-Kapitel 21-

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Völlig leblos stolpere ich weiter durch einen Flur und versuche mich selbst zu ermahnen nicht komplett die Kontrolle über mein Handeln und meine Gefühle zu verlieren. Wenn ich gegen den schmerzlichen Druck in meiner Brust ankämpfe, kann ich mich selbst möglicherweise davon abhalten noch einmal einen völligen Tiefstand durchstehen zu müssen.

Meine Augen sind auf den Boden gerichtet, hin und wieder kommt mir jemand entgegen, der mich genervt darauf hinweist, dass ich gefälligst aufpassen soll, wohin ich laufe. Doch diese kleinen Bemerkungen machen mir nichts aus, sie dringen nicht einmal zu mir durch. Deren Worte sind in meinen Ohren wie kleine Warnhinweise, die ich gekonnt ignoriere. Ich bilde mir ein Drews Hand noch auf meinem Knie spüren zu können und das beunruhigt mich.

Endlich reiße ich meinen Kopf hoch und ringe mich dazu mich zu vergewissern, wo ich mich momentan überhaupt befinde. Keine Ahnung wo Conner ist, er blieb nicht wie versprochen in dem Raum, während ich mit meinem persönlichen Alptraum in einem dunklen Schrank eingesperrt war. Vielleicht war er doch da, nur habe ich ihn nirgends sehen können, da ich wie eine verrückte aus dem Zimmer gesprintet war.

Ich befinde mich fast am Ende eines breiten Flures. Auf beiden Seiten sind geschlossene Türen zu erkennen, die schon den Anschein erwecken, dass der Zutritt zu diesen Räumen für die Gäste untersagt ist. Was wiederrum bedeutet die Zimmer würden leer stehen. Keine gehässigsten Personen um mich herum, keine weiteren Bemerkungen und das aller wichtigste: Kein Drew.

Als ich unsicher jede einzelne Tür von außen begutachte, verschwimmt mein Sichtfeld erneut und ich stemme mich mit meiner Hand schnell gegen die Wand. Der Wodka war eine üble Idee gewesen und er half auch nicht dabei, alles zu verdrängen. Ich kann nur hoffen, dass er mir die Probleme wenigstens ein bisschen leichter gemacht hat.

Nach einigen Minuten habe ich mich wieder gesammelt und stoße mich in einer unsicheren Bewegung von der Wand ab, nur um auf die letzte Tür im Flur zuzusteuern. Wieso sind die Räume nicht beschildert? Ich hätte kein Problem damit gehabt mich für die nächsten Stunden im Badezimmer zu verschanzen.

An der Tür angekommen umfasse ich den Türgriff und stoße sie ohne anzuklopfen auf. Das Zimmer ist abgedunkelt, wodurch mir automatisch schwindelig wird. Unsicher, wo sich der Lichtschalter befinden könnte, taste ich mit meinen Händen danach ab und finde ihn schließlich. Das kleine Schlafzimmer erhellt sich und zwei Personen, die sich auf dem Bett befinden erregen meine Aufmerksamkeit.

»Fuck«, höre ich eine bekannte Stimme fluchen. Mein Puls rast in die Höhe, während ich versuche, die zwei Personen wiederzuerkennen. Meine linke Hand umfasst den Türgriff um halt zu gewinnen und als es bei mir Klick macht, atme ich erschrocken aus.

»Cole?« Fassungslos taumle ich ungewollt einen Schritt weiter in das Schlafzimmer hinein, wobei ich beinahe zu Boden stürze. Oh Gott, ich glaube ich muss mich übergeben. Das würde dann jedoch nicht nur am Alkohol liegen, sondern auch an der Tatsache, dass ich meinen früheren besten Freund mit Alison in einem Bett aufgefunden habe! Wie kann sie überhaupt hier sein? Als ich aus dem Schrank geflüchtet bin, befand sie sich in dem Raum. Ich muss ja ganz schön lang blind im oberen Geschoss rumgelaufen sein. Während ich mich meinen Ängsten stellen musste, hat sie sich an die einzige Person rangemacht, die mir früher die Welt bedeutet hat.

Ein gewaltiger Stich macht sich in meiner Brust bemerkbar, als ich die Situation weiter unter die Lupe nehme. Cole sitzt am Fuß des Bettes, Alison direkt auf seinem Schoß. Genau, wie Drew mich rittlings auf sich gezogen hat... (Okay, vergessen wir hier, dass sich so eben eine wohlfühlende Gänsehaut auf meine Haut gelegt hat).

Coles Haare sind ganz zerzaust, als hätte Alison ihre Hände Stundenlang durch sie gefasst. Ich bilde mir sogar ein Lippenstiftreste an Coles Wangen zu erkennen.

»Luna! Ist das dein Ernst?« Alison dreht sich zu mir herum, ohne von Cole abzusteigen. Dabei dreht sie ihren Hals beinahe um hundertachtziggrad. Kurz fliegt mein Blick auf Cole, der wie versteinert da sitzt und nicht einmal in meine Nähe schaut. Viel lieber lässt er seine Augen an die Decke schweifen.

»Könntest du dich einfach wieder verziehen? Der Schrank, den du kaputt gemacht hast, ist bestimmt wieder frei.«

»Schrank?«, fragt Cole irritiert. Kurz huscht sein Blick zu mir, doch als ich ihn ansehe, wendet er sich an Alison. Wieso bringt er es nicht über sich mich anzusehen?

»Luna war im Schrank? Sie hat bei dem Spiel mitgespielt?« Verwirrt ziehe ich die Augenbrauen nach oben, stemme meine Arme vor die Brust und bezwecke so, dass Gleichgewicht zu verlieren. Ich stolpere einen Schritt nach vorne und im Nu hat Cole Alison von seinem Schoß geschubst, um mir zu helfen. Doch, bevor er bei mir ankommen kann, richte ich mich selbst aufrecht hin.

»Ich bin zwar betrunken, aber taub bin ich nicht. Ich bin auch im Raum, Cole.« Ich betone seinen Namen mit viel zu viel Nachdruck. »Du brauchst also nicht so zu tun, als wäre ich überhaupt nicht anwesend, verstanden?«

Cole steht einige Schritte von mir entfernt und steckt seine Hände in die Hosentaschen. Hinter ihm sehe ich wie Alison auf ihn zugeht und ihre Arme von hinten um ihn schlingt.

»Du warst im Schrank?« Coles brüchige Stimme geht mir bis tief unter die Haut und ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Unsere Blicke treffen sich und auf einmal erhasche ich eine Millionen Emotionen, die aus seinen Augen nur so sprießen. Das Alison hier ist und ihn berührt, scheint ihn nicht die Bohne zu interessieren, aber die Frage, ob ich wirklich in dem Schrank war, schon. Vielleicht ist mein Freund noch irgendwo in ihm.

»Ja.« Meine Stimme bricht. Coles ganzer Körper spannt sich augenblicklich an, sein Blick wandert zu der Wand hinter mir. Jegliche Farbe verschwindet aus seinem Gesicht und mir wird bewusst, dass sich nun der neue Cole vor mir befindet.

»Und? Hat es dir Spaß gemacht mit Drew? Du konntest deine Finger bestimmt nicht von ihm lassen.« Wie vom Blitz erschlagen drückt Cole die Arme von Alison von seinem Körper weg und macht einen Schritt zur Seite. »Du wurdest mit Drew eingeschlossen? Verdammte, Scheiße!« Coles laute Stimme lässt mich zusammenzucken und aus dem Augenwinkel sehe ich, dass es Alison nicht anders geht. Verzweifelt und voller Wut rauft er sich die Haare, läuft ungebändigt auf und ab und seine Wangen färben sich feuerrot. So wurden sie immer, wenn er mächtig wütend auf etwas ist. Oder auf irgendwen.

»Luna! Wie konntest du so dumm sein und bei diesem abartigen Spiel mitmachen! Wie oft habe ich dir früher gesagt, dass du unter keinen Umständen auch nur den Raum betreten sollst? Gott, wie naiv!« Jetzt scheinen auch meine Sicherungen durchzudrehen und ich schwanke auf ihn zu und komme mit viel Selbstbeherrschung noch gerade vor ihm zum Stehen. Meine Hände formen sich zu kleinen Fäusten die liebend gern auf den gigantischen Brustkorb von Cole rumtrommeln würden.

»Naiv? Du nennst mich naiv und dumm? Das einzig dumme was ich jemals gemacht habe ist zu glauben, dass du und ich Freunde sind!« Mein Herz hämmert so stark gegen meinen Brustkorb, dass ich Angst habe es könnte mir gleich aus der Brust springen. Coles Kopf gleitet nach unten, sodass wir uns in die Augen schauen können. Ich erkenne die Person von früher nicht mehr.

»Das war naiv von mir«, flüstere ich nun beinahe und vernehme ein starkes Brennen in meinen Augen. Bevor ich ausgerechnet vor ihm anfange zu weinen, wirble ich einmal herum und flüchte aus dem Raum.

Im Flur angekommen wische ich mir mit dem Handrücken die ersten Tränen von der Wange, doch bevor ich bei der Treppe ankommen kann, versperrt mir jemand den Weg. Cole war mir gefolgt und hindert mich nun daran meine wahren Freunde zu finden, damit sie mich hier aus diesem Höllenloch rausholen können.

»Wie viel hast du getrunken?« Ohne auf seine Frage einzugehen, versuche ich mich an ihm vorbeizuquetschen, doch er baut sich erneut vor mir auf und legt seine Hände an meine Schulter. Ich weigere mich ihm ins Gesicht zu schauen. Als ich nicht antworte lässt er einen lauten Seufzer entgleiten.

»Und wie kommst du nach Hause?«

»Was interessiert dich das? Schließlich hat es dich die letzten zwei Jahre auch nicht bekümmert, wie es mir geht! Also mach das was du am besten kannst Cole und lass mich in Frieden! Du bist nicht mein Babysitter und auch nicht mein Freund.« Ich reiße mich los und stürme die Treppenstufen nach unten.

-Losing Game-Where stories live. Discover now