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Ich blinzelte nur, da stand ich plötzlich inmitten eines Dorfes. Frischer Wind strich mir über das Gesicht und blies mir verirrte Strähnen aus dem Gesicht. Die Sonne schien warm auf das abgetretene Gras vor mir. Rechts und links säumten Holzhütten den kleinen Trampelpfad, bis er an einem Platz mit vom Wetter vermoderten, wackeligen Bänken und Tischen endete.

Verwirrt sah ich mich um. Mein Herz donnerte in meiner Brust, als wolle es aus meinem Brustkorb ausbrechen, während mein Verstand dabei war den abrupten Wechsel zu verarbeiten.

Der Geist eines Menschen ist nicht länger ein Hindernis für mich.

Allstairs Stimme erschallte über mir, aber als ich automatisch hoch sah, hatte sie keinen Körper. Er war hier, aber irgendwie auch nicht.

Mir scheint, du hast vergessen, wer du bist: nämlich nichts. Eine Waffe. Das einzige, wozu du zu gebrauchen bist, ist um zu töten.

Ich schluckte, ließ seine so sicher ausgesprochenen Worte aber nicht an mich ran.
Ich war mehr als das. Mehr als nur eine Killerin.
Im Schloss war ich mehr gewesen. Bei Drystan.

Erkennst du es wieder?

Zögernd sah ich mich um. Es waren primitive Holzhütten, mit Stroh abgedeckt so gut es ging. Aber die Hütten waren von Wind und Regen verfallen. Die Zäune, die das Vieh halten sollten leer und das Dorf verlassen. Eine Siedlung wie jede andere in Leymalien.
Hier war niemand. Nicht mal ein Vogel, der sang.

Stirnrunzelnd musterte ich den Boden. Als ich einen Schritt vortrat, knackte etwas unter meinen Füßen.
Langsam sah ich nach unten.
Knochen.
Menschenknochen.

Ein bitteres Gefühl stieg in mir auf, als ich das Dorf erneut musterte. Teilweise vom Gras verdeckt lagen überall Knochen. Menschen, die brutal ermordet worden waren.

Im selben Moment, in dem ich mich wieder erinnerte, flackerte das Bild und eine neue Szene schob sich davor.

Schreie ertönten und plötzlich war das ganze Dorf voller schwarzer Soldaten in Lederkluften. Sie zerrten die schreienden Menschen aus ihren Häusern, stachen sie nieder und zerstörten alles auf ihrem Weg. Der Geruch von Blut und Gedärmen stieg mir in die Nase.
Der Himmel war aufgebrochen und schüttete eisig kalte Tropfen über uns, das den dünnen Stoff meines Ganzkörperanzugs innerhalb von Sekunden durchnässte.

Das Dorf, deren Bewohner ich mit einer Patrouille komplett ausgelöscht hatte, weil sie ihre Abgaben zum zweiten Mal nicht geleistet hatten.

Meine Brust wurde eng, als ich mich einem beliebten Ort meiner Albträume gegenüber sah.

„Warum zeigst du mir das?", presste ich hervor.

Ein Soldat rempelte mich von hinten an, als er zu der nächsten Hütte lief und stieß mich dabei zu Boden. Die Erde war nass, teils vom Regen, teils vom Blut.

Ich konnte mich mit den Händen abfangen, aber ich sah meinem Gesicht in einer Pfütze vor mir entgegen.
Im Bild des trüben Wassers stand Allstair über mir und begegnete meinem Blick im Spiegelbild.
Um dich daran zu erinnern, dass du keine Vergangenheit hast. Dass es keinen Ort gibt, an den du gehörst, bis auf bei mir.

Der Allstair in der Pfütze hob sein Schwert, um es über meinen Hals sausen zu lassen. Hastig wirbelte ich herum und hob reflexartig den Arm, aber da war nur Luft.
Keuchend starrte ich weithin auf die Stelle, wo der König gestanden hatte. Als ich erneut die Pfütze betrachtete, war sein Bild ebenfalls verschwunden.

Von Schreien und Tod umgeben, rappelte ich mich auf. Kaum stand ich, wechselte meine Umgebung zu dem Zimmer einer Hütte

Ich kannte den grob gezimmerten Tisch, die klapprigen Wände...

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now