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Als ich in das Gemach des Prinzen zurückkehrte, hatte er sich für die letzten vierzig Minuten nicht vom Platz bewegt. Er saß noch immer zusammengesunken auf dem Stuhl neben dem überfüllten Schreibtisch.

Ich schickte die Wachen vor der Tür weg und ließ meinen Blick nochmal prüfend durch das Zimmer gleiten. Angewohnheit.

Jedenfalls war es noch immer das gleiche Chaos aus Büchern, Papier und luxuriösen Möbeln dazwischen. Alles in blau und Silber gestaltet.

Als ich eintrat, sah der Prinz jedoch auf. Die braunen Wellen fielen ihm in die Stirn, also strich er sie weg.
Seine eisblauen Augen sahen erst forschend in mein ausdrucksloses Gesicht und anschließend zu dem Blut an meinem Handschuh. Als Nächstes entdeckte er das Messer von Adeena in meinem Gürtel.

Seine Stirn zerfurchte sich, also erklärte ich.
„Die Wachen haben ein Messer übersehen. Sie hatte mich damit angegriffen, aber ich konnte sie wieder entwaffnen."
Ich hob meine behandschuhte Hand. „Hab mich revanchiert."
Fragen zog er eine Augenbraue hoch, also gab ich nüchtern zu. „Sie hat jetzt einen gebrochenen Arm."
Er schien nicht recht zu wissen, was er davon halten sollte, also schwieg er.

„Tatsächlich habe ich ein paar neue Informationen."
Ich zog den Hocker heran, auf dem Phyrros vorher gesessen hatte und ließ mich leise darauf fallen. Drystan beugte sich erwartungsvoll vor.

„Über die Beweggründe von König Allstair hat sie geschwiegen, vielleicht kannte sie sie selbst auch nicht. Warum er dich töten wollte, weiß ich also nicht."
Drystan wirkte enttäuscht, also fuhr ich fort:
„Dafür hat sie mir erzählt, wer sie ist. Sie heißt Adeena und ihr Spezialgebiet ist Spionage. Sie wurde wie wohl viele andere speziell zum Töten ausgebildet. König Allstair soll ein ganzen Bataillon von Attentätern haben noch neben den gewöhnlichen Soldaten."

Diese Informationen waren meine. Jetzt da ich eine von seinen Schergen befragt hatte, konnte ich ungefährlich mein eigenes Wissen weiterleiten.

„Der erste Attentäter wird zu ihnen gehört haben.", murmelte Drystan und lehnte sich auf seinem Stuhl wieder zurück.
„Was hast du noch?"

„Die Seuche ist in Leymalien bereits viel weiter fortgeschritten, als bei uns. Dörfer wurden grausam abgeschlachtet. Keiner überlebte, auch die Infizierten nicht."
Ich machte eine Pause.
„Allerdings scheinen die Körper der Leymaliern die Seuche länger und besser auszuhalten. Das einzige, was sich verändert, sind die Augen. Trotzdem sterben sie am Ende auf grausame Weise."

Jetzt zogen sich Drystans Augenbrauen beunruhigt zusammen.
„Die Krankheit kommt also aus Leymalien, weil sie sich dort ausgebreitet hat? Haben sie schon etwas dagegen gefunden?"
Ich schüttelte den Kopf. „Es ist sehr ansteckend. Sobald die Krallen oder Zähne eines Infizierten dir eine Wunde zufügen, wirst du davon befallen. In diesem Moment ist dein Schicksal unweigerlich besiegelt."
Seufzend sah er mich an. „Naja immerhin sind wir dadurch nicht im Nachteil, wenn es ihnen genau so geht."
Drauf erwiderte ich nichts

Drystan wartete, ob ich noch etwas zu sagen hatte, aber ich schwieg. Mehr Informationen wären auffällig für die Zeit, in der ich mit Adeena gesprochen hatte.

Also stand er in einer fließenden Bewegung auf und verzog das Gesicht.  Mit übertriebener Motivation sagte er: „Dann lass uns mal meinen Vater die wunderbaren Neuigkeiten bringen!"

~•~

Am nächsten Tag war Drystan noch immer angespannt. In der Nacht musste er nicht viel geschlafen haben und das machte sich bei seinem Unterricht bemerkbar.
Bei dem Professor in der Bibliothek passte er noch weniger auf als sonst, bei Lady Marin vertanzte er sich bei jedem vierten Schritt.

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now