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Drystan
Verzweifelt versuchte ich zu der auf den Boden kauernden Nemesise durchzudringen, aber es war vergebens. Sie reagierte einfach nicht.

Es traf mich im Inneren, als ich sie mit zusammengesunkenen Schulter da sitzen sah. Ihre Hände noch immer auf den Rücken gefesselt, Strähnen ihres Haares fielen ihr ins Gesicht, aber ihren gehetzten Gesichtsausdruck konnte ich dennoch im schummrigen Fackellicht erahnen. Ihr Atem kam in schnellen Stößen. Emotionen, die ich sonst nie zu sehen bekam, verzerrten ihr Gesicht.

„Was denkt Ihr, ist mit ihr?", Chara saß neben mir und schien ebenso betroffen.
Mein Kiefer spannte sich an. „Sie war beim König."
Die Prinzessin schüttelte hoffnungslos den Kopf.
„Ich fühl mich wie eine Schachfigur in einem riesigen Plan. Was hat der König nur vor?"
Sie sah wieder auf zu Nemesis „Und wo passt sie ins Bild?"
Darauf wusste ich genauso wenig eine Antwort.

„Nemesis!", versuchte ich es erneut. Die sonst so starke, unerschütterliche Kriegerin, zitterte.
Bei Riniah, was hatte man ihr angetan?

Doch plötzlich änderte sich etwas an ihrer Haltung. Ihre Muskeln wurden hart, das Zittern hörte auf. Stattdessen ballten sich die Hände hinterm Rücken zu Fäusten und sie hob nach weiteren stillen Minuten langsam den Kopf. Diese Bewegung allein ließ mich wachsam werden, ohne dass ich sagen konnte, wieso. Chara neben mir, richtete sich ebenfalls weiter auf.

Endlich wandte Nemesis ihr Gesicht mir zu. Langsam schob sich das Fackellicht über ihre Züge.

Augenblicklich wich ich vor der Intensität ihres Blickes zurück. Das ausdruckslose Grau gab es nicht mehr.
In ihnen loderte ein Sturm, der alles auf seinen Weg zerreißen würde. Ich erkannte es an dem entschlossenen Aufeinanderbeißen der Zähne und den kaum merklichen Recken des Kinns.

Ich traute mich nicht zu sprechen, als sie aufstand, um mit mir auf einer Höhe zu sein. Lautlos wie immer trat sie an das Gitter.

„Du glaubst an Götter. Weswegen?"
In ihrer Stime schwang eine so eindringliche Entschlossenheit mit, dass ich erst nicht hörte, was sie gefragt hatte.
„Was?"
Ohne sich zu bewegen wiederholte sie: „Wieso glaubst du an die Götter?"

Neben mir erhob sich Chara ebenfalls auf die Füße. Die Kette zwischen ihren Handgelenkfesseln rasselte dabei.

Unter Nemesis' eindringlichen Blick schluckte ich.
„Wieso willst du das jetzt wissen?"
„Antworte, Prinz."
Die Chrisische Prinzessin runzelte die Stirn. Ihr Blick wechselte zwischen mir und Nemesis hin und her.

Mir gelang es Nemesis' Blick standzuhalten.
„Ich schließe lediglich nicht aus, dass es sie gibt."

Sie schwieg eine Weile, ehe sie trocken lachte. Vermutlich konnte man es nicht mal als Lachen bezeichnen, eher ein ungläubiges Krächzen. Verständnislos beobachte ich, wie Nemesis den Kopf schüttelte, bevor sie mich wieder ansah.

„Ich merk es nicht. Ich merk es nicht, aber ich weiß, dass du lügst."
Sie nickte knapp zu meinen roten Fesseln.
„Es steckt mehr hinter deinem Interesse an den Göttern."
Mein Herz schlug schneller, aber meine Miene blieb dieselbe.
„Was willst du andeuten?", fragte ich leise.
Ihr Augen blitzten. „Die Götter sprechen zu dir, nicht wahr? Oder zumindest einer von ihnen tut es."
Ich war zu verblüfft, um zu reagieren, da fuhr ihr Kopf zu Chara herum.
„Und zu Euch auch."

Die Prinzessin sah erst Nemesis überrascht an, dann begegnete sie meinem ebenso fassungslosen Blick.
„Ihr träumt auch von ihnen?", flüsterte ich.
Chara nickte langsam. „Xenos spricht mit mir. Aber nur sehr selten."
Jetzt wandte sie sich wieder an Nemesis. Die Haltung der Prinzessin war jetzt straffer. Sie war wachsamer.
„Als das Angebot der Hochzeit kam, sagte der Gott mir, zuzusagen."
Mir blieb der Atem weg und ich gestand: „Mir auch."

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now