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Auf unseren Pferden und den restlichen fünf im Schlepptau ritten wir zurück nach Traddis. Visha hielt sich steif auf ihrem Sattel, um eine unerschütterliche Miene bemüht. Yvaine dagegen starrte benommen ins Leere, sichtlich unter Schock. Ich ritt hinter den beiden und behielt die Umgebung im Auge.

Es waren ganze sechs Infizierte an einer Stelle gewesen. Sie alle schienen schon relativ lange in diesem Zustand zu sein, vermutlich hatten sie auf den Weg bis zu uns schon mehrere angesteckt. Wenn dem so war, fürchtete ich, dass die Zahlen genauso schnell ansteigen würden, wie in Leymalien.
Zugegeben, machte das mir Sorgen. Zu den Schmerzen im Unterleib kam jetzt eine gewisse Angst dazu.

Ganz abgesehen davon hatte einer von ihnen gesprochen. In Leymalien hatte ich keine derartigen Berichte erhalten.
Der kleine Infizierte hatte vom Aussehen her noch das menschlichste gehabt. Seine Transformation schien noch nicht weit fortgeschritten und weniger schädigend für die Haut. So war bei ihm das Fleisch noch nicht von den Knochen gefallen oder die Haut schwarz verfärbt.

Wir drei waren heute knapp dem Tod entronnen. Dass ich keinen einzigen Kratzer hatte, war großes Glück. Ich hatte es zwar freiwillig mit drei Infizierten gleichzeitig aufgenommen, aber sogar mir konnte mal ein Fehler unterlaufen. Hätte ich einen Schritt falsch eingeschätzt, wäre ich getroffen worden.
Ich war gut, aber ich war nicht unbesiegbar.

Nach mehreren Stunden im betroffenen Schweigen, erreichten wir die Stadtmauern. Die Wache am Tor sah uns geschockt an, erkannte unter dem Blut und Dreck aber Visha, sodass wir ungestört durchgehen konnten.

Die Straßen waren gut gefüllt, da die ganzen Gastronomien öffneten. Wir wurden angestarrt, aber wir ignorierten das allesamt. Hinter uns begannen die Leute zu tuscheln, aber das spielte bald vermutlich keine Rolle mehr. Wenn die Zahl an Infizierten weiter anstieg, würde der König das Problem publik machen müssen.

Vor den Schlosstoren schließlich nahmen zwei Stallburschen uns die Pferde ab. Zwar beäugten sie uns erschrocken, verkniffen sich aber jeden Kommentar.

Zu dritt gingen wir nicht durch den Haupteingang, sondern durch einen Dienstboteeingang ins Schloss. Mit Visha an der Spitze eilten wir schnellen Schrittes durch die Gänge. Die Diener, die uns entgegen kamen, starrten uns ebenso geschockt an, wie die Menschen auf der Straße.

Irgendwann drehte Visha sich zu mir und Yvaine um.
„Nemesis, bringt Yvaine doch bitte zu den anderen Gardisten. Sie bewohnen ein Gebäudeteil im östlichen Teil des Palastes. Nicht weit von dem Gewächshaus."
Wissend nickte ich. „Ich kenne den Gebäudeplan. Wird erledigt, Kommandantin."
Mit einem müden Wink zum Abschied, drehte sie sich um und ging davon. Yvaine und ich mussten in die entgegengesetzte Richtung.

„Kommt", sagte ich zu dem Mädchen und lief los. Sie folgte mir, wenn auch mit einem leeren Blick. Sie stand unter Schock. Hoffentlich würden ihre Freunde besser damit umgehen können. Ich hatte nähmlich keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte.

Ohne anzuklopfen öffnete ich die Doppeltür zu dem Schlafort der Gardisten. Ein Gang führte hier entlang, mit Türen aus edlem Holz rechts und links. Der Boden war mit dem gleichen warmen Holz ausgelegt.

„Wo ist dein Zimmer?", fragte ich Yvaine hinter mir. Wortlos ging sie an mir vorbei zu der Nummer 82. Mit etwas zittrigen Händen öffnete sie die Tür.

In jedem Zimmer schliefen drei bis vier Wächter. Jungs und Mädchen dabei getrennt. Yvaines Zimmergenossinnen sprangen sofort auf, als sie eintrat.

Ein rothaariges Mädchen schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
„Bei Riniah, Yvaine! Ist das Blut?!"
Das Mädchen mit Mandelaugen neben ihr zog Yvaine sanft ins Zimmer. Trotz des Blutes zog sie Yvaine in eine Umarmung und legte eine Hand tröstend auf ihren Hinterkopf.
„Shhh. Du bist ja jetzt wieder zurück."
Erst dann entdeckten die beiden mich.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now