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Nach dem Schwertraining lief ich schnell aber lautlos zur Bibliothek. Dabei umklammerte ich mein schmerzendes und langsam anschwellendes Handgelenk. Es war nicht gebrochen, aber das auch nur sehr knapp.

Mit meiner unverletzten Hand öffnete ich die schweren Türen. Sofort stieg mir der beruhigende Duft von Papier, Staub und alten Büchern in die Nase.
Fenster gab es in der Burg nicht viele, aber hier schon. Eine ganze Wand entlang wechselten sich Regale mit Fensterscheiben ab, sodass die Bibliothek zu den am besten beleuchteten Räumen gehörte.

Unter Schmerzen, zu denen ich nur mit Mühe nicht das Gesicht verziehen konnte, machte ich mich auf die Suche nach der Bibliothekarin. Sie hatte in den letzten Monaten immer wieder meine Wunden notdürftig verarztet. Dies jedoch so, dass es nicht auffiel.
Sie war mir zugegebenermaßen ans Herz gewachsen. 

Als ich die inzwischen bekannten Regalreihen nach ihr absuchte, fand ich sie nicht.
Stirnrunzelnd ging ich zurück zu dem Bereich bei der Tür. Das war seltsam. Sie verließ diesen Raum so gut wie nie. Ob sie es nicht durfte oder nicht wollte, konnte ich nicht sagen. Sie hatte nie geantwortet, wenn ich gefragt hatte.

„Suchst du jemanden?"
Reflexartig wurde mein Gesicht zu Stein, sodass nichts in ihm abzulesen war, als ich mich umdrehte.

Er stand vor mir. Die Hand lag ruhig auf seinem Schwert an der Hüfte, das halb von dem schwarzen Pelz seines Mantels verborgen wurde.

Ich schüttelte den Kopf, worauf er träge lächelte.
„Du bist gut darin zu lügen. Aber mich täuscht du nicht. Ich habe es dich gelehrt."
Er strahle Ruhe aus, aber ich wusste, dass dieser Umstand sich sehr schnell ändern konnte. Dafür brauchte es nur einen einzigen Fehler von mir.
„Die Bibliothekarin", sagte ich schließlich. Ohne mein Zutun, wurde meine Stimme dünn. Es lag an seiner Gegenwart, die mich an so vieles erinnerte, an das ich nicht erinnert werden wollte.
Er nickte, als wüsste er das schon längst: „Ich weiß wo sie ist. Komm, ich zeig' es dir."
Ohne abzuwarten, nahm er meine verletze Hand und zog mich mit sich. Meine Hand verschwand  beinahe ganz, so klein war sie mit acht Jahren gewesen.

Durch das Ziehen von ihm, schmerzte mein Handgelenk, aber das konnte ich aushalten.

Er brachte mich aus der Bibliothek raus, durch die Korridore aus Stein bis zu einem Raum, den ich bereits kannte.
Eis breitete sich in meiner Magengegend aus, als wir reingingen.

Meine Angst bestätigte sich.
In dem mittelgroßen, einfach nur quadratischen Raum, ebenso aus Steinziegeln, wie alles andere hier, saß die Bibliothekarin auf einem Stuhl. Man hatte ihre Hände und Beine an das Holz gefesselt, sodass sie sich nicht bewegen konnte.
Mein Gesicht zeigte nichts, auch wenn in meinen Herzen die Angst um sich griff. Das hier würde sehr böse enden.

Er trat neben mich und legte mir eine Hand auf meine Schulter.
„Mir ist aufgefallen, wie oft du die Bibliothek aufsuchst. Ebenso ist mir nicht entgangen, dass du diese Frau lieb gewonnen hast."
Der Griff um meine Schulter wurde fester. Dadurch zerknittere der schwarze Stoff meines ärmellosen Oberteils.
„Das verstößt gegen eine der Lektionen, die ich dir beibringe. Eine sehr wichtige Sogar."

Jetzt ließ er meine Schulter los, um langsam zur Bibliothekarin zu gehen. Mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, wurde langsam zu einer Sache der Unmöglichkeit.

Aber die Bibliothekarin schien ebenfalls zu ahnen, was ihr drohte, denn ihre Lippen zitterten. Mit aufgerissenen Augen verfolgte sie ihn, bis er sich hinter ihr aufbaute.
Das Geräusch seines Schwertes, das gezogen wurde, trieb der Frau die Tränen in die Augen.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now