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Drystan
Ich verfolgte wie Nemesis lautlos zwischen den Bäumen verschwand. Es war mir rätselhaft wie sie in der Dunkelheit der Nacht etwas sehen konnte und ausgerechnet jetzt etwas jagen wollte.

„Ich kann diese Frau immer noch nicht einschätzen", sagte Virginia grimmig. Eine Hand auf ihr schmerzendes und blutendes Bein gepresst.
Die Prinzessin stimmte ihr mit einem Seufzen zu.

Es war so dunkel im Wald, dass ich die Züge der anderen nur schemenhaft erkennen konnte. Durch den dünnen Stoff des Hemdes, das man mir in der Burg gegeben hatte, fror ich.
Zitternd zog ich die Beine an die Brust und schlang die Arme um mich.
Dazu gesellten sich dröhnende Kopfschmerzen und eine bleiernde Erschöpfung. Es fühlte sich an als hätte Allstair einen Teil meiner Lebensenergie aus mir rausgesaugt.

Noch immer benommen vor Schock ließ ich das letzte Ereignis nochmal vor meinen Augen passieren.

Ich hatte Nemesis gesehen, wie sie dagestanden hatte. Festgehalten von dem einen Leymalier und ein Schwert an der Kehle von der anderen. Schon davor, als der Leymalier mich zu Boden geworfen hatte, hatte ich sie straucheln gesehen. Dabei stolperte sie nie.
Doch der Anblick von ihr, voller Blut und Dreck und vollkommen ruhig... wie sie den Tod einfach hatte entgegen nehmen wollen, sich nicht mehr gewehrt hatte...
Da war es siedend heiß in mir aufgestiegen und dann war da nur noch Licht.

Mit einem unterdrückten Fluchen fuhr ich mir durch die Haare.
Schien so als müsste ich auf das Angebot der Göttin eingehen.
Selbst es zu denken, war so surreal. Ich zog ernsthaft in Betracht, dass ich mit der Muttergöttin höchstpersönlich reden konnte.

Chara neben mir, die genauso erschöpft aussah, wie ich mich fühlte, legte mir schlapp eine Hand auf die Schulter woraufhin ich den Kopf zu ihr drehte.

„Und Ihr habt wirklich gar nichts von Eurer Magie gewusst?", wollte sie wissen.
Kopfschüttelnd sah ich wieder zu den Bäumen, wohin Nemesis verschwunden war.
„Nein."
Chara runzelte die Stirn, was jedoch kaum erkennen konnte. „Aber es muss doch Anzeichen gegeben haben."
Schulterzuckend hielt ich den Blick geradeaus.
„Die hat es gegeben, nur wollte ich es nicht wahrhaben. Ich hatte die Träume, in denen Riniah mit mir sprach."
Sie nickte. „Genauso wie ich von Xenos."

Nach kurzem Zögern wandte ich mich wieder der Prinzessin zu.
„Seid wann wisst Ihr von Eurer Magie?"
Sie nahm die Hand wieder von meiner Schulter.
„Seid ich klein bin", erzählte sie, „Sie hat sich bei mir gezeigt, wenn ich schlecht geschlafen habe. Dann sind alle Gegenstände in meinem Zimmer wild umhergeflogen und mit einen Krach hin geknallt, sobald ich aufgeschreckt bin."
Ich glaubte ein schwaches Lächeln erahnen zu können.
„Mein Kindermädchen hatte jedes Mal fast einen Herzinfarkt gehabt, als es plötzlich in meinem Zimmer so laut war."

Virginia, die mit der einen Hand auf ihrer Wunde daneben saß, grinste ebenfalls.
„Manchmal, einfach um die Leute zu ärgern, hat Chara die Krone von ihrem Vater von seinem Kopf schweben lassen, sich aufgesetzt und ist damit davon gerannt."
Bei der Erinnerung lachte die Prinzessin leise auf.
„Mitten während einer Versammlung mit den wichtigsten Politikern des Landes."

Meine Mundwinkel hoben sich ebenfalls, aber ich wurde schnell wieder ernst.
„Mir hätte man so etwas nicht erlaubt."

Meine Eltern waren sehr streng, was Benehmen und Etikette anging. Von klein auf hatte mich Professor Alrick erzogen. Damit ich lernte mich am Hof zurechtzufinden.

Charas Lächeln verschwand langsam und sie sah wieder besorgt zu den Büschen, wo Nemesis verschwunden ist.
„Vielleicht hast du dadurch automatisch gelernt sie zu unterdrücken."
Ich zuckte ahnungslos die Schultern. „Spielt das jetzt eine Rolle?"
„Nein", antwortete Virginia, „Wichtig ist nur, dass du die Magie hast."
„Sobald wir wieder in Koranée sind, bringe ich dir bei sie zu kontrollieren", versprach Chara und sah mich wieder an.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now