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Auf einen Schlag wurde mein Gesicht komplett leer. Nichts war an ihm abzulesen. Das einzige, worauf man stieß, war eine dicke Mauer aus Eis.

„Ich habe diese Symptome zum ersten Mal gesehen", ich blieb ruhig, auch wenn Drystans Vermutung richtig war. Noch konnte ich mich rausreden.

Der Prinz kniff skeptisch die Augen zusammen.
„Keiner reagiert so nichtssagend auf eine dermaßen übel zugerichtete Leiche."
Phyrros' Blick lag von der Seite auf mir, nicht weniger stechend, als der von Drystan.
„Außer man hat es schon gesehen.", schob der Prinz hinterher.

Ich biss die Zähne aufeinander. Ok, wie brachte ich mich hier raus?
Aber er hätte seine Sache nicht gut gemacht, wenn ich damit nicht klarzukommen würde. So wie ich gelernt hatte zu kämpfen, hatte ich auch gelernt zu lügen.

„Oder man hatte schlimmeres gesehen", sagte ich leise und stand auf.
„Und ich will nicht darüber sprechen."
Das leichte Zittern, das ich absichtlich in meine Stimme legte, wirkte. Der Prinz und Phyrros schluckten.

Steif verbeugte ich mich. „Danke für das Abendessen, Eure Hoheit."

Bevor ich gehen konnte, war der Prinz ebenfalls aufgestanden.
„Was immer ihr gesehen habt", er zögerte, sagte aber dann, „Tut mir leid, dass ich Euch daran erinnert habe."
Meine Antwort kam erst nach kurzem Schweigen.
„Ihr seid nur misstrauisch. Das ist gut."
Mit diesen Worten verließ ich das Gemach.

Als ich zu meinem eigenen rüber ging, atmete ich kontrolliert ein und aus.
Ich hatte Drystan erzählt, dass ich die Seuche zum ersten Mal gesehen hatte.
Dieser Teil war gelogen.

~•~

Am meinem zweiten Tag hier im Schloss, stand ich wieder pünktlich vor den Gemächern des Kronprinzen.
Drystan kam gähnend heraus und ging sofort los.
„Guten Morgen, Nemesis", wünschte er mir.
„Guten Morgen, Eure Hoheit."

Ich folgte dem Prinzen über die luxuriösen Gänge des Westflügels bis zur Bibliothek. Diesmal konnte ich den Weg im Gedächtnis auf der Karte nachziehen.

Der Geruch nach altem Papier und Büchern beruhigte mich ein wenig. Bis jetzt war das der Teil des Schlosses, in dem ich mich am wohlsten fühlte.
Die Decke aus Glas warf das Licht der Morgensonne hinein, sodass der Staub in der Luft tanzte.

Wie auch gestern ging der Prinz direkt auf den Tisch in der Mitte zu. Ich setzte mich neben ihn und sah geradeaus. Seit ich gestern zugegeben hatte, schlimmeres gesehen zu haben, schien er nicht zu wissen, wie er mit mir reden sollte.

„Möchtet...", er räusperte sich, „Möchtet Ihr darüber reden?"
Ich sah ihn nur kurz an und dann ohne zu antworten wieder weg.
„Ach ja. Niemandem vertrauen, schon klar."

Wir schwiegen bis der Professor kam. Diesmal ohne eine Karte, aber mit einer Reihe an Büchern. Er begrüßte uns und der Unterricht begann.

Nach einer Stunde, in der der Professor über
Chri-Deleros Kultur erzählt hatte, ging es weiter zum Tanzunterricht.

Dort erwartete uns bereits Lady Marin und scheuchte uns auf die Tanzfläche. Diesmal tanzte ich direkt mit dem Prinzen.

Also stellte ich mich in seinen Arm und nahm die entsprechende Haltung ein. Drystan tat das gleiche und die Musik setzte ein.

Ohne groß über die Schritte nachdenken zu müssen, tanzte ich über die Fläche. Drystan machte keinen Fehler, aber sein Griff um meine Hand und Hüfte war etwas zu fest, da er sich konzentrierte.

Lady Marin kritisierte genau diese Punkte.
„Ihr wollt Eure Partnerin nicht zerquetschen!"
Wir tanzten den Tanz wiederholt von vorne, trotzdem machte der Prinz keinen Fortschritt. Seine Fehler wiederholten sich.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now