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Nemesis
Nachdem wir gegessen hatten und fürs erste gesättigt genug waren, um weiter zu reiten, zogen wir unter meiner Unnachgiebigkeit bis zum Abend durch. Erst als die Sonne den Wald in feuriges Rot tauchte, hielt ich in der Nähe eines Baches an und verkündete das Ende unsere Ritts.

Meine drei Begleiter waren zu müde, um zu antworten. Wortlos rutschten sie von ihren Reittieren, banden diese an und ließen sich am Ende ihrer Kräfte zu Boden sinken. Vor allem Virginia schien der Ohnmacht nahe und sank stark gegen Charas Schulter. Die Prinzessin verzog das Gesicht, da auch ihr Rücken ihr Schmerzen bereitete, legte aber ihrer Freundin besorgt einen Arm um die Schulter.
Drystan ließ den Kof hängen, sodass ihm das inziwschen fettige Haar in die Stirn fiel. Schwer atmend rieb er sich die Stirn, eine Last drückte seine Schultern runter.

Mein Körper hatte noch mit dem Blut zu kämpfen, aber es war nicht mehr viel. Die Schmerzen waren zurückgegangen, aber ihr Platz wurde von einer bleiernen Müdigkeit ersetzt. Ich war mit nicht mehr ganz sicher, wann ich das letzte Mal länger als ein paar Minuten geschlafen hatte.

Mein Kiefer mahlte, aber ich kümmerte mich um ein Feuer. Ich würde die Adelige vor den Toren des Schlosses abliefern und dann meinen eigenen Weg gehen.
Flüchtig sah ich zum Prinzen, während ich auf das kleine Flämmchen pustete, das ich soeben entfacht hatte.
So viel zum Thema Freunde und Vertrauen. Er hatte mir versprochen, er würde warten, bis ich mich öffnete, aber jetzt warf er mir meine Verschwiegenheit vor.
Innerlich mit dem Kopf schüttelnd, richtete ich mich auf. Das Feuer brannte und würde uns in der Nacht wärmen. Wobei es in Koranée weniger kühl war, im Vergleich zu Leymalien.

"Ich gehe zum Bach und wasche mich etwas ab", informierte ich die anderen knapp. Ohne eine Antwort abzuwarten, stand ich auf und verschwand zwischen den Büschen.

Das plätschernde Wasser war nicht weit vom Feuer entfernt, sodass ich die Flammen zwischen den Blättern flackern sehen konnte. Wenn ich mich konzentrierte hörte ich auch, wie Chara sich müde ins Gras fallen ließ, Virginia vermutlich in den Armen.
Aber die drei waren schnell vergessen, als ich mich vor dem Bach aufbaute und nach unten in mein verzerrtes Spiegelbild blickte.

Ich hatte definiitv viel zu viel Blut überall an mir. Meinen Haare waren voll davon, aber hauptsächlich klebte es an meinen Händen, Armen und Knien. Es war längst vetrocknet und verkurstet. Bis jetzt hatte ich noch keine Zeit gehabt, mir darüber Gedanken zu machen, aber plötzlich überkam mich der Drang, mich so schnell wie möglich abzuschrubben. Ich wollte das ganze menschliche Blut nicht mehr an mir kleben haben, obwohl ich sehr genau wusste, dass es für immer sein würde.
Das Problem dabei war das Wasser.

Um der Konfrontation meiner Angst etwas aus dem Weg zu gehen, kniete ich mich zuerst nur vor dem Fluss hin und begann meine Hände zu schrubben. Das Wasser war kalt, aber meine immer hektischeren Bewegungen hinderten meine Hände fürs erste daran, zu erfrieren.

Das Blut wusch sich nach einiger Zeit ab und floss blassrosa den Bach hinab, ehe es so weit verdünnt war, dass es verschwand. Als ich nach einigen benommenen Minuten meine Hände aus dem Bach nahm, bemerkte ich ein leichtes Brennen.
Beim Schrubben hatte ich mir an einigen Stellen die Hand aufgekratzt. Die Haut war dort gerötet und blutetete stellenweise.
Stirnrnzelnd sah ich auf meine Handinnenflächen.
So viel Tod...

Meine Augen wanderten weiter meinen Arm hoch, wo noch immer Rot klebte. Also tauchte ich meinen gesamten Arm in den Fluss und rieb wie verrückt darüber. Wieder färbte sich das Wasser blassrosa und ich musste die Augen schließen, bei dem schwappenden Wasser auf meiner Haut.

Eine Hand drückt mich unter Wasser. Meine Lunge wird eng, ich bekomme keine Luft. Ich will schreien, um mich schlagen, aber meine Arme werden ja von den Ketten auseinandergerissen. Kurz bevor ich in die erlösende Ohnmacht abdrifte, werde ich herausgerissen. Mir bleiben nur ein paar hustende und spuckende Sekunden, ehe ich wieder untergetaucht werde.

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt