113.

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Sam setzt mich in stillschweigender Übereinkunft vor der Einfahrt ab.
Ich wünsche ihm noch einen schönen Abend, bevor er mit quietschenden Reifen davon fährt.
Ich halte meine Schuhe immer noch in den Händen und muss ein ganz schön verlorenes Bild abgeben.

Eine blonde junge Frau im Abendkleid, zurückgelassen vor einer dunklen Auffahrt, wie sie emotionslos einem Auto hinterherblickt.
Ich schüttele den Kopf und laufe mit vorsichtigen Schritten zum Haus. Der Kies unter meinen Füßen scheint mit jedem Schritt mehr weh zu tun, doch ich kann mich nicht dazu durchringen, anzuhalten und meine Schuhe überzustreifen.

Ich muss irgendwie spüren, dass ich noch am Leben bin, dass das hier wirklich real ist und wirklich passiert.
Denn es fühlt sich wie ein Traum an. Ein surrealer, der mich in Watte einhüllt und unwirklich erscheinen lässt.

Ophelia, ich sterbe.
Diese Worte hallen in mir nach, sind das einzige, was mich in diesem Moment erfüllen.
Ich kann nicht mal darüber nachdenken, dass ich es nicht glauben kann. Da ist nichts mehr.
Zitternd lege ich die letzten Meter zurück und bemerke, dass noch Licht im Wohnzimmer brennt. Der Rasen vor dem Fenster wird mit hellem Grün geflutet, bis die Schwärze der Nacht am Ende des Lichtkegels die dominierende Farbe ist.

Der Bewegungsmelder gibt ein leises Klicken von sich und der Bereich vor der Haustür wird in helles Licht getaucht. Eine Motte fliegt gegen die Glühlampe.
Ich beiße auf meine Unterlippe und beobachte das scheinbar orientierungslose Tier dabei, wie es immer wieder versucht in das Licht einzutauchen.

Die Motte gibt nicht auf und als das Licht erlischt, verschwindet sie mit ihm.
Anstatt zur Tür zu gehen, laufe ich auf die Hausecke und das Fenster zum Wohnzimmer zu.
Hinter mir klickt der Bewegungsmelder erneut. Ich schaue nicht nach, ob die Motte immer noch da ist.
Viel mehr interessiert es mich, wer im Wohnzimmer sitzt.

Mom und Tante Jennifer.
Sie sehen so glücklich aus. Zum ersten Mal sehe ich, dass Mom Lachfalten um die Augen hat.
Lachfalten.
Es tut weh, sie so zu sehen.

Ich weiß, ich sollte mich für sie freuen.
Über so lange Zeit habe ich mir gewünscht, sie genau so zu sehen; in einer Lounge-Hose auf der Couch, die Beine angezogen, Kerzen vor ihr auf dem kleinen Tisch, ein Lachen im Gesicht.
Sie sieht so echt aus.

Ihre Haare stehen leicht ab, die perfekten Locken sind natürlich zerzaust, kein Make-up versteckt ihre wahre Schönheit.
Ich betrachte meine Füße.
Ich werde für immer die einzige von uns beiden sein, die die jeweils andere so bewundert.

Diese Frau hat schon seit Jahren kein ehrliches, gutes Wort mehr für mich übrig.
Denn ich bin nicht Ben.
Und sie jetzt so neben Tante Jennifer zu sehen, versetzt mir einen Stich, den ich tatsächlich spüren kann.
Ich konnte ihr nie diese Freude bescheren, ich habe es nie geschafft, sie nach unserer schweren Zeit zum Lachen zu bringen - egal, was ich versucht habe.

Ich konnte sie ja noch nicht mal zu einer richtigen Umarmung überzeugen.
Ein Schniefen durchreißt die Stille der Nacht.
Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass ich dieses Geräusch gemacht habe.
Duzende Tränen kullern über mein Gesicht.

Als ich meinen Kopf hebe, sehe ich die Umrisse eines verstoßenen, kleinen Kindes vor mir in der Scheibe.
Genau so fühle ich mich, genau das bin ich.
Wenn Jace ...

Ich krümme mich zusammen, umschließe meine Oberarme und presse die Augen zusammen.
Wenn mich Jace tatsächlich zurücklassen würde, hier auf der Erde, dann ... dann würde das bedeuten, dass ich die eine Person verlieren würde, die mich jemals richtig verstanden hat. Die einzige Person, die mir das Gefühl von Freiheit und Sicherheit vermitteln konnte. Die ich mein Zuhause nennen konnte.
Er würde mich alleine lassen.

So wie ich ihn alleine gelassen habe.
Plötzlich verstehe ich um so besser, wie er sich gefühlt haben muss. Als ich aus seiner Wohnung geflohen bin, als ich ihn um Abstand bat, als ich sein 'Ich liebe dich' nicht erwidert habe und als ich ihm diese bescheuerte Nachricht wegen meinem Vater und seiner Drohung geschrieben habe.

"Es tut mir so leid", flüstere ich in die Dunkelheit, der ich mich mittlerweile zugewendet habe.
Ich ertrage den Anblick der beiden Schwestern nicht länger.
"Es tut mir so schrecklich leid."
Ich umklammere mich stärker. Ein seltsamer Druck breitet sich in meinem Brustkorb aus und ich öffne meinen Mund für einen stummen Schluchzer.

Ich versuche, mich selbst zu halten. Weil niemand da ist, der es tun könnte. Weil ich lernen muss, mich selbst zu halten.
In meinem Kopf ist ein Nebel, den ich nicht durchdringen kann. Dabei versuche ich es so krampfhaft.
Durch all die Tränen und den Schmerz und die Taubheit, versuche ich einen klaren Blick auf meine Lage zu erhaschen.

Ich muss überlegen, wie es jetzt weitergeht.
Was mache ich jetzt?
Was mache ich, wenn Dad mich auf mein Date anspricht? Ich kann nicht länger lügen.
Mit wem kann ich reden?

Eine Gänsehaut überkommt mich, als der Gedanke in meinem Kopf fällt.
Mit niemandem, ich habe niemanden.
Wie soll ich mich Sam gegenüber verhalten?
Was soll ich machen?

Ich taste nach meiner Stirn und wische über meine Augen.
Meine Finger sind danach schwarz vor Wimperntusche und Kajal.
Mit lahmen Schritten taumele ich auf die Haustür zu.
Ich will da nicht reingehen. Ich will gar nichts mehr. Am liebsten würde ich mich hier an Ort und Stelle hinlegen und warten bis das alles vorbei ist.

Aber irgendwie schaffe ich es, meine Schlüssel hervorzukramen und die roten Pflastersteine vor der Haustür zu erreichen.
Von meinem Kinn tropft warmes Salzwasser. Meine Kehle fühlt sich wund und trocken an.
Es kostet mich drei Versuche, zwei Flüche und einen Schnitt in den Zeigefinger, dass Schlüsselloch durch all die Tränen in meinen Augen zu finden.

Als ich aufblicke sehe ich, dass die Motte immer noch da ist.
Ich bin diese Motte.
In jeder Hinsicht.
Ich versuche immer auf eine Ebene vorzudringen, die mir verschlossen bleibt.

Sei es mit meiner Mutter, die mich nie so lieben kann, wie sie Ben liebt, egal, wie sehr ich sie darum auch bitte.
Sei es mit meinem Dad, der mich nie für voll nehmen und meine Meinung akzeptieren wird.
Oder sei es mit Jace. Denn wenn es stimmt, was er gesagt hat und er stirbt, dann wird mir die Ebene einer langjährigen Beziehung mit einem Menschen, der mich versteht und mir alles bedeutet, verwehrt bleiben.

Die Motte ist immer noch hier.
Und ich bin es auch.
Und wie diese Motte werde ich nicht aufgeben. Und wenn ich zehntausendmal gegen einen Lichtkegel fliegen und von diesem abprallen werde.

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Song: Certain Things - James Arthur

Hiiii :3

Honestly... ich hasse Motten, aber ich mag "den Kreis", den ich gerade mit dieser Motte gemacht habe. (Lisa und ihre Kreise alter xD)

Gute Laune heute hehe, ich hoffe, die habt ihr auch!
Ich habe heute schon 2 Bleche Cupcakes gebacken und bin gerade eben erst fertig geworden!!! Morgen lasse ich nämlich eine kleine Gartenparty bei mir steigen  - deswegen wird es morgen auch kein Update geben, dass kann ich zeitlich echt nicht einrichten, denn... Lisa hat mal wieder keine Reserve ahhh

Gestern war auch noch eine Freundin spontan da & idk aber kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr einfach dankbar seid mit euren Freunden reden zu können, weil dann einfach alles besser ist...?

Was sagt ihr zur Tatsache, dass Jace angeblich sterben wird?

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now