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Ich hatte die Kanalisation über einen anderen Gulli verlassen und war an der Fassade eines Hauses hochgeklettert, auf dessen Dach ich jetzt hockte.

Auf den Ziegeln sitzend hielt ich meinen Blick auf das Schloss auf der anderen Seite der Stadt gerichtet. Die späte Mittagssonne warf ihr Licht auf das graue Dach und brachte die Rubine darin zum funkeln.

Ich war noch immer dabei, das Gesehene zu verarbeiten. Die Seuche war viel tiefgreifender, als ich gedacht hatte.

Offensichtlich war es möglich die Infizierten zu kontrollieren oder zumindest mit ihnen zu sprechen. Warum sie auf die Gardisten und Renalds hörten, war auch unklar. Zwar hatte ich ebenfalls mit einem Inifzierten gesprochen, aber ich konnte ihm keine Befehle erteilen.

Dann war das Schloss mit seinen Spionen infiltriert. Dass ich ihre Gesichter nicht kannte, lag daran, dass ich schon über drei Monate in Koranée war. Ich kannte die Neuzugänge der Burg nicht.
Wer wusste, ob das die einzigen Spione waren? Das Personal konnte genauso Teil davon sein.

Sie kannten den Geheimgang. Das war ein sehr großes Problem. Ich musste vor ihnen da durch, um ins Schloss zu gelangen, damit ich Drystan warnen konnte. Nur er würde mich anhören und nicht sofort verhaften, da war ich mir sicher.

Wenn sie die Inifzierten in Leymalien genauso kontrollieren konnten, wie sie es mit denen aus Koranée taten...
Bei der Anzahl an Infektionen, die ich jeden Tag gesehen hatte. Und wenn Adeenas Beobachtung, dass die Körper der Seuche immer besser standhielten, wahr war...
König Allstair hätte eine ganze Armee.
Eine Armee an sich selbst heilenden Monstern, die jeden ansteckten, den sie verletzten. Eine Armee, die sich von Tag zu Tag vergrößerte!

Nacheinander schlugen die Erkenntnisse in mir ein und ließen mich mit eisiger Angst zurück.

Deswegen wartete er so lange mit seinem entscheidenden Schlag. Er wollte warten, bis genug Koranéaner der Seuche erlagen, weil er sie dann irgendwie kontrollieren konnte.
Die Armee von Koranée hätte keine Chance wenn sie an zwei Fronten kämpfen musste. Die Infizierten in den eigenen Reihen und gleichzeitig die Leymalier.

Wie ich ja von Drystan erfahren hatte, wurden die Grenzen von Koranée  bereits angegriffen, einige Grenzposten waren schon besiegt worden. Allstair marschierte vor.

Mit geballten Fäusten starrte ich auf das Schloss.
Ich musste da rein und Drystan warnen, bevor es zu spät war. Wie ich da wieder raus kam, darum würde ich mich später kümmern.

Mit rasenden Gedanken verharrte ich auf dem Dach und legte mir einen Plan zurecht. Wie ich wusste, begann der Ball offiziell um acht Uhr abends.
Als der Glockenturm sieben schlug, richtete ich mich entschlossen auf, dehnte die steifen Glieder und zog die Kapuze über den Kopf. Mein Halstuch schob ich über Mund und Nase, sodass man nur meine Augen sah.
Die Sonne begann gerade ihren Untergang, als ich über die Dächer der Stadt zum Palast rannte. Die Straßen waren voll an Gardisten, die Kanalisation sowieso tabu. Damit blieben mir nur die Dächer.
Glücklicherweise sah niemand nach oben und tat er es doch, war ich nur ein schneller Schemen.

Vorsichtig näherte ich mich dem Eingang der geheimen Tunnel, als ich den versteckten Pfad runter schlich. Zwischen den Steinwänden lauerten keine Infizierten und Renalds war ebenfalls nirgendwo zu sehen. Als ich mir den Boden vor dem Eingang anschaute, konnte ich auch sichergehen, dass niemand rein gegangen war. Es gab keine Spuren.

Jetzt etwas beruhigter, aber immer noch wachsam joggte ich an der Statue von Xenos vorbei durch den Gang dahinter. Bei der Gabelung blieb ich stehen und zog die Dienertracht aus der Umhängetasche von Laila. Wie es aussah würde sie mir doch noch nützlich werden.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now