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Die Welt war noch immer ein unendliches Meer aus Sternen. Einige, die sich verspätet hatten, schickten noch Nachzügler in den Himmel. Dort flogen sie weiter über die Stadt hinweg in Richtung Stadtmauer.

Drystans Haut hatte einen warmen Ton angenommen und sein braunes Haar schimmerte wie Honig, als seine Augen vor Freude aufleuchteten, da ich eingewilligt hatte eine Freundin zu sein.

„Du wirst es nicht bereuen, Nemesis", versprach er mir, „Ich könnte dich nie verraten."
Traurig sah ich dabei auf unsere Hände.
„Früher oder später tun es alle."
„Ich nicht. Niemals."
Ich hob meinen Blick zu seinen aufrichtigen Augen.

Tatsächlich hatte ich schon länger aufgehört ihm zu misstrauen. Vielleicht war es der Moment im Musiksaal, wo er mir seine Melodie vorgespielt hatte. Vielleicht die vielen Momente, in denen er sich bei mir bedankt, entschuldigt und sich Sorgen gemacht hatte. Vielleicht war ich da einfach naiv.
Vielleicht würde er mich am Ende verraten, wie alle vor ihm. Vielleicht würde ich auch diejenige sein, die ihm den Rücken kehrte. Ich war kein guter Mensch, mir konnte man ebenso wenig trauen, wie allen anderen.

Aber in diesem Moment. Gehüllt in der friedlichen Musik der Geige, der ausgelassenen Stimmung der Leute und seinem strahlendem Lächeln.

Da war es mir einfach mal egal.

„Willst du was trinken?", fragte er jetzt.
Kopfschüttelnd verneinte ich. „Aber du kannst dir etwas holen."
„Genau das werde ich jetzt tun. Los komm!"

Gemeinsam kehrten wir zu dem Tisch zurück, den Martell und Aramis bereits eingenommen hatten.

„Da seid ihr ja!", grüßte Aramis, als wir uns zu ihnen setzen.
Martell neben mir zog eine Schnute und sagte an mich gewandt:
„Du klaust uns unseren Trinkkumpanen. Es ist nicht fair, wenn du ihn den ganzen Abend für dich hast."

Als ich noch dabei war, eine gute Erwiderung zu suchen, zog Aramis vielsagend die Augenbrauen hoch.
„Martell lass sie doch. Sie können die Finger halt nicht voneinander lassen."
Als Reaktion bekam er einen Schlag in den Nacken von Drystan.
„Was auch immer du andeuten wolltest", sagte ich klar, „Vergiss es."
Martell legte den Kopf schief: „Ist es so unvorstellbar? Unser Drystan ist doch ein ganz ansehnlicher Bursche."
Ich schüttelte hart den Kopf. „Er mag attraktiv sein, aber ich könnte nie eine Beziehung mit ihm eingehen. Allgemein könnte ich mit niemanden zusammen sein."
Drystan riss die Augen auf. „Hast du gerade gesagt, dass ich attraktiv bin?"
Mein Blick richtete sich wieder auf ihm. Trocken erwiderte ich nur:
„Für die, die keinen Geschmack haben bestimmt."

Martell neben mir lachte bei Drystans gespielt übertriebener Grimasse laut los. Aramis mir schräg gegenüber, stimme ebenfalls mit ein.

„Solltest du deine Meinung ändern, sag mir Bescheid", Drystan legte ergeben seine Hand aufs Herz.
„Das wird nicht passieren", informierte ich ihn unverblümt.
Er zwinkerte mir zu, ehe er den Arm hob, um etwas zu bestellen.
Als ein Angestellter kam, um seine Bestellung aufzunehmen, bestellte er ein Bier. Als der Mann mich darauf fragend ansah, sagte ich knapp:
„Wasser."

Nachdem er verschwunden, war um unsere Getränke zu holen, boxte Martell mir spielerisch gegen die Schulter.
„Wasser? Im Ernst?"
Kühl bedachte ich ihn mit einem ernsten Blick.
„Ich bin immer noch hier, um für Drystans Sicherheit zu sorgen. Alkohol is für mich nicht drin."
Kurze Zeit später hatten wir alle etwas zu trinken.

Feierlich erhob Aramis seinen Becher.
„Auf Riniah!"
„Auf Riniah!", wiederholten wir.

Gerade führte Drystan, seinen Krug zum Mund, da schnappte ich ihn aus seiner Hand.
„Hey!", machte er empört und wollte ihn sich zurück holen, doch ich hinderte ihn mit ausgestreckter Hand.

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt