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Drystan
Nachdem das Geistwesen von dem Lichtblitz getroffen war, verfiel es zu Asche. Im selben Moment verließ eine Präsenz meinen Köper und ich taumelte, das Schwarzstahlschwert noch immer in der Hand.

Noch bevor ich mein Gleichgewicht ganz wieder gefunden hatte, stolperte ich zu Nemesis und ließ mich neben sie fallen.
Ihr Augenlider flatterten und ab und zu zuckte ihr Körper, aber sie war noch nicht wach.

Verwirrt schüttelte ich sie an der Schulter.
„Nemesis?"

Da riss sie die Augen auf. Ein tobender Sturm richtete sich auf mich, sie packte mein Handgelenk und riss uns herum. Ehe ich mich versah, nagelte sie mich auf dem Boden fest, verlagerte ihr gesamtes Gewicht auf meinen Rücken. Mein Arm war schmerzhaft auf dem Rücken verdreht.

Doch ich blieb ruhig: „Es ist vorbei. Hier ist niemand, der dir wehtut."
Ich hörte ihren keuchenden Atem hinter mir und ihren eisigen Griff, der sich nach einigem Zögern lockerte und schlagartig erschlaffte. Das Gewicht ging von mir runter und ich konnte wieder etwas besser atmen.

Als ich mich umwandte und aufsetzte, hatte Nemesis die Beine angezogen und die Arme um sich geschlungen.
„Es ist nie vorbei. Die Erinnerungen sind immer da."
Ihre Stimme war leer, ebenso wie ihr Blick. Da war keine Wut, keine Angst... nichts.
Als hätte der Geist ihr jegliche Energie genommen.

„Darf ich dich umarmen?", fragte ich leise, aber meine Stimme hallte trotzdem in dem alten, steinernen Raum wieder.
Sie sah mich an und nickte nach kurzem Zögern kaum merklich.

Vorsichtig rückte ich näher und zog sie sanft an mich. Nicht zu fest, damit sie jeden Moment aus der Umarmung raus konnte, wenn es ihr zu viel war.
Ich kannte jetzt den Ursprung ihrer Berührungsangst. Das letzte, was ich wollte, war, dass sie an Allstair denken musste.

Erst war sie steif, aber nach kurzer Zeit lockerte sie ihre Muskeln und sank gegen mich.
Erschrocken rieb ich ihre Arme.
„Du bist ja ganz kalt!"

Den Kopf an meine Brust gelehnt, sagte sie rau:
„Die letzte Erinnerung wurde unterbrochen, aber ich konnte noch nicht raus. Ich bin durch den Nachthimmel gefallen und irgendwann ist mir das Geistwesen erschienen."
Ich spendete ihr meine Wärme und fragte: „Was hat es gesagt?"
„Dass es die Geisterwelt betreten hat, es in unserem Sinne also tot ist. Ich es aber immer noch rufen kann, wenn ich seine Hilfe benötige."
Ich schwieg und legte mein Kinn auf ihrem Kopf ab.

„Wie hast du es getötet?", kam es von ihr.
Ich atmete aus und dachte an das Licht zurück. Magie, von der ich mein ganzes Leben nichts gewusst hatte.
„Riniah war in meinem Kopf und hat irgendwie meinen Körper eingenommen und alles erledigt."
Stirnrunzelnd sah ich zu der Statue von Arnicus hoch. Das Gefühl, nicht hier sein zu sollen, war nicht verschwunden.
„Aber ich erinnere mich nicht mehr daran, es getan zu haben."

Eine Weile sagten wir beide nichts. Ich bewegte mich nicht, hielt die Arme weiter um sie gelegt. Auch sie blieb zusammengekauert bei mir. Es war so still, dass ich glaubte, ihren donnernden Herzschlag zu vernehmen.

„Und? Bist du angewidert?", fragte sie und am Ende brach ihr sogar die Stimme weg.
Sanft strich ich ihr über die Arme.
„Nein. Ich fange an zu verstehen, wie viele Regeln du mit mir gebrochen hast und warum du so verschlossen bist."

Sie verbarg nicht, wie sie die Luft ausstieß.
„Ich habe meine Eltern getötet", erinnerte sie mich.
„Du wusstest nicht, dass sie es sind."
Ein hohles Auflachen. „Selbst wenn, hätte ich sie trotzdem umgebracht. Und auch im Nachhinein war mir ihr Tod egal. Ich habe nicht um die Familie getrauert, die ich nie hatte."
Mein Blick wanderte einmal durch den Raum, ehe ihr ehrlich antwortete:
„Ich hasse dich nicht für das, was du wegen dem König tun musstest. Und ich hasse auch nicht den Menschen, der du geworden bist. Ich verstehe, warum du so entschieden hast.
Ich heiße die Morde nicht gut und vielleicht hat es andere Wege gegeben aber... ich verstehe es."

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now