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Nemesis
Drystans Miene verdüsterte sich und er wandte sich ab. Aber ich hatte die Angst in seinen Augen gesehen. Das Misstrauen.
Zu recht, um ehrlich zu sein. Ich verstellte mich nämlich nicht mehr. Ich ließ den Zorn in meinem Inneren lodern. Das eisige Feuer, das diese Burg verschlingen würde bis nur noch Asche übrig war.

Was begehrt Ihr, Nemesis?
Vergeltung.

Vielleicht die wahrste Antwort, die ich ihm als Leibwächterin jemals gegeben hatte.

Drystan kniete sich jetzt vor Virginia hin. Charas Blick ruhte noch eine Weile auf mir und ich sah ohne zu zögern zurück, aber schließlich ging sie ebenfalls zu ihrer Freundin rüber.
Zwar kehrten mir Prinz und Prinzessin den Rücken zu und versperrten mir so die Sicht auf die chrisische Leibwächterin, doch trotzdem konnte ich verstehen, was sie sagten. Obwohl ich mich in meiner Zelle an die Mauer setzte, also die einzige Wand, die nicht aus Eisengitter bestand.

„Hat die Blutung endlich aufgehört?", wollte Chara besorgt wissen.
Virginias Stimme kam etwas gepresst. „Ja. Ich glaube schon."

„Die Blutung ist das geringste Problem", bemerkte ich sachlich, woraufhin die Prinzessin mir einen funkelnden Blick zuschoss.
„Denkt Ihr, das weiß ich nicht?"
Schulterzuckend gab ich darauf keine Antwort, was mit Fesseln auf dem Rücken ziemlich unbequem war. Eigentlich war alles unbequem.

Während die drei in ihrer Zelle Virginias Wunde betrachteten, verengte ich mich so weit, dass ich meine Arme unter dem Po, über die Beine und schließlich über die Füße nach vorne ziehen konnte.
Mit einem Ausatmen rollte ich meine steifen Schultern. Besser.

Als ich jetzt aufsah, stand die Prinzessin wieder am Gitter. Das Gold auf ihren Lidern längst vom Dreck abgelöst. Ihr Kleid war auch mich mehr weiß und gerissen. Das kurz geschorene Haar wirkte stumpf und ihre Züge waren müde. Wir alle hatten wenig Schlaf und Essen gehabt in den letzen Tagen.

„Woher wusstest Ihr von mir und Drystan als Gefäß?Hat Allstair es Euch erzählt?"
Drystan, noch immer bei Virginia sitzend, hob den Kopf.
„Was hast du überhaupt bei Allstair gemacht?"

Meine Muskeln verkrampften sich, ohne, dass ich es verhindern konnte.
Dich führt der König allein.
Du bist eine Waffe und sonst nichts.

„Er hat mich daran erinnert, wer ich bin und wo mein Platz ist.", antwortete ich vage, „Arnicus hat sich mir gezeigt und mit mir gesprochen. Von ihm weiß ich das alles."

Ich wandte den Kopf ab, lehnte ihn an die Wand und schloss die Augen. Das machte deutlich, dass ich nicht weiter darüber reden wollte.

„Und was machen wir jetzt?", kam die Frage von Virginia. Als alle darauf mich ansahen, seufzte ich.
„Warten."
Chara zog die Augenbrauen zusammen. „Warten, worauf?"
Mit noch immer geschlossenen Augen machte ich eine unwissende Handbewegung. Meine Ketten rasselten dabei, ihr Gewicht allzu vertraut.

„Versuchst du gerade zu schlafen?", wollte Drystan fassungslos zu wissen.
Genervt öffnete ich meine Augen und warf ihm einen gelangweilten Blick zu. „Was sollte ich in einer Zelle, denn so spannendes tun? Da kann ich die Zeit auch effizient nutzen und etwas Schlaf nachholen. Solltet ihr auch tun."
Ich drehte meinen Kopf zurück und schloss demonstrativ die Lider. Gleichzeitig zwang ich meine Muskeln dazu, sich zu lockern, auch wenn ich nichts mehr wollte, als loszurennen und dem ersten, der mir begegnete den Hals umzudrehen.
Geduld, mahne ich mich.

Ich lenkte meine mörderischen Gedanken zu Allstairs Plan, den ich nochmal in Ruhe vor mir ausbreitete.

Angefangen bei der Seuche. Allstair hatte sie absichtlich ausgelöst, weil es in Wahrheit nur Arnicus' Magie war, die sich von den Infizierten nährte. Deswegen wurden die Menschen beider Länder krank und starben so qualvoll. Ihre Lebensenergie wurde aufgebraucht.
Und weil es Arnicus' Magie war, die Allstair scheinbar zum Teil auch an Renalds weitergeben hatte, konnten sie die Infizierten kontrollieren.

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt