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Drystan und ich gelangten vom Dach aus sicher wieder in den Turm zurück. Dafür mussten wir uns lediglich an der Fensterbank und in den Raum dahinter ziehen. Anschließend nahmen wir den gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren.

Ich blieb still und fragte nicht, was der nächste Termin sein würde. In der Burg hatte ich gelernt nur zu reden, wenn ich angesprochen wurde. Manchmal vergaß ich mich in Drystans Gegenwart und redete ohne Aufforderung. Auch wenn es ihm nichts auszumachen schien, verfiel ich in ein andauerndes Schweigen.

Am Fuße der Treppe, die zum Turm hochführte, wandte er sich zu mir um. Da ich einen Schritt hinter ihm lief, blieb ich auf der letzten Stufe stehen. Tatsächlich war ich so ausnahmsweise auf Augenhöhe mit ihm.

„Meine Mutter hat einen Termin organisiert. Eine Schneiderin wird meine Maße nehmen und ich soll auswählen, was ich bei dem Verlobungsball tragen möchte.", er schien nicht sehr begeistert.
Wieder sagte ich nichts dazu.
Seufzend drehte er sich zurück, um seinen Weg fortzusetzen.
„Es würde mich freuen, wenn du etwas gesprächiger wärst. Manchmal habe ich das Gefühl, ich rede mit einem Stein.", bemerkte Drystan, als ich ihm folgte.
Kurz sah ich ihn an, dann aber wieder geradeaus.

Sichtlich genervt stieß er die Luft aus, blieb abrupt stehen und stellte sich vor mich. Sein Gesicht war meinem ganz nah, als er sich vorbeugte.

„Redet mit mir!"
Ich zuckte nicht mal zurück, auch wenn mir die körperliche Nähe nicht behagte.
„Wir haben geredet, Eure Hoheit. Auf dem Dach wurden viele Worte gewechselt."
Er schloss die Augen, schien sich zur Ruhe zu zwingen und richtete sich dann wieder auf.
„Wäre es denn so schlimm, sich mit mir zu unterhalten?", er legte den Kopf leicht schief, „Manche Leute würden sich geehrt fühlen, so viel Aufmerksamkeit von mir zu erhalten."

Gefühllos erwiderte ich seinen beinahe flehenden Blick.
„Dann gehöre ich wohl nicht zu diesen Leuten. Ich soll euch beschützen, nicht mit Euch reden."
„Das eine schließt das andere nicht aus."
„Täusche ich mich, oder hatten wir diese Konversation schonmal?", fragte ich.
Der Prinz zuckte die Schultern und sagte schnippisch.
„Viele waren es jedenfalls nicht."

Innerlich verdrehte ich die Augen. Wieso stritt er sich wegen so einer Kleinigkeit?

„Ist Euch das so wichtig?"
Ohne zu zögern nickte er. „Ja."
„Und warum?"
Darauf hatte er im ersten Moment keine Antwort, aber nach kurzem Nachdenken sah er mich wieder an.
„Ihr seid sympathisch. Ich würde gerne so etwas, wie eine Freundschaft mit Euch aufbauen."

Das Mädchen aus der Burg verschloss sich sofort, aber die Leibwächterin überlegte einen Moment.

Schließlich gestand ich. „Ich weiß gar nicht, wie man eine Freundin ist."
Schief grinste er mich an und stützte eine Hand in die Hüfte.
„Dann biete ich doch eine perfekte Gelegenheit, es mal auszuprobieren."

Auch wenn sein Lächeln ziemlich umwerfend wirken konnte, lies es mich kalt. So nett sein Angebot auch war, er hatte die Lektionen zu lange in mich eingeprügelt.

„Vielen Dank für das Angebot", sagte ich förmlich, „Aber ich lehne ab."
Sein Lächeln verrutschte. Fast vermisste ich es.

Trotzdem versuchte er es weiter und trat einen Schritt näher.
„Ihr könnt doch nicht alleine sein wollen. Jeder braucht Freunde."
Ich reckte das Kinn ein Stück höher. Vollkommen überzeugt erwiderte ich:
„Ich brauche niemanden."

Eine Weile musterte er mich schweigend. Dann drehte er sich um, damit er seinen Weg fortsetzen konnte.
„Dann endet Ihr allein."

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now