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Nemesis
Ich wurde an der Spitze der Kette durch die Gänge der Burg geführt, die mir so vertraut waren, dass ich das Gefühl hatte, nie weg gewesen zu sein. Fast schon automatisch prüfte ich meine Mauer, korrigierte meine Haltung, richtetet mich auf und zwang die aufsteigende Angst in einen Würgegriff, damit sie meine Stimme oder Miene nicht beherrschte.

Dabei kroch eine Kälte in mein Innerstes und leerte mich aus. Als würden die eisigen Wände in meine Knochen sickern und mich in anerzogene Verhaltensmuster drängen:
Nichts fühlen, Befehle befolgen.

Mein Blick glitt über die Steinmaurrn, lediglich abgewechselt von Fackeln, die zur Mittagszeit trotz der Frische jedoch nicht angezündet waren. Frühsommer in Leymalien war um einiges kälter als in Koranée.
Bilder oder derartige Verzierungen gab es natürlich auch nicht. Dazu hatte man kein Geld und Allstair scherte sich sowieso nicht um solchen Schnickschnack.

Ich spürte Drystans beschwörenden Blick im Rücken, aber ich drehte mich nicht um. Renalds hatte ihn als meine Schwäche erkannt und würde Allstair davon berichten. Wenn ich ihm noch mehr Grund dazu gab, würde man Drystan weh tun.

Die geköpfte Bibliothekarin flackerte vor meinem Auge auf, verschwand aber wieder, als Renalds die schweren Holztüren aufstieß.

Vor uns öffnete sich der Thronsaal, der sich abgesehen von seine Größe nicht sonderlich von den restlichen Räumen unterschied. Erwähnenswert waren vielleicht die Feuerschalen, die jedoch nicht angezündet waren und der bestickteTeppich vor dem Thron.
Fenster gab es entlang der Wand am Kopfende des Saales, sonst keinerlei Einrichtung.
Über uns hing die gewölbte Decke, von dicken Säulen getragen.

Mein Blick wurde sofort von dem Mann auf dem eisernen Thron angezogen und zeitgleich stieg eine unbändige Angst in mir auf. Das hier war mein immer wieder kehrende Albtraum. Nämlich, dass ich in die Burg zurückkehrte und damit auch zu ihm.

König Allstair verfolgte uns aus schwarzen, grausamen Augen, wie wir hinter Renalds den Saal betraten und bis auf wenige Meter vor dem Thron stehen blieben.

Unter dem grauen Pelzmantel, den er um seine Schulten drapiert hatte, trug er eine schwarze Ledekluft, die meiner nicht unähnlich war. Nur war seine vermutlich wärmer und von besserer Näharbeit. Unter dem Mantel blitzte der silberne Schaft seines Schwertes auf, auf dem das Wappen von Leymalien abgebildet war: Ein Wolfskopf, der das Maul zum Angriff aufriss.

Renalds verbeugte sich kurz und Allstair nickte ihm knapp zu. Dabei stützte er seinen Kopf lässig an seiner Schläfe ab und hatte ein Bein locker über das andere gelegt. Die zweite Hand trommelte auf der Lehne seines Thrones. Mir graute vor den Dingen, die diese Hände mit uns anstellen würden.

"Eure Majestät", Renalds richtete sich auf, "Die Prinzessin, der Prinz und Nemesis. Wie Ihr es gewüncht habt."
Virginia ließ er unerwähnt, als wäre sie gar nicht da.

Als sich der Blick des Königs nun auf uns richtete, verfluchte ich meine Muskeln, aber ohne drüber nachzudenken, hatte ich den Oberkörper vorgebeugt. Ich verkniff mir gerade so die Anrede, verharrte aber in der Verbeugung, bis er seine Augen zu dem Königspaar weiter gleiten ließ.

Wo Chara mutig das Kinn reckte, senkte Drystan den Blick. Was weiser war, würde sich jetzt zeigen.

"Und wer ist das?", fragte König Allstair mit einem knappen Nicken zu Virginia. Diese erwiderte seinen Blick mit entschlossener Miene und fiel Renalds ins Wort, ehe dieser antworten konnte.

"Virginia. Leibwächterin der Prinzessin von Chri-Delero."

Ich presste den Kiefer aufeinnader. Dumm, dumm, dumm.

Der König verzog die Lippen zu einem unverbindlichen Lächeln. Die anderen mochten nichts anderes sehen, aber ich las die Gewalt dahinter.
"Bringt sie ins Verlies. Ich habe keine Verwendung für sie."

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt