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Das Geistwesen umklammerte mit seiner schwarzen Klaue meinen Knöchel und zog mich über den Boden zu sich.
„ERZÄHL DEINE GESCHICHTE!!!"

Doch ich drehte meinen Oberkörper und schlug in der selben Bewegung mit dem Schwert die Hand des Geistwesens ab. Das Schwarzstahl schien auch Nicht-Körper durchtrennen zu können. Innerlich dankte ich mir selbst, dass ich das als Belohnung eingefordert hatte.

Das Wesen schrie schrill auf und zuckte zurück. Sofort nutzte ich den Moment, rappelte mich auf und rannte so schnell ich konnte auf den Eingang zu. Hinter mir erklang ein Zischen, wie von einer Peitsche und ich wich schlitternd aus. Wenige Zentimeter von mir entfernt klatschte ein schwarzer Tentakel auf den Stein und brachte ihn zum bröckeln.

Ich überwand die letzten Meter und lief in den Tunnel hinein, aus dem ich gekommen war.
Als das Geistwesen hinter mir erneut aufschrie, wagte ich einen Blick über die Schulter.
Langsam blieb ich stehen.

Dort wo der Raum anfing und das Geistwesen mir offenbar gefolgt war, war eine knisternde blaue Wand erschienen. Blaue Blitze zuckten über den Köper des Wesens, worauf es zuckend zusammenbrach.

Hätte es nicht versucht mich zu töten, hätte ich Mitleid gehabt. Es erinnerte mich auf verdrehte Art und Weise an mich selbst.

Ich legte den Kopf schief
Auch ich kannte mich mit dem Schmerz von Strom aus. Auch ich tötete andere. Ich hatte Klauen, Zähne und kämpfte mich durch alles durch, was man mir befahl. Ebenso hatte ich als kleines Mädchen nie genug von Geschichten haben können.

Ruckartig wandte ich mich um und hastete aus dem Gang.
Im Gegensatz zu ihm war ich frei.
Zumindest redete ich mir das ein.

~•~

Es war bereits fünf Uhr, als ich zu meinem Gemach zurückkehrte. Unten in den Tunneln hatte ich die Zeit aus den Augen verloren. Jedenfalls erwartete mich bereits der Prinz vor den Türen meines Zimmers. 

Als er mich kommen sah, hob er überrascht den Kopf. Seine dunkelbraunen Locken fielen ihn in die Stirn, der Reif, der ihn als Kronprinz auswies, fehlte.
„Oh. Ich dachte Ihr wärt drinnen."
Ich blieb im respektvollen Abstand vor ihm stehen und verbeugte mich. Von meiner Auseinandersetzumg mit einem Geist war nichts in meinem Gesicht zu sehen.

Dabei versuchte ich das Geschehene zu ergründen.
Ein Geistwesen, eingesperrt in einem geheimen Tunnel unter dem Schloss, hungerte nach neuen Geschichten. Was tat es da? Wie war er da rein gekommen? Und wie war da diese knisternde Wand entstanden? Sie musste aus Magie gewesen sein, anders konnte ich mir nicht erklären, warum ich mühelos rein und raus gekommen war, während der Geist auf Widerstand zu stoßen schien.
Magie war selten. Nicht nur unter Menschen, sondern allgemein. Unsere Welt war der Magie beraubt worden, sodass nur auserwählte sie wirken konnten, zumindest den Legenden nach.
Da sie eben so selten war, war es überraschend, dass so etwas unter dem Schloss existierte.
Wenn man sie dazu nutzte um einen Geist einzusperren, was wollte man bezwecken? Soll der Geist nicht raus?
Oder beschützte der Geist etwas?

„Nein. Ich habe mir weiter den Aufbau des Schlosses angeschaut.", sagte ich und legte eine Hand auf die Türklinke, „Erlaubt mir mich schnell zu richten. So kann ich dem König nicht beim Abendessen entgegentreten."
Ein paar Strähnen hatten sich durch den Angriff des Geistes aus meinem Zopf gelöst und an meiner Uniform haftete ein bisschen Staub der alten Gänge.
Der Prinz winkte ab. „Mein Vater ist noch mit einer Sitzung beschäftigt und meine Mutter ist bei ihm. Wir essen heute Abend zu zweit."

Ich nahm die Hand wieder runter und wandte mich ihm ganz zu. Erwidern tat ich allerdings nichts.

„Helft mir auf die Sprünge. Ich weiß bei Eurem Gesichtsausdruck nicht, ob Ihr Euch geehrt fühlt, dass ihr mit mir esst oder ob Ihr angeekelt seit von der Vorstellung", der Prinz wedelte etwas frustriert mir der Hand, „Oder ob Ihr drauf und dran seit jemanden umzubringen."
Bei seiner letzten Bemerkung überlegte ich böse zu lächeln, aber ich verzog natürlich keine Miene.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now