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Wir wurden aus den Baderaum gebracht und von da aus ging es in unterschiedliche Richtungen. Drystan und Chara führte man zurück in Richtung Verlies, mich wieder in Richtung Thronsaal.

Ich reagierte nicht auf Drystans verzweifelte Blicke und Versuche sich von dem Soldaten loszureißen, was ihm einen Hieb gegen die Schläfe einfing, der ihn taumeln ließ.

Die Soldatin zog mich mit eisernen Griff um die Ecke, sodass das Königspaar außerhalb meines Sichtfeldes war.

Gelegentlich warf sie einen vernichtenden Blick auf meine hängenden Schultern und stumpfen Ausdruck, ehe sie mit einem leichten Kopfschütteln wieder nach vorne sah.

Tatsächlich gingen wir nicht direkt durch die massiven Holztüren des Thronsaals, sondern bogen vorher ab in den Dienstboten-Gang. Auch dieses Gängesystem kannte ich in uns auswendig. Teilweise kürzte es den Weg durch die Burg erheblich ab. Als kleines Kind hatte ich so versucht mich vor dem König zu verstecken, aber man hatte mich immer gefunden und es hatte die letztendliche Strafe nur schlimmer gemacht, sodass ich es schnell gelassen hatte. 

Diese und noch mehr Bilder strömten auf mich ein, ganz egal wohin ich auch sah. Dieser ganzer Ort war voller Dolche und wenn ich auch nur eine Sekunde unwachsam war, rammte man sie in mein Herz.
Auch wenn es donnernd unter meiner Brust schlug und Angst mit jedem Schritt in Richtung Thronsaal weiter in mir empor stieg, ging ich nicht an den Erinnerungen zugrunde. Das Feuer in mir, das Allstair mit seinen Bildern ausgelöst hatte, brannte heller als der Schrecken. Der Gedanke an Rache hielt mich an der Oberfläche von diesem Ozean an Empfindungen, die ich so lange unterdrückt hatte.

Der Gang endete in einem kleinen, eckigen Raum. Mir gegenüber war die Tür zum Thronsaal, die man von außen nur als Teil der Wand wahrahm. Drückte man aber von hier aus dagegen, konnte man sie öffnen und unbemerkt unter die Gäste schlüpfen. Oder - etwas was ich bereits viele Male getan hatte- man zog den erstochenen Gast in die Gänge, ohne dass jemand den Mord mitbekam.

Die Soldatin ließ meinen Arm los, bewegte sich aber keinen Schritt zurück.
"Hörst du die Musik?", fragte sie barsch.
Nickend drehte ich meinen Kopf zu ihr. Meine Miene noch immer ein bewusst platziertes Bild der Resignation. Für Außenstehende hatte ich aufgegeben.

Dumpf durch die Steinmauern erreichte uns das melodische Streichen einer Geige begleitet vom sanften Wummern einer Trommel. Untermalt wurde das ganze von Stimmen. Anscheinend waren die Gäste für das Bankett bereits eingetroffen.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit wir im Kerker verbracht hatten und ohne Fenster konnte ich mich auch nicht am Licht orientieren, aber vom Gefühl her vermutete ich es als zehn Uhr Abends.

"Sobald du drin bist, fängst du an zu tanzen. Du weißt, wie es läuft. Der König wird dich weiter anleiten"
Mit einem knappen Nicken zeigte ich, dass ich verstanden hatte. So war es schon etliche Male gelaufen, nur wusste ich meistens schon vor dem Tanz, wer mein Opfer war.

Nun, dieses Mal waren es alle.

Ich fragte gar nicht erst nach den Doppelschwertern, die ich für gewöhnlich bei meiner Show verwendete. Der König war nicht so dumm, mir Waffen in die Hand zu drücken. Ob ich in seinen Augen gebrochen war hin oder her.

Auf einer gelangweilten Aufforderung der Soldatin hin, öffnete ich die geheime Tür und schlüpfte lautlos in den Saal. Zu meiner Überraschung fand ich mich in einem dämmrigen Licht wieder. Erst eine Sekunde später, realisierte ich, dass es die magischen Schatten des Königs waren, die sich in den Ecken des Thronsaals sammelen und mich für andere unsichtbar machten.

Doch mir wurde schnell klar, dass Allsatir mich auf diese Weise auch spüren konnte, denn die Schatten strichen über meine Wange. Es fühlte sich an wie kalte Finger, die meine Schulter hinabglitten, ehe mir jemand ins Ohr raunte: Tanz für mich.
Mein Körper versteifte sich in Erinnerung an die Berührung des Königs, aber ich zwang meine Beine dazu, sich zu bewegen und richtete meine Sinne auf die Musik aus.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now