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Man hatte die Leiche dem Hofarzt bereits gebracht. Jedenfalls stand er über sie gebeugt, als wir rein kamen. Die Frau lag ausgestreckt auf dem Tisch, sodass das schwarze Blut auf den Boden tropfte.

Der Heiler, ein junger Mann, hob den Kopf und trat von der Leiche zurück, um sich zu verbeugen.
Als er sich wieder aufrichtete, nickte er auch mir grüßend zu.

Von der Statur her war er etwas schmächtig gebaut. Spitzes Kinn, spitze Nase. Das etwas längere, dunkelbraune Haar hatte er in einem Zopf nach hinten gebändigt. Seine dunkle Haut passte gut zu dem grünen Hemd, das er trug. Um den Bund seiner braunen Hose, trug einen ledernen Gürtel mit einer kleinen Tasche. Daraus ragten ein paar Kräuter hervor.

Ich erwiderte das Nicken und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen.

Über Regale, Tische und Kommoden verteilt lagen alles mögliche an Kräutern, Tinkturen und Gerätschaften. Mörsel, Messer, Zangen, Reagenzgläser und eine Menge an Werkzeugen, die ich nicht mal benennen konnte.
Ich mochte in den Grundlagen der Heilkunst ausgebildet sein, aber hier war jemand, der sein Leben darauf ausgerichtet hatte. Und wenn er Hofarzt war, musste er sehr gut in seinem Fach sein.

Mein Blick blieb kurz an dem Regal mit Kräutern in sauber beschrifteten Behältern hängen.
Das Mädchen, das in der Bibliothek gesessen und Bücher verschlungen hatte, hatte sich immer vorgestellt, eine Heilerin zu sein. Leben zu retten, anstatt sie zu nehmen.
Ein zum Scheitern verurteilter Traum.

Als ich wieder zurück zum Heiler sah, trat der König einen Schritt vor. Er verbarg den Schock besser als sein Sohn. Auf jeden Fall musste ich es dem König zu Gute halten, dass er sogar näher trat, um es sich genauer anzuschauen.
„Was ist hier passiert?", forderte er zu wissen.

Das Gesicht der Heilers war ernst.
„Ich untersuche noch nicht lange. Im Moment weiß ich noch gar nichts."
Die kühle Stimme war zwar unmissverständlich, aber nicht respektlos.

Die Augen des Königs lagen auf der toten Frau. Der Gestank hatte sich im ganzen Raum ausgebreitet, obwohl der Heiler bereits das Fenster geöffnet hatte.

Neben mir verschränkte der Prinz die Arme vor der Brust.
„Irgendetwas wirst du doch sagen können, Alaric!"

Der Heiler wandte sich jetzt zum Prinzen und seufzte.
„Alles, was ich Euch sagen kann ist Folgendes:
Vom Verwesunsgrad her, lag sie schon seit Wochen im Wald, aber von dem, was von ihrer Haut noch nicht befallen war, lag sie dort einige wenige Stunden. Vielleicht drei."
Er nickte zu einem Stück Stoff, das auf dem Tisch neben dem Fenster lag.
„Leymalischer Stoff. Sie muss über die Grenze gekommen sein."

Der König runzelte die Stirn. „Aus Leymalien?"
Darauf nickte der Heiler und hob mit einer behandschuhten Hand, eine Phiole mit schwarzer Flüssigkeit hoch. Das Blut des Opfers.
„Ich brauche zwei Tage, um das in Genüge untersuchen zu können."

Drystan trat vor und meinte zu seinem Vater.
„Wir informieren die Grenzposten und warten auf die Ergebnisse. Mehr können wir nicht tun."
Der König nickte und rieb sich die Stirn.
„Das hat uns neben den Krieg gerade noch gefehlt"

Aber er wandte der Leiche den Rücken zu und ging zur Tür.
„Ich spreche mir Kommandantin Belore wegen der Grenzen."
Damit verließ er das Zimmer.

Auch der Prinz wandte sich zum gehen, aber sagte vorher noch zu dem Heiler.
„Danke für deine Mühe Alaric. Ich hoffe, du findest heraus, worunter sie gelitten hat. Wenn du alles hast, was du brauchst, kümmer dich um eine Bestattung."
Alaric nickte knapp.

Ich folge den Prinzen raus. Doch kaum schlug die Tür hinter uns zu, hielt ich den Prinzen am Arm zurück.
„Ihr beerdigt sie?"
Der Prinz schien überrascht, dass ich ein Wort an ihn richtete und wandte sich zu mir um.
„Ja. Wieso fragst du?"
Mein Mund bildete eine Linie. „Sie ist der Feind."

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now