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Drystan und ich saßen noch immer zusammen auf dem Boden des Tanzsaales. Der Mond stand hoch am Himmel, spendete aber nur wenig Licht, das durch die Fensterfront fiel.

„Ihr seid dran.", erinnerte ich ihn.
Nickend wandte er den Kopf zum Garten. Ein Schimmer des Mondlichts fiel auf seine bräunliche Haut.
„Was wolltet Ihr schon immer mal ausprobieren?"
Immer noch misstrauisch wegen diesen einfachen Fragen, sah ich ihn von der Seite an. Dieses Mal musste ich eine Weile überlegen, weil ich da noch nie drüber nachgedacht hatte.

„Ich glaube, ich würde gerne mal ein Konzert oder Theaterstück besuchen wollen", sagte ich, „Musik ist etwas schönes."
Zustimmend nickte er. „Da habt Ihr wohl recht."
„Spielt Ihr ein Instrument?", meine Frage an ihn.
„Ja, Klavier"

Meine Schultern lockerten sich ein wenig. Mein Misstrauen schwand.

„Ich auch", gestand ich.
Verwundert drehte er den Kopf zu mir.
„Gibt es irgendetwas, das Ihr nicht könnt?"
Meine Miene blieb erstarrt.
„Vermutlich nicht viel. Ich hatte eine sehr... intensive Ausbildung."

Neben mir stand er plötzlich auf und bot mir die Hand an.
„Überzeugt mich."
Ich beäugte die Hand, sah dann aber zu ihm hoch.
„Was denn?"
„Dass Ihr Klavier spielen könnt. Ihr könnt nicht alles können."
„Ich hab gelernt, wie man spielt", sagte ich mit Nachdruck.
Doch Drystan schüttelte den Kopf. „Ich glaube Euch nicht, bis ich es gesehen hab."
„Ihr denkt, ich lüge?"
„Tut Ihr das nicht seit Eurer Ankunft?"

Guter Punkt.

Etwas unsicher, auch wenn man es mir nicht ansah, nahm ich seine Hand und ließ mich hochziehen. Sein Griff war kräftig und sicher.

Statt meine Hand loszulassen, zog Drystan mich mit sich. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Drystan führte mich durch die dunklen und verlassenen Gänge. Ich lautlos, er mit einem leisen Tap Tap seiner nackten Füße.

Nach ein paar Minuten öffnete er die Flügeltür zu einem weiteren Saal. Diesmal vollgestellt mit mehreren Reihen an in einem Halbkreis angeordneten Stühlen, mit einem Podest in der Mitte, bei dem auf einen Ständer Notenblätter lagen.

„Der Musiksaal", erklärte Drystan, „Hier trainiert das Orchester für die Bälle und Feste."

Ich ließ meinen Blick weiter schweifen. Die weißen Wände waren mit goldenen Ornamenten verziert, die Musikinstrumente darstellten. Allerdings gab es keine Fenster.
Dafür Regale und Schränke, in denen man Musikinstrumente aufbewahrte. So konnte ich glänzende Violinen, schimmernde Blasinstrumente und Klarinetten sorgsam aufgereiht erkennen.

Ich drehte mich zu Drystan um, der hinter meinem Rücken an den schwarzen Flügel gegangen war. Gerade rückte er den Hocker zurecht.

„Stören wir denn nicht die anderen?"
Unbesorgt öffnete er den Deckel für die Tasten.
„Der Raum ist Schalldicht. Die Musik hören nur wir beide."
Jetzt deutete er mir galant mich hinzusetzen.
„Die Lady."

Bei dem Titel schaute ich ihn verärgert an, setzte mich aber auf den Hocker. Konzentriert lockerte ich meine behandschuhten Finger.

„Willst du die Handschuhe nicht ausziehen? Die Narben habe ich ja jetzt gesehen."
Kopfschüttelnd legte ich die Hände auf die Tasten. Wie mit allem verband ich mit der Berührung der kalten Klaviertasten Lektionen von ihm. Besser ich wurde beim Spielen nicht daran erinnert.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now