir beide.« Sie macht einen Schritt auf mich zu, fesselt mich mit ihren hellen Augen, doch das stellt rein gar nichts mit mir an. »Warum du den Drang hast, die kleine zu beschützen, obwohl jeder hier einen Hass auf sie entwickelt hat, ist mir echt ein Rätsel. Aber früher oder später werden wir beide im Bett landen. Vielleicht nicht heute Nacht, aber es wird geschehen.« Ich kann mir kein Lachen verkneifen und stemme dabei meine Faust an meinen Mund.

»Süß, dass du das denkst.« Ich schaue mich unberührt im Raum herum. »Ich habe mir schon eine Menge Frauen nackt vorgestellt.« Ich sehe wieder zu Alison, mache einen Schritt auf sie zu und hebe ihr Kinn unsanft an. Die Lust und der Sieg stehen ihr ins Gesicht geschrieben und es bereitet mir fast schon zu viel Freude ihre Illusionen zu zerstören.

»Aber dich noch nie.« Ich lasse umgehend von ihr ab, lächle sie süßlich an und marschiere siegessicher aus dem Raum. Jedenfalls habe ich diese Auseinandersetzung gewonnen, auch wenn das noch nicht im Entferntesten genug ist. So bin ich normalerweise nicht, sonst bin ich immer höfflich zu Frauen gewesen, aber bei Alison ist es etwas anderes.

Zu wissen, dass sie einen Groll gegen Luna entwickelt hat und sie absichtlich verletzen will, geht mir gegen den Strich, dagegen kann ich nichts unternehmen. Was ich nicht verstehe ist ihre Einstellung. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass Luna nicht einmal ansatzweise verletzt wäre, wenn zwischen Alison und mir etwas laufen würde. Sie hasst mich bis aufs Blut, wieso also verletzt sein wegen einer anderen? Das passt für mich nicht zusammen.

»Na schön«, meint sie dann. »Wenn du nicht hinhalten willst, muss ich mir wohl einen deiner Freunde angeln.«

Und so lässt sie mich endlich in Frieden und macht auf Absatz kehrt. Ich habe jetzt schon Mitleid mit meinen Kumpels. 

-Losing Game-Where stories live. Discover now