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Nemesis
Drystan schien noch immer nervig viel Gesprächsbedarf zu haben. Ich nahm ihm das nicht übel, die letzten Tage boten viel Stoff, den man verarbeiten musste, aber im Moment stand jede Zelle meines Klörpers in Flammen.
Ich hatte weder den Nerv, noch die Kraft zu reden. Meine eiserner Wille dieses Land zu verlassen, waren das einzige, was mich noch aufrecht im Sattel hielt.

„Wie lange weißt du schon von deiner Immunität?", wollte der Prinz, ohne den Vorwurf in seiner Stimme zu verbergen, wissen, „Und, dass du denen, die verletzt wurden, helfen kannst?"
Zwar machte sie es nicht offensichtlich, aber ich war mir ziemlich sicher, das Virginia mithörte.

Ich schluckte den aufkommenden Schrei runter, hielt an mich und sagte ausdruckslos:
„Von meiner Immunität wusste ich erst, als ich die Infektion überlebt hatte. Ich habe den Schmerz wiedererkannt, von den Malen, wo Allstair mir das verdünnte, schwarze Blut gespritzt hat."
Ich sah den König im Geiste vor mir und spürte beinahe, wie er mir in den Hals stach. Meine Hand zuckte in diese Richtung.
„Aber der Schmerz macht dir nichts aus? Du hast kein einziges Mal geschrien."
Als ich meinen grauen Blick auf ihn richtete, schluckte er.
„Was hat der leymalische König dir angetan?"

Ich schwieg, Erinnerungen schossen blitzschnell an mir vorbei, hinterließen aber ein Gefühl der Angst und Verzweiflung. Meine Brust wurde eng, eine weitere Schmerzenswelle holte mich fast vom Pferd.

„Viel. Ich will nicht drüber reden", presste ich hervor und gab meinem Pferd die Sporen, um ein Stückchen vorzureiten. Drystan unternahm Gottseidank keinen Versuch, das Gespräch fortzusetzen.

Wir ritten bis Mittag, da entdeckte ich den Turm an Steinen, der die Grenze markierte. Oben steckte das blutvekrustete Tuch.
Mit starrer Miene stieg ich ab und stellte mich vor den Stein.

„Wir haben die leymalische Grenze erreicht", bemerkte Virginia erleichtert. Die Erschöpfung war ihr anzusehen. Sie war Stunden mit einem verletzten Bein geritten, gleichzeitig Chara vor sich auf dem Pferd gehalten und wir hatten seit gestern nichts gegessen.

Die Geräusche wurden stumpf, als ich den Turm fixierte. Ein zweites Mal war ich geflohen. Ein zweites Mal hatte ich mich aus seinen Fängen befreit.
Ein weiteres Mal blieb Tod zurück.

Ich schuf eine Klinge in der Hand, irritiert merkte ich, wie der Schmerz weniger wurde und stieß sie kurzerhand von oben in den Turm.
Die alten Steine zersplitterten. Die Markierung brach zusammen. Das Tuch wurde unter ihnen begraben.
Eine Sekunde hielt ich mit der Klinge im Stein inne, dann ließ ich sie verschwinden und wandte mich emotionslos um. Am liebsten würde ich einfach zusammenbrechen, aber ich zog mich zurück auf das Pferd.

Die anderen musterten mich schweigend. Vor allem Drystans Augen ruhten auf mir, wie schon die ganze Zeit.

„Wir reiten noch ein Stück. Wenn wir sicher auf korannéanischen Boden sind, machen wir eine Pause", informierte ich die anderen.
Sie nickten all erleichtert und ich ritt wieder vor.

Auf einer kleinen von Bäumen freien Fläche stieg ich ab. Meine Beine wollten mir wegknicken, als sie meinen Schwung abfangen mussten, aber ich schloss für einen Moment die Augen, lehnte de Stirn gegen die Seite des Pferdes und kämpfte gegen den Schmerz an.
Ich würde nicht weichen. So lange es um Allstair ging, würde ich nicht aufgeben. Er hatte mich nicht gebrochen. Er hatte. Mich. Nicht. Gebrochen.

"Nemesis?", Drystan trat um das Pferd herum, also riss ich mich zusammen und richtete mich auf.
"Ruht euch aus", sagte ich, während ich mich schnell an ihm vorbei schob, "Kümmert euch um ein Feuer. Jetzt sollte ich etwas zu essen finden."

Ohne abzuwarten flüchtete ich in den Wald. Meine Brust war eng und ich konnte nicht atmen. Meine Hände zitterten, und das Brennen in jedem Muskel meines Körpers wurde immer präsenter.

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt