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Drystan
Ich war sehr überrascht, als Nemesis ihre Narben freiwillig zeigte, konnte aber nicht verhindern, dass meine Augen an ihnen hängen blieben.
Es erschreckte mich jedes Mal, wie viele es waren, die sich über ihren muskulösen Körper zogen.
Für eine Sekunde blieb mein Blick an ihrer Bauchwunde hängen. Nemesis hatte sie nicht nochmal erwähnt, aber es sah aus, als würde sie weh tun.

Erneut gab ich mir eine mentale Ohrfeige.
Diese Frau hatte während unserer Entführung so viel eingesteckt und auf sich genommen, dass es ans Unmögliche grenzte, um mich sicher hierher zu bringen und alles, was ich erwidert hatte, war Verachtung für die Leben, die sie dabei genommen hatte.
Der Schock, die Angst hatten mich blind gemacht.

Schließlich riss ich meine Augen zurück zu ihrem Gesicht und begegnete ihrem gelassenen Blick. Sie ließ sich von den betroffenen Gesichtern in der Runde nicht beeindrucken, genauso wenig wie von Phyrros' Misstrauen oder die kampfbereite Stellung der Königswächter.

„Wenn ich jemals zu dem König zurückkehre, dann um ihn zu töten", stellte sie klar, zog sich die schwarze Tunika wieder über den Kopf und setzte sich hin. Alle anderen, bis auf ich, standen noch.

Wartend, ob es meine Freunde überzeugte, sah ich in die Runde.
Aramis und Martell hatten die Narben bereits gesehen, als Alaric ihre Wunde verarztet hatte. Phyrros hatte Nemesis ebenfalls in dem abgerissenen Rock und bauchfreien Oberteil gesehen, mit dem sie angekommen war.
Trotzdem sahen sie alle betroffen drein.

Es war schließlich Aramis, der sich räusperte und sein Schwert zurück in die Scheide steckte.
„Nun, wo sie recht hat, hat sie recht. Wenn sie dem leymalischen König folgen würde, würde Drystan nicht hier stehen."
Martell nickte knapp und steckte seine Waffe ebenfalls weg.

„Sie hat uns die ganze Zeit über belogen! Wie sollen wir ihr da trauen können?", warf mein persönlicher Diener grimmig in den Raum.
Er hatte Nemesis von Anfang an nicht leiden können und die Tatsache, dass sowohl Chara, als auch Virginia und ich ihr unser Leben verdankten, schien nichts daran geändert zu haben.

„Wir vertrauen ihr jetzt nicht blind", stellte Martell richtig, „Aber wir sehen es nicht nötig sie anzugreifen."
Er richtete seine blauen Augen ernst auf Nemesis, die diesen ruhig erwiderte.
„So lange sie uns keinen Grund dafür gibt."
Sie neigte akzeptierend den Kopf und meine beiden Freunde setzten sich wieder auf die Chaiselongue.
Nur Phyrros stand eine Weile mit beschleunigten Atem im Raum, ehe er sich demonstrativ laut wieder auf den Tisch setzte.

„Also", Aramis klang müde, „Was für Enthüllungen habt ihr noch zu bieten?"
Chara lächelte, aber er erreichte nicht ihre Augen und sah Nemesis wartend an, dass sie weiter erzählte.

Diese kam der stummen Aufforderung nach und erzählte mit einer ruhigen Stimme, als würde sie über das Wetter sprechen:
„Nachdem meine Aufführung zu Ende war, wurde ich zur Seite gezwungen und Allstair hat mit Chara und Drystan irgendein Ritual durchgeführt. Er wollte ihre Magie stehlen, aber ich konnte ihn aufhalten."

Phyrros zog eine Augenbraue hoch, während Martell und Aramis noch von der Tatsache geschockt waren, dass sowohl der König, als auch ich Magie wirken konnten.

„Aha. Und wie habt Ihr das bitte angestellt?", fragte Phyrros spöttisch.
Nemesis ging nicht auf sein offenes Misstrauen ein, sondern antwortete lediglich:
„Ich habe meine Fähigkeiten angewandt, die ich wegen des schwarzen Blutes entwickelt habe. Ich bin immun gegen Magie."
Martell hielt sich kurz den Nasenrückem, ehe er, von den vielen Informationen verzweifelt, aufsah.
„Ihr habt da etwas weggelassen. Was ist da mit dem schwarzen Blut und Euren Fähigkeiten?"

Ich wusste nicht, ob die anderen merkten, wie Nemesis' Züge kaum merklich härter wurden.
„Der König hat mir das Blut von Infizierten gespritzt. Mehrmals. Deswegen bin ich die Schmerzen gewohnt, die mit einer Infektion einher gehen. Deswegen habe ich den Infizierten überlebt."
Sie hielt die Luft an.
„Und deswegen kann ich auch das."

Nemesis - Blut und Schwerter Donde viven las historias. Descúbrelo ahora