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Heute trat Drystan zur Abwechslung mal zufrieden aus dem Saal. Das erkannte ich an dem kaum merklichen Lächeln in seinem Gesicht.

Lady Marin war heute erstaunt gewesen, wie gut er getanzt hatte. Keine Schrittfehler und perfekt im Takt. Gleichzeitig war er geradezu über die Tanzfläche geschwebt.

„Der Unterricht von Euch hat innerhalb von zwei Nächten mehr bewirkt, als Lady Marin in drei Wochen aus mir heraus geholt hat.", bemerkte Drystan leise, als die Türen zum Saal hinter uns zu fielen.
Darauf wusste ich nichts zu erwidern, also wandte ich mich in Richtung des Ostflügels.

„Wir müssen nach oben", informierte ich ihn, als er mir stirnrunzelnd folgte.
„Seid Ihr sicher, dass Ihr bei der Hinrichtung zuschauen wollt?"

Sein Lächeln verschwand, aber er nickte ernst und fuhr sich durch das Haar. Heute trug er keinen Reif. Das schien eher für offizielle Anlässe oder für die Öffentlichkeit reserviert zu sein.

„Lasst mich nur schnell eine Tasche aus meinem Gemach holen."
Ohne Protest schloss er auf, um neben mir zu laufen.
„Eine Tasche?", wiederholte er.
Wortlos bog ich in unseren Flügel ab und er hakte nicht weiter nach. Der Prinz schien zu verstehen, dass ich ihm meine Beweggründe erklären würde, wenn ich es wollte.

Schnell schnappte ich mir eine kleine Ledertasche mit zwei Fernrohren drin und schulterte sie. Das Zeugs hatte ich mir gestern Abend besorgt, bevor ich mich ins Bett gelegt hatte.

Vor meinem inneren Auge folgte ich der Karte des Schlosses und führte uns danach eine Wendeltreppe nach oben zu einen der höchsten Türme des Schlosses. Die Treppen waren kein Problem für mich, in der Burg war ich etliche hoch und runter gelaufen. Drystan jedoch wirkte etwas außer Atem, als wir am Ende ankamen.

Hier gab es nichts zu sehen, der runde Raum war leer. Das einzig erwähnenswerte war ein Fenster, das das mittägliche Licht hinein ließ.

Verwirrt sah der Prinz sich um.
„Wie genau sollen wir die Hinrichtung von hier aus beobachten?"
Wortlos deutete ich zum Fenster. Als er noch immer nicht begriff, wie ich mir das vorstellte, ging ich zum Fenster, setzte die Füße auf die Fensterbank und sprang.

Sowohl geräuschlos, als auch anmutig rollte ich mich auf dem Stein unter mir ab. Hier war es etwas flacher, als bei den üblichen Gebäuden und man hatte einen fünfzig Zentimeter breiten Grad aus Stein, von wo die Ziegel des Daches abfielen. Als ich wieder auf die Beine kam, wandte ich mich zurück zum Turm.

Drystan war erschrocken ans Fenster gestürzt und sah mich aus geweiteten Augen an.

„Ihr müsst Euch abrollen", erklärte ich, „Es ist aber nicht tief."
Blinzelnd sah er von mir auf das graue Dach unter ihm. Auch hier waren Diamanten eingesetzt, wie ich es bei meiner Ankunft von Weitem gesehen hatte. Die Sonne stand im Zenit und brachte sie zum Funkeln.

Trotzdem gab er sich einen Ruck und kletterte ebenfalls auf das Fensterbrett. Ich verfolgte seinen Sprung mit der darauf folgenden Landung. Zwar rollte er sich ab, aber er war dabei nicht zu überhören.

Etwas unsicher stand er wieder auf. Für einen Moment musste er das Gleichgewicht finden, aber dann strich er sein heute graues Hemd glatt und sah mich vorwurfsvoll an.
„Ihr sollt mich beschützen und nicht in Gefahr bringen."
Um das zu unterstreichen deutete er auf die hundert Meter unter uns. Ich hatte uns nämlich zu der höchsten Stelle des Palastes gebracht.

Doch ich ging nicht weiter darauf ein, sondern setzte mich auf den Grad.
„Ich beschütze Euch, während Ihr hier auf dem Dach seid. Bleibt einfach in greifbarer Nähe."
Also ließ er sich neben mir fallen und legte die Beine auf die sorgsam gebauten Ziegel. Angst schien er trotz seiner Worte nicht zu haben. Er legte sogar den Kopf in den Nacken und genoss mit geschlossenen Augen die Sonne mit der leichten Brise von Westen.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now