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Nemesis
Ich sah auf Drystans Rücken, bis er von den Büschen verdeckt wurde und wandte mich wieder dem Bach zu. Für eine Sekunde schloss ich die Augen und atmete tief ein und aus. Währenddessen sortierte ich meine Gedanken und ordnete die Gefühle, die ich eben offen gelegt hatte. Zugegeben, war ich von Drystan verletzt. Es tat weh, weil ich ihn an mich ran gelassen hatte, weil er mir etwas bedeutet hatte.
Weil er mein Freund war. Ein Freund, der nicht akzeptierte, was ich mit meiner momentanen Freiheit anstellen wollte.

Ich ließ das Gefühl in mich ein, durch mich hindurch fließen, ehe ich es zu den anderen schob. Die Panik war überwunden, der Prinz ein Arsch und ich hatte mich wieder unter Kontrolle.

Ruhig, wie eh und jeh kehrte ich zum Lagerfeuer zurück. Dort knieten Chara und Drystan neben der auf dem Boden liegenden Virginia. Diese war nach wie vor blass, aber als die Prinzessin besorgt die Stirn ihrer Freundin fühlte, wurde mir klar, dass sie Fieber hatte.

Also stellte ich mich zu ihnen, das Feuer im Rücken und musterte die Wunde an Virginias Bein. Wir hatten den Verband nicht wechseln können, sodass er verdreckt und blutverkrustet war. Da ich nicht mehr von meinem Stoff abreißen konnte, ohne dass ich nacher nackt herum lief, wandte ich mich an das Königspaar:
"Wir brauchen etwas, um ihren Verband zu erneuern. Die Wunde ist vermutlich schon entzündet."
Chara und Drystan sprangen vor Schreck beide auf, da ich mich gewohnt lautlos genähert hatte.

"Bei den Göttern!", Chara legte eine Hand auf ihr donnerndes Herz, "Habt Ihr mich erschreckt!"
Drystan fasste sich schnell wieder und machte Anstalten sein Hemd auszuziehen, da hatte Chara wie ich vorher schon den Rock ihres hellblauen Kleides abgerissen. Also lag es an Drystan den alten Verband abzuwickeln.
"Seid Ihr noch da Virginia?", vergewisserte ich mich.
Die Angesprochene nickte. "Mir gehts beschissen und Eure Anwesenheit macht es nicht besser, aber ja."
Statt meiner, erwiderte Chara mit dem Stoff in der Hand. "Sie hat uns das Leben gerettet, vergiss das nicht."
Virgini schnaubte. "Was sie nicht weniger zwielichtig macht."
"Trotzdem schulden wir ihr Dank", redete Chara weiter auf ihre Freundin ein, "Ob wir die Methoden nun für verwerflich halten oder nicht."

Ich nickte der Prinzessin knapp zu, ehe ich mich hinkniete, um die Wunde zu begutachten. Wie bereits erwartet war sie entzündet und eiterte.
"Je schneller wir in Traddis sind, desto besser", murmelte Drystan mit verzogenem Mund. Ich konnte ihm nur zustimmen.

Während Chara die Wunde neu verband, auch wenn das an diesem Punkt nicht sonderlich viel brachte, stand ich wieder auf und überflog die Umgebung. Da Tageslicht schwand und befand sich in dem Fliederton zwischen Nacht und Tag.
"Wenn wir morgen gutes Tempo halten, erreichen wir die Hauptsatdt", sagte ich, "Dann kümmern wir uns so schnell wie möglich um einen Arzt."
Drytsan sah hoch. "Du kennts dich nicht zufällig mit Kräutern aus, die hier wachsen?"
Mein Blick wanderte zurück zu ihm. "Meine Werkzeug ist der Tod, nicht das Leben. Du bist der Auserwählte von der Göttin des Lebens, wenn hier jemand etwas tun kann, dann bis du das."
Verzweifelt rang er die Hände. "Ich kann meine Magie nicht verwenden, das weißt du."
"Genau. Deswegen reiten wir so schnell es geht morgen früh los."
Ich drehte mich um, um den Wald besser beobachten zu können. "Ich kümmere mich um die Wache."

~•~

Wie ausgemacht brachen wir morgens bereits früh auf, das hieß kurz vor dem Morgengrauen. Keiner von den dreien hatte wirklich gut geschlafen. Drystan, hatte sich hin und her geworfen, Chara war aus einem Albtraum hochgeschreckt und Virginia fieberte vor sich hin.

Während der Wache hatte ich genügend Zeit gehabt um meine Gefühle zu sortieren. Ich hatte die Wut über Drystan analysiert, den noch immer bestehenden, wenn auch geschwächten Rachedurst, die Angst und die kalte Akzeptanz, dass ich eine Mörderin war.
So ritt ich mit unerschütterlicher Ruhe, am Anfang unseres Zuges und behielt die Umgebung im Blick. Prinzessin Chara ritt hinter mir, die halb bewusstlose, fiebernde Virginia in ihren Armen. Die Besorgnis um ihre Freundin stand ihr ins Gesicht geschrieben und inzwischen hatten alle wieder Hunger bekommen. Mich eingeschlossen.
Drystan bildete den düsteren Schluss. Seit wir losgerissen waren, war er ungewöhnlich still und schien ständig in sorgenvollen Gedanken versunken. Kein Wunder, wir näherten uns Traddis immer mehr und wir hatten keine Ahnung, was uns erwartete.
Der Ritt verlief ruhig, es tauchten keine Infizierte auf, von denen sicherlich welche umherstreiften.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now