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Am darauffolgenden Montag trifft der Wohnungsschlüssel von Tante Jennifer ein. Mit einem kleinen Zettel auf dem die warnenden Worte stehen, sich unbedingt beim Hausmeister vorzustellen, der dafür bekannt ist, gerne mal die Polizei zu rufen, wenn sich Unbefugte im Haus aufhalten.
Lächelnd lasse ich die Notiz in meinem Tagebuch verschwinden und stecke den Schlüssel in meine Hosentasche.

Jace dazu zu bekommen, sich mit mir zu treffen, gestaltet sich allerdings um einiges schwieriger.
Er antwortet mit einsilbigen Worten auf meine Textnachrichten und weicht einem Treffen aus.
Keine Zeit.
Bin in einem anderen Teil der Stadt.

Der Schlüssel scheint irgendwann ein Loch durch meine Kleidung zu brennen.
Ich nehme ihn überall mit hin, wann auch immer Dad in der Nähe ist, taste ich danach in meiner Hosen- oder Jackentasche, fast so, als müsste ich ihn vor seinen Blicken schützen.
Dabei kann er nicht ahnen, was ich plane.

Das kleine Stück Metall scheint immer schwerer in meiner Handfläche zu wiegen, weil es mich mit jedem verstreichenden Tag daran erinnert, dass Jace sich nicht meldet, dass er auf Abstand geht. Mittlerweile ist Juni und ich habe schon vermutet, dass ihn das gute Wetter aus der Stadt getrieben hat.

An einem Mittwoch, an dem ich bis in den späten Nachmittag mit einer Lerngruppe zusammengesessen habe, die Jessica ins Leben gerufen hat, kann ich den Heimweg einfach nicht antreten.
Ich starre eine halbe Ewigkeit auf meine letzte Nachricht an Jace.

Wann können wir uns wiedersehen? Ich muss dir etwas zeigen.
Keine Antwort. Seit zwei Tagen.
Waren meine Worte zu dürftig? Zu drängend? Zu zweideutig?
Ich lasse den Kopf hängen und seufze.

Wenn Jace nicht mitkommt, dann werde ich mir die Wohnung eben alleine ansehen.
Entschlossenen Schrittes schlage ich die entgegengesetzte Richtung ein und entferne mich von meinem Mini.
Ich könnte auch zur Wohnung fahren, aber ein kleiner Spaziergang wird mit gut tun, nach all den Stunden in einem geschlossenen Raum voller büffelnder Studenten.

Jennifers Wohnung liegt sehr zentral in Fitchburg, gleich zwischen der Bank und einem kleinen Park, in dem sich Rentner am frühen Vormittag immer die Beine vertreten.
Als ich die drei Stufen vor dem Eingang empor steige, breitet sich ein mulmiges Gefühl in meiner Brust aus.

Ich kann nicht sagen, ob sich das hier richtig anfühlt.
Der Schlüssel gleitet geräuschlos ins Schloss und nachdem ich ihn zweimal umgedreht habe, stehe ich im kühlen Treppenhaus.
Auch wenn die Abendstunden bereits angebrochen sind, ist es draußen noch sehr warm.

Noch heute Morgen als ich das Haus im T-Shirt und Rock verlassen habe, dachte ich, ich würde auf dem Heimweg frieren.
Aber selbst die kühle Luft hier im Treppenhaus ist nicht mehr als eine willkommene Erfrischung.
Das Treppenhaus ist schön. Sehr schön sogar.

Mein Blick gleitet über ein hellblaues Holzgeländer, das auf perfekte Weise zu den schwarz-weißen Fließen passt, auf denen ich stehe.
Eine rote Couch an der Wand zu meiner linken beißt sich vielleicht ein bisschen mit dem hellen Ton der Treppe, aber es wirkt heimelig und einladend.

Im Erdgeschoss befinden sich drei Wohnungen. Zwei zeigen zur Straße, die dritte zum Hinterhof.
Tanta Jennifers Wohnung befindet sich im zweiten Stock, über dem sich nur noch der Dachboden befindet.

Als ich die Treppe hochsteige, überkommen mich Erinnerungen von Benno und mir, wie wir lachend die Treppenstufen herunterspringen.
Lange bevor er entschieden hat, sein Leben und alle Personen darin zu hassen.
Meine Lippen pressen sich zu einem schmalen Strich, als ich vor der dunklen Tür zum Stehen komme, durch die wir als Kinder so viele Male gelaufen sind.

Mom hat uns immer hinterhergerufen, langsamer zu gehen, auf die Nachbarn Rücksicht zu nehmen.
Benno und ich wollten immer nur herausfinden, wer von uns schneller war.
Eine alte Wochenzeitung liegt einsam und vergessen auf dem Fußabtreter.
Zögerlich hebe ich sie auf.

Es fühlt sich immer noch falsch an, diese Wohnung zu beziehen - das Jace diese Wohnung bezieht.
Es ist unwirklich. Als würde ich hier eindringen.
Die Tür öffnet sich. Ein Knarren hätte gut in die sonst stille Geräuschkulisse gepasst, aber die Scharniere schwingen geräuschlos auf.

Alles sieht so aus wie früher - und doch anders.
Der Paketfußboden glänzt, als hätte erste vor ein paar Minuten jemanden über ihn gewischt.
Ich schließe die Tür hinter mir und lege den Schlüssel auf eine kleine Kommode im Flur.
Wie von selbst steuere ich das Herz der Wohnung an: Das Wohnzimmer.

Der letzte Rest der Abendsonne fällt durch den kleinen Fenstererker, über den gemütlichen Esstisch.
Dieser ist, wie fast alle anderen Möbel hier, mit weißen Tüchern abgedeckt.
Ich fahre über den rauen Stoff, bevor ich ihn herunterziehe.

Mit einem sachten Wispern fällt er zu Boden.
Rechts vom Tisch befindet sich eine buntgemusterte Couch, die ich ebenso enthülle.
Entzückt betrachte ich die Stickereien der Sitzflächen und hebe dann den Kopf. Als Kind habe ich sie immer mit nachgemalt und Fotos von jedem Quadratzentimeter gemacht. Das ich dabei Filme verschwendet habe, ist mir erst heute klar.
Neben der Couch steht ein Tisch, der mehr an einen Nachtschrank erinnert.

Jennifer hat schon immer ein Händchen für das Zusammenstellen von Möbeln.
In den Ecken des Zimmers stehen die leeren Körbe, aus denen früher immer prachtvolle Zimmerpflanzen rankten.
Ich werde sie wieder bepflanzen - falls Jace einwilligt.

Ich durchschreite jedes Zimmer, inspiziere die Küchengeräte und den Duschvorhang.
Alles ist in makellosem Zustand.
Als ich vom Schlafzimmerfenster aus, auf die Fußgängerzone hinunterblicke, über der sich der Himmel lila färbt, ist das beklemmende Gefühl in meiner Brust verschwunden.

Jace wird es hier gefallen.

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Song: Feel Good - Avec

Guess where i worte this chapter?
Richtig im Garten, in der Sonne. Und es ist mir gelungen. Normalerweise bin ich so der Typ: Ich-schreibe-nach-20-Uhr-what's-up.

Ich VERSCHLINGE gerade "Underneath the Sycamore Tree"!!!!!
Eigentlich geht es mir sehr selten so, dass ich ein Buch kaum aus der Hand legen kann, aber bei diesem .... einfach ein Traum hrhr

Es geht um Em, chronisch krank. Ihre Zwillingsschwester ist an der geleichen Krankheit gestorben. Em zieht zu ihrem Dad, weil ihre Mutter mit ihren Zustand nicht gut umgeht.
And she might catch feelings for Kaiden... Well - Achso, dass sollte ich vielleicht erwähnen. Das Buch gibt es bis jetzt nur auf Englisch, but i am sure that will change soon ;)

Wie war euer Tag so?
Btw... ich plane wieder eine kleine Community-Aktion... Was würdet ihr davon halten??? :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now