-Kapitel 10-

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In der Mitte des Gartens befindet sich ein länglicher Pool, der bereits gut gefüllt ist. Am Rand des Wassers sitzen einige herum, lassen ihre Füße im Pool rumplantschen. Einige schwimmen auch, jedoch mit normalen Klamotten oder mit Unterwäsche. Schnell richte ich meinen Blick lieber zu den Leuten, die mit roten Plastikbechern auf den Liegen sitzen und sich unterhalten. Alles wirkt so friedlich, wenn man es von außen betrachtet, doch der Schein trügt. Es ist als würde man in einem fremden Haus ein Familienbild an der Wand betrachten. Alle Familienmitglieder können so lange in die Kamera lächeln, bis sie erblinden. Doch obwohl das Bild einen glücklichen, friedlichen Eindruck hinterlässt, muss dies noch lange nicht der Wahrheit entsprechen.

Jeder Mensch auf dieser Welt trägt in gewissen Momenten eine Maske um sein wahres Ich verbergen zu können. Nur wenige trauen sich das zu tun und so zu leben, wie sie es möchten. Man muss hinter die Fassade schauen um zu erkennen, wer wirklich vor einem steht.

Die hohen Büsche am Rande des Gartens sind mit vielen Lichterketten geschmückt, die ein wohliges Licht verursachen und mich sofort an die Milliarden Sterne am Himmel erinnern. Ganz hinten ist ein Schuppen zu sehen, um den sich viele Typen versammelt haben. Allein bei dem Anblick kräusle ich die Nase, da ich ganz genau weiß, was dort vor sich geht.

In dem Schuppen finden die eher schmutzigen Dinge statt. Wer sich einen Joint drehen will, oder sich nach anderen, härteren Stoffen sehnt, findet genau dort was er sucht.

Ich war noch nie auch nur in der Nähe dieses Schuppens. Nicht das es mir überhaupt möglich gewesen war, denn damals hätte mich Cole auf der Stelle nach Hause verfrachtet, wenn ich nur laut darüber nachdenken würde.

Neben der breiten Glastür, die ins Haus führt, steht eine riesige Theke. Auf der langgezogenen Marmorplatte stehen diverse Getränke, Snacks und wie es aussieht auch Pizza zur Verfügung. Obwohl wir noch so weit davon entfernt stehen läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

»Ich habe Lust auf einen Drink«, sage ich aus dem nichts.

»Auf diese Worte habe ich mein Leben lang gewartet.« Grinsend schiebt Meghan mich in Richtung der Theke. Während wir über das gemähte Gras laufen, kann ich nicht anders, als mich skeptisch umzusehen. Obwohl ich mir eingeredet habe keine Bedenken haben zu müssen, muss ich mich vergewissern, dass mich niemand noch abstoßender ansieht als in der Schule.

Fehlanzeige. Einige schauen in meine Richtung, doch das wars dann auch. Entweder haben sie schon einen sitzen, oder sie kommen langsam über die Sache hinweg. Immerhin sind es beinahe zwei Jahre und mein Dad, inklusive mir sind unschuldig!

»Auf was genau hast du Lust?« Ich erwache aus meiner Starre und lasse die ganzen Getränke auf mich wirken. Unzählige Alkoholenthaltene Gefäße befinden sich in meinem Sichtfeld, wobei mein Magen flau wird. Ich habe lange nicht mehr getrunken und dieser Abend erscheint mir als eine einmalige Gelegenheit. Immerhin bin ich hier, also habe ich mir einen Preis verdient, oder? Und der Preis enthält die Möglichkeit für einige Stunden vergessen zu können was in meinem Leben alles schief läuft.

»Misch einfach einen Drink zusammen und du kannst ruhig übertreiben.« Meghans Blick schnellt zu mir, ihre Augenbrauen heben sich misstrauisch. »Und mach schön voll.« Sie quiekt auf, klatscht erneut in die Hände und schnappt sich zwei leere Plastikbecher.

»So habe ich dich lange nicht mehr erlebt, aber diese Version von dir gefällt mir sehr gut.«

»Ich kann es nicht fassen, dass ihr ohne mich Trinken wollt!« Aus dem nichts taucht Conner bei uns auf, in seiner Hand befindet sich bereits ein voller Becher.

»Ach, ja?« Stirnrunzelnd beäuge ich seinen Drink. »Du konntest anscheinend auch nicht auf uns warten.« Mit gespielter böser Miene verschränke ich die Arme vor die Brust. Conner scheint nicht zu begreifen was ich von ihm möchte, dann gleitet sein Gesicht runter zu seinen Händen.

»Ach so, du meinst den Becher.« Verwirrt mustert er sein eigenes Getränk, dann schüttet er die Flüssigkeit einfach auf das Gras. »Ich habe echt keinen Schimmer wie der in meinen Händen gelandet ist.« Kichernd boxe ich ihm gegen die Schulter, dann hält Meghan mir grinsend einen vollen Becher vor die Nase. Instinktiv weiche ich aus, bevor ich den Drink annehme und daran schnuppere. Der intensive Geruch von Wodka verätzt meine Nase, doch nur eine Sekunde später kippe ich den kompletten Inhalt in meinen Mund.

»Wow, Lulu.« Angewidert versuche ich auf den ekligen Geschmack klarzukommen, dann boxe ich Conner erneut gegen die Schulter. »Du weißt, wie sehr ich diesen Spitznamen verachte.«

»Das weiß ich.« Sein Grinsen ist so breit, sodass man seine Grübchen unschwer erkennen kann. »Du hast den Drink schneller geleert, als ich«, stellt Meghan fassungslos fest. »Das lasse ich nicht auf mir sitzen.«

»Dann misch mir noch einen. Wenn du um die Wette trinken willst, können wir das gerne machen.« Keine Ahnung was mit mir los ist und woher die gute Laune auf einmal herkommt.

»Ladys, Ladys.« Conner sieht abwechselnd von mir zu Meghan, dann wieder zu mir. »Wenn ihr einen sitzen habt, fahrt ihr nicht mit meinem Baby weg. Habt ihr mich verstanden?«

»Du musst ein bisschen lockerer werden, Con-Con.« Ich beuge mich grinsend nach vorne und kralle mich an Conners Arm. Auch wenn ich ihm nicht ins Gesicht sehen kann, spüre ich seinen verwirrten Gesichtsausdruck. »Wer bist du und was hast du mit Luna gemacht?«

»Conner, ich warne dich.« Meghan tippt ihm mit ihrem Becher gegen die Brust. »Wenn du jetzt ihre Laune ruinierst, fahre ich dein Auto gegen die nächste Wand.« Kichernd hebe ich meine Hand in Meghans Richtung, sodass sie einschlagen kann. »Ich helfe dir!«, verkünde ich erfreut.

»Okay, okay!« Conner wirft ergebend die Hände in die Höhe, nimmt mir meinen Becher ab und schenkt mir nach. Allerdings bin ich mir fast komplett sicher, dass er nicht so viel Wodka reinfüllen wird, wie Meghan es getan hat.

»Ich lasse euch beide allein, bevor ihr noch einen Plan schmiedet, wie ihr mich und mein Auto um die Ecke bringen könnt.«

»Das klingt einleuchtend«, meint Meghan schulterzuckend und nippt noch an ihrem ersten Drink. »Wenn ihr mich sucht, ich bin im Schuppen.« Conner drückt mir den vollgefüllten Drink in die Hand, beugt sich zu mir runter und gibt mir einen langen Kuss auf die Wange.

»Pass auf dich auf, Lulu.« Mit diesen Worten macht er kehrt und überquert das Gras in Richtung des Schuppens. »Brich nicht zu viele Herzen, Con-Con!«, rufe ich hinterher und versuche die Blicke, die nun in meine Richtung gleiten, zu ignorieren.

»Gehen wir gleich tanzen?«, fragt Meghan, nachdem sie endlich ihren ersten Becher geleert hat. Während sie sich einen zweiten mischt, sehe ich unauffällig durch das Glas ins Innere des Hauses. Einige Leute tanzen im Wohnzimmer, auf einer provisorischen Tanzfläche. Das Licht dort drinnen ist gedämmt, sogar eine altmodische Discokugel hängt unter dem gigantischen Kronleuchter im Wohnzimmer. Wie von selbst suche ich den Raum nach bekannten Gesichtern ab, dass ich dabei meinen Atem vollkommen angehalten habe, fällt mir erst auf, als ich augenblicklich nach Luft ringen muss.

Weder Cole noch Drew sind dadrinnen zu sehen, woraufhin ich erleichtert ausatme.

»Auf jeden Fall.« Meghan dreht sich mir wieder zu, hebt ihren Becher grinsend an die Lippen und ich tue es ihr gleich. »Auf die Plätze«, beginnt sie.

»Fertig los.« Als würde es um Leben und Tot gehen kippe ich die bittere Flüssigkeit in meinen Mund, exe den Becher und stelle ihn dann geräuschvoll auf den Tresen ab. »Gewonnen!«, verkünde ich stolz und sehe dabei zu, wie meine beste Freundin den letzten Schlucken leert.

»Das gibt noch eine Revanche, Lu!« Kopfschüttelnd greift sie nach meinem Handgelenk und zieht mich ins Haus. Meghan spricht es nicht laut aus, aber ich merke ihr an, wie sehr sie sich freut, dass ich mich wohl fühle. Dass ich mich gerade nicht versuche zu verstecken.

Auf der provisorischen Tanzfläche angekommen beginnen Meghan und ich direkt uns im Takt der Musik zu bewegen. Meine Hand liegt in ihrer und so verbringen wir die nächste Stunde. Tanzend, lachend und angetrunken auf der Tanzfläche, mittendrin zwischen den Leuten die einen unerklärlichen Hass auf mich haben.

Und wisst ihr was? In genau diesem Moment macht es mir rein gar nichts aus.

-Losing Game-Where stories live. Discover now