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Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem weichen Bett und man hatte eine Decke über mich ausgebreitet, die mir wohlige Wärme spendete.

Blinzelnd erfasste ich den Raum. Ich lag in meinem alten Zimmer mit der aufwendigen Einrichtung voller weiß und Gold. Es war alles noch genauso wie ich es verlassen hatte, nur staubiger, da man sich um andere Dinge kümmern musste, als die Sauberkeit des Zimmers einer Verräterin.

Stirnrunzelnd stütze ich mich auf, während mein Kopf sich langsam in Gang setzte. Meine Kehle war staubtrocken und mein Magen knurrte. Trotzdem fühlte ich mich nach dem Schlaf wesentlich besser.

Mir wurde ein Glas Wasser unter die Nase gehalten und ich hob den Kopf zu einen grimmigen Drystan.
„Trink", forderte er mich auf.
Ich griff es mit schwacher Hand, schnupperte kurz und stürzte es anschließend in einem Zug runter.
Drystan nahm das Glas entgegen und stellte es auf den kleinen Tisch neben dem Bett ab. Daneben lag ein aufgeschlagenes Buch, das er bis eben gelesen haben musste.
Als er sich wieder auf den Stuhl hinter ihm fallen ließ, wurde mir klar, dass er gewartet hatte, bis ich aufwachte.

Mit einem leisen Ächzen setzte ich mich im Bett auf und lehnte mich mit dem Kissen gegen das Kopfteil.

„Wie lange wartest du schon?", krächzte ich.
„Ein paar Stunden. Es ist acht Uhr abends."
Das Licht, das durch die Fenster des Balkons fiel war orange und verfing sich ein seinem Haar, als er mir noch ein Glas Wasser mit der Karaffe auf dem Tischchen einschenkte und wortlos hinhielt.

Seltsam gerührt von der fürsorglichen Geste - man hatte sich nie in irgendeiner Weise um mich gekümmert- nahm ich es entgegen und trank es in einem Zug leer. Sofort fühlte ich mich etwas besser.

„Wann hast du das letzte Mal geschlafen?", wollte er wissen.
Schulterzuckend beugte ich mich vor, um das Glas selber auf den Tisch zu stellen. Dabei verfolgte mich der Prinz mit seinen Augen.
„In der Zelle der Burg."

Kurz schloss er die Augen, ehe er weiter fragte:
„Und gegessen? Getrunken?"
„Das meiste der Beute habe ich euch abgeben."
Überrascht beobachtete ich, wie er mit der Faust auf die Matratze schlug.
„Verdammt, Nemesis!"
Als er mich aufgebracht ansah, war ich zugegeben verwirrt.
„Weswegen bist du wütend?"
„Weil du dich nicht um dich kümmerst, deshalb!"

Ich musterte ihn einen Moment lang. Er hatte sich offenbar geduscht und ein frisches dunkelblaues Hemd mit Hose drüber gezogen. Natürlich mit feineren Stoff, als das aus Leymalien.

„Ich musst sichergehen, dass ihr alle sicher seit", rechtfertigte ich mich schließlich, „Das war wichtiger. Ich bin wenig Schlaf gewohnt."
Drystan blinzelte, ehe er seufzend den Kopf hängen ließ.
„Es macht mir immer mehr Angst, was du mit dem König durchgemacht hast."
Ich schwieg.

Nach einem erneuten Seufzer sah er wieder auf.
„Ich hätte es bemerken sollen."
Mit inzwischen neutraler Miene wie immer, zuckte ich kaum merklich die Schultern.
„Wie gesagt, ich bin es gewohnt über die Belastungsgrenze hinaus zu funktionieren und es mir nicht anmerken zu lassen."
„Was nicht heißt, dass du es auch tun musst", presste Drystan hervor.
Ich erinnerte ihn an die Fakten: „Wir waren auf der Flucht vor den Leymalischen König. Ich wollte so schnell wie möglich da weg, Virginia war schwer verletzt und ihr beide von Allstairs Magie ausgelaugt. Es gab keine andere Option."

Er rang die Hände: „Aber du hättest es uns wenigstens sagen können! Wir hätte die Wache aufgeteilt."
Ich schüttelte den Kopf. „Spar dir die Mübe. Ihr wart alle nicht in der Verfassung."
„Du auch nicht."
Wieder zuckte ich die Schultern.
„Wir haben es ja sicher geschafft oder?"

Drystan sah aus als würde er noch was sagen wollen, machte dem aber mit einem erneuten Schlag aufs Bett Luft.

Aber er zwang sich dazu, sich wieder zu beruhigen. Dann sah er mit entschuldigender Miene auf.
„Ich habe mich dir gegenüber nicht fair verhalten. Du hast so viel für uns getan und ich werfe dir ausgerechnet Herzlosigkeit vor."
Blinzelnd starrte ich ihn an. Zu geschockt, dass sich jemand bei mir entschuldigte.
Er deutete mein Schweigen richtig, ich hatte sowieso nicht genug Energie, um mich um eine perfekt undurchdringliche Miene zu kümmern.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now