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Wie angekündigt wartete ich am nächsten Tag vor dem Gemach des Prinzen. Tatsächlich stand ich vor der Tür und wartete, bis er raus kam.

Natürlich trug ich meine dunkelblaue Uniform, mit der Doppelreihe an Knöpfen und dem Wappen auf der Brust. Die einzigen Waffen waren das Schwarzstahl-Schwert und ein Dolch versteckt in meinen Stiefeln. Gestern wie heute, hatte ich auf die Uniformsschuhe verzichtet und meine eigenen angezogen.
Meine Haare trug ich im Nacken zu einem Zopf geflochten, der mir über den Rücken fiel.

Schließlich kam der Prinz heraus und blinzelte überrascht.
Ich verbeugte mich elegant und trat zur Seite, die Arme hinterm Rücken verschränkt.
„Guten Morgen, Eure Hoheit."
Der Prinz rieb sich noch etwas verschlafen die Augen und brummte. „Morgen."
Ich erhaschte einen kurzen Blick ins sein Gemach, wo gerade sein persönlicher Diener, das Bett machte. Er sah kurz auf, nickte mir grüßend zu und machte dann weiter.

Jetzt unterdrückte der Prinz ein Gähnen, doch dann ging er los. Ich folgte ihm einen Schritt dahinter.

„Wie könnt Ihr so früh morgens so tadellos aussehen?", er warf mir einen kurzen Blick zu, „Und so wach."
Wir durchquerten die Gänge des Westflügels, an uns vorbei liefen einige wenige Diener. Teilweise tauchten sie aus dem nichts auf. Das lag daran, dass sie die Dienstbotengänge hinter den Wänden benutzen.
Ich musterte ihn meinerseits. Seine Haare waren frisch gekämmt, er trug heute ein schwarzes Hemd, mit silberner Mustern am Ärmelsaum, dazu eine schwarze Hose und edel glänzende Stiefel. Das Schwert an seiner Hüfte trug das königliche Wappen und steckte in einer mit Gold verzierten Schneide. Sein Diener musste ihn hergerichtet haben, aber trotzdem hörte er sich verschlafen an.

„Ich bin es einfach gewohnt früh aufzustehen, Eure Hoheit.", antwortete ich auf seine Frage.
Der Prinz gähnte und schüttelte leicht den Kopf, um wacher zu werden. Schien nicht zu funktionieren.
„Hoffen wir mal, dass ich während des Unterrichts wacher bin." Am Ende seufzte er kaum merklich.
„Ihr mögt den Unterricht nicht.", stellte ich fest.

Meine Schritte klangen im gleichen Takt mit seinen als wie durch die Gänge eilten. Der Prinz bewegte sich völlig ungerührt von dem Luxus um sich herum. Er war ja auch hier aufgewachsen. Ich dagegen bewunderte stumm die vielen Details:

Das mit Blattgold gemalte Muster auf einer Vase am Fenster, die mit goldenen Ranken verzierten Säulen, die die bogenförmige Decke trugen. An der Decke selbst führten die Ranken weiter und fanden zu einem Kronleuchter zusammen. Die vielen, halb runter gebrannten Kerzen überall. Die Verzierungen auf den weißen Vorhängen und die vielen unterschiedlichen Blumen auf kleinen Tischen oder vor dem Fenster.

„Das ist richtig.", bestätigte der Prinz meine Feststellung, „Es ist einfach unglaublich anstrengend dem Professor zuzuhören, wenn er über die Adelshäuser und deren Stammbaum faselt."
Er zuckte die Schultern und stieß schwungvoll zwei Holztüren auf.
„Aber das gehört zu meinen Pflichten dazu."

Wir traten ein und während der Prinz völlig ungeachtet weiter ging, nahm ich mir die Zeit die Bibliothek zu bewundern.

Mehrere Reihen an Regalen streckten sich in die Höhe. So hoch, dass man Leitern brauchte, um an die oberen Reihen ranzukommen. Der Boden war, genauso wie die Regale aus dunkelbraunen, warmen Holz. In regelmäßigen Abständen gab es Sitzgelegenheiten und kleine Tische, mit darauf liegenden Büchern. Davon einige aufgeschlagen, wo jemand sie zurückgelassen hatte.
Aber das war noch nicht alles: eine Empore umrahmte den ganzen Raum und bot Platz für noch mehr Regale. Wir waren durch die Tür im Erdgeschoss eingetreten, aber es gab noch eine weitere Tür bei der Empore. Der einzige Weg von hier nach oben bot eine Wendeltreppe am Ende der Bibliothek.
Erleuchtet wurde der Raum von der Morgensonne, die schwach durch die Decke aus Glas fiel. Tatsächlich war sie komplett aus Fenstern gebaut, die ein filigranes Muster bildeten.
Tief zog ich die Luft ein und nahm den Geruch vom alten Pergament in mich auf.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now