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In einer Welt aus Schmerz hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Meine Gedanken kreisten schwach um die Infizierten und dem leymalischen König, alles andere wurde von dem Feuer in meinen Adern eingenommen.

Aber immer wieder flüsterte ich heiser.
„Nicht heute."
So wollte ich nicht drauf gehen. Nicht auf diese Art. Der einzige Weg zu sterben, den ich akzeptierte, war der Kampf. Ich würde einzig und allein kämpfend untergehen, mit dem Blut meines Gegners an meinen Händen. Wer auch immer mich tötete, er würde mit mir untergehen.
Und zuerst würde der leymalische König sterben.

„Nicht heute."
Diese Schmerzen würden nicht mein Untergang sein. Dafür kannte ich sie viel zu gut.

„Nicht heute, nicht heute, nicht heute!"

Tränen wollten sich in meinen Augen sammeln, aber ich blinzelte sie weg. Ich schrie nicht. Mein Gesicht blieb leer.
Diese Genugtuung würde ich dem schwarzen Blut nicht geben.
Nicht. Heute.

~•~

Keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, aber irgendwann kamen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster und Alaric stand neben mir.

Erschöpft sah ich zu ihm hoch. Mein Haar klebte mir an der Stirn, mein Atem ging schwerer als sonst. Manche Reaktionen meines Körpers konnte auch ich nicht kontrollieren.
Alarics dunkle Haare waren wie immer nach hinten gebunden, das grüne Hemd oben aufgeknöpft. An seiner Hüfte trug er den üblichen kleinen Beutel mit Kräutern.

Düster kniete er sich neben mein Bett. Er musterte erst mein Gesicht, dann meine verkrampften Hände. Auch wenn das das einzige Zeichen war, das auf den Schmerz hinwies.

„Morgen", sagte er düster, „Wie geht es Euch?"
Schnaubend nickte ich zu meinem Bauch.
„Beschissen."

Er blinzelte. Von meiner plötzlich harten Wortwahl überrascht, beugte sich aber vor, um die Decke weg zu ziehen. Gänsehaut bildete sich auf meinem Oberkörper, als die Wärme verschwand.

Der Verband hatte sich leicht rot verfärbt. Vorsichtig wickelte der Arzt ihn ab. Jedes Mal wenn seine Finger dabei meine Haut streiften, musste ich den Drang unterdrücken zusammenzuzucken.

Als er meine Wunde sah, zog er die Stirn in Falten.

Die Naht hielt, auch wenn die Haut noch gerötet war. Sie war lediglich gereizt, aber nicht entzündet. Anders als bei Yvaine hatten sich die Adern nicht schwarz verfärbt. Um die Wunde herum klebte noch etwas verkrustetes Blut, aber allen in allem war der Heilungsprozess schneller eingetreten, als erwartet.

„Habt Ihr mir etwas anderes gegeben?", fragte ich etwas gepresst, wenn auch sonst leer.
Den Blick immer noch auf meine Wunde gerichtet, schüttelte der Heiler den Kopf.
„Ich hatte bei Yvaine alles ausprobiert. Es hätte die Infektionen verlangsamt, aber garantiert nicht aufgehalten."
Er beugte sich mit zusammen gekniffenen Augen vor. Strähnen seinen Zopfes fielen ihm über die Schulter.
„Aber Eure Wunde beginnt bereits zu heilen."

Mit anhaltenden Schmerzen schüttelte ich den Kopf.
„Das ist nicht möglich."
Er richtete sich wieder auf. Dabei konnte ich förmlich sehen, wie es in ihm arbeitete.
„Scheinbar doch."

Die Hand ans Kinn gelegt, sah er zu einigen der Geräten auf einem weiteren Tisch und dem Regal.
„Habt Ihr noch Schmerzen?"
Ich ballte die Hand zu Faust, schluckte aber den aufkommenden Schrei herunter.
„Ja."

Alaric sah mir prüfend eine Sekunde länger in die Augen, als nötig.
„Seltsam"

Hinter uns wurde laut die Tür aufgerissen und Drystan stürzte herein. Sein weißes Hemd war noch nicht mal ganz zugeknöpft, das Haar verwuschelt und seine dunkelbraune Jacke trug er in der Hand, anstatt sich die Zeit zu nehmen, sie anzuziehen.
Sein Blick wanderte zuerst zu meinem Gesicht, dann zu meiner Wunde.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now