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Nemesis
Der Geist tippte wartend mit der Fußspitze auf den Boden. Wobei das natürlich kein Geräusch verursachte.
„Stellt Eure Fragen", forderte es mich drängend auf. Es konnte es wohl kaum erwarten, die Geschichten zu bekommen, nach denen es bei unserer letzten Begegnung so gehungert hatte.

„Wo befindet sich die verlorenen Magie der Götter?", wiederholte Drystan, was wir bereits gesagt hatten.
Das Geistwesen sah kurz zu dem Prinzen, wandte sich beim Reden aber hauptsächlich an mich.
„Den genauen Standort kenne selbst ich nicht. Ich weiß, dass sie sich in der Wüste befindet. Irgendwo zwischen den Sanddünen muss ein Tempel sein, dort wird sie bewacht."

Ich blinzelte. Dann knurrte ich verärgert:
„Mehr weißt du nicht? Ich soll blind in die Wüste laufen?"
Bevor das Geistwesen etwas erwidern konnte, hakte Drystan auch schon nach:
„In der Wüste? Warum ist da ein Tempel? Man hat sie nie bewohnt."

Jetzt sah der Geist doch Drystan an. Dieser senkte bei der blauen Gestalt nicht den Blick und auch sein vorheriges Unbehagen, das er verspürt hatte, schien in den Hintergrund gerückt zu sein.

„Euer Volk nicht", bestätigte das Geistwesen, „Aber es gab Menschen vor euren Geschichtsbüchern. Sie haben die Götter erlebt, als sie noch jung waren."
Der Geist in der Gestalt des Mannes sah in die Ferne.
„Damals konnten sie auf der Erde wandeln. Sie waren so echt wie ihr. Man hat sie verehrt."
Es schüttelte den Kopf, als würde es die Bilder vertreiben und wandte sich wieder uns zu.
„Aber sie sind mit dem Krieg der Götter untergegangen. Heute erinnert sich niemand mehr an sie."

Drystan schien zugleich geschockt als auch begeistert von dieser Enthüllung, während mich das Volk kaum scherte. Ich war zu verärgert, dass der Geist mir nicht viel helfen konnte.

„In der Wüste. In einem beschissenen Tempel von einem toten Volk", wiederholte ich leise, „Und wie genau soll ich das Ding finden?"
Mit schiefgelegten Kopf sah es mich an und ich dachte schon, dass es gar nicht mehr antworten würde, da erzählte es:
„Es gibt ein Amulett, das als Kompass verwendet werden kann. Aber man hat es an einen Ort versteckt, an dem es fast unmöglich zu erreichen ist."
Ich stieß die Luft aus. „Und das wäre?"
„Auf dem Grund des Götterschlunds."

Drystan fluchte in dem Moment, in dem ich beschloss den Gott umzubringen, mit dem ich den Deal gemacht hatte.
Der Götterschlund befand sich in Leymalien.

Als ich nichts dazu sagte, drehte sich Drystan entschieden zu mir um.
„Kommt nicht in Frage! Das ist eine Nummer zu groß, selbst für dich."
„Wenn du auf die Monster anspielst, von denen man sich erzählt, ich glaube nicht an sowas."
„Das solltest du aber", mischte sich das Geistwesen ein und ich starrte es düster an, „Manche Geschichten mögen maßlos übertrieben sein, aber es gibt Wesen in diesem Schlund, die noch nie das Licht gesehen haben und alles fressen, was ihnen entgegen kommt. Es sind groteske Gestalten, entwachsen aus den schlimmsten Albträumen."

Na das wurde ja immer besser.
„Schön", knurrte ich, „Was kann ich gegen diese Viecher tun?"
„Schwarzstahl tötet sie. Benutz deine Magie. Und sonst: Beten."
Schnaubend schüttelte ich den Kopf.
„Ganz sicher nicht. Ich verlasse mich lieber auf mich selbst."
Der Geist sagte nicht mehr dazu, sondern riet mir:
„Such dir einen Begleiter, der dir den Rücken deckt."
Ich biss die Zähne aufeinander, beließ es aber dabei.

„Sonst noch was?"
Jetzt erhob Drystan wieder die Stimme. Es schien, als hatte er den Schock, was den Geist anging, überwunden.
„Wie soll sie die Magie an sich nehmen und zurück nach Koranée bringen?"

Der blaue, durchsichtige Mann lehnte sich zurück.
„Du hast zwei Möglichkeiten", brummte es, „Entweder du überträgst die Magie auf deinen Reisebegleiter, der dir im Götterschlund den Rücken frei hält oder du nimmst sie selbst in dich auf. Allerdings besteht die Gefahr, dass deine Immunität sie zerstört und dann steckt ihr noch mehr in der Misere als ohnehin schon."

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now