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Jaces P.O.V.

Sie sieht so entspannt aus, wie sie neben mir liegt.
Die Muskeln ihrer Schultern sind locker geworden und ihre weichen Züge ohne jede Emotion.
Wie ihr Mund leicht geöffnet ist und sie leise atmet.

Ihre Arme liegen über ihrem Kopf, ihr Brustkorb leicht zu mir gedreht.
Sie erinnert mich an eine zarte Blüte die sich der Sonne entgegen reckt. Dass ich bei diesem Vergleich die Sonne symbolisiere, lässt eine Gänsehaut über meinen Körper jagen.
Ich will sie nicht aufwecken, wirklich nicht, aber ich kann meine Finger nicht davon abhalten, den Kontakt zu ihrer Haut zu suchen.
Ich lasse meinen Zeige- und Mittelfinger über ihre rechte Brust gleiten.

Sie ist so zierlich, so zerbrechen und dennoch kann dieses Mädchen Gewitter mit ihrem Temperament und ihrer Sturheit heraufbeschwören.
Ihr blondes Haar fällt im Dunkeln des Schlafzimmers wie ein silberner Wasserfall über ihre Schulter. Einige Strähnen sammeln sich in der kleinen Kuhle unter ihrem Kehlkopf wie eine Pfütze, in die ich jetzt meinen Finger fahren lasse.

Sie zuckt im Schlaf zusammen und dreht ihren Kopf in meine Richtung.
Für einen kurzen Moment glaube ich, dass sie wach ist.
Doch ihre Brust hebt sie wieder langsam und ihr Atem entweicht durch ihre leicht gespaltenen Lippen.
Ihr weiches Haare umschmeichelt meine Finger.

Verdammt.
Was habe ich Unglücklicher für ein Glück.
Das Leben hat sie mir - dieses Glück - beinahe vor die Füße geworfen.
"Wie habe ich dich bloß verdient, Gewinnerin?", flüsterte ich in die Dunkelheit, wohlwissend, dass meine Worte ihr Bewusstsein verfehlen und das ist auch gut so.

Des Nachts waren es in den vergangenen Jahren lediglich die Sterne Zeugen meiner nächtlichen Gefühlsausbrüche. Jetzt liegt hier plötzlich diese junge Frau neben mir, die mir den Atem auf die beste Art und Weise raubt.
Noch vor drei Monaten hätte ich es mir nicht träumen lassen, Luftnot als etwas Angenehmes zu bezeichnen.
Nicht, wenn mich schon ein leichter Eilschritt nach Luft ringen lässt, als würde jemand auf meinem Brustkorb stehen und mir seine Hacken in die Lügenflügel pressen.

Aber mit Ophelia ist alles anders.
Wenn sie mir das Atmen schwer macht, lässt sie meine Brust dabei ganz leicht werden.
Sie sieht mich an, um mich zu sehen und nicht das, was ich repräsentiere.
Sie hat es wirklich geschafft, dass ich einen anderen Menschen an mich heranlasse, nachdem ich mir geschworen habe, nie wieder mein Herz für jemanden zu öffnen.

Dieses Versprechen mag sich selbstsüchtig anhören, doch eigentlich habe ich nur um den Willen der Anderen daran festgehalten.
Denn jemanden in sein Herz zu lassen, bedeutet automatisch auch in das Herz des Anderen Einzug zu halten. Und das wollte ich niemandem mehr antun.

Ich schaue auf die schlafende Frau vor mir.
Verdammt.
Ich presse die Augen zusammen und lasse mich langsam zurück in die Kissen sinken.
Mein Ellenbogen schmerzt an der Stelle, die bis eben permanent in die Matratze gedrückt war, um mich aufrechtzuerhalten.

Stöhnend strecke ich den Arm aus, positioniere meine Füße und Beine in einer geraden Linie.
Ich würde jetzt gerne in Ophelias braune Augen blicken und mir das Versprechen abholen, dass alles wieder gut wird.
Mit einem leisen Seufzen blicke ich zum Nachtschrank. Darauf liegt noch die Verpackung des ersten Kondoms.

Sofort schießen Bilder von ihrem nackten Körper durch meinen Kopf. Unter mir, auf mir.
Ihre geschlossenen Augen und geöffneten Lippen.
Ich kann ihre Beine immer noch um meine Hüften nachempfinden, wie sie sie immer fester um mich geschlossen hat, sich mir auf diese unglaublich erotische Art und Weise entgegengehoben hat.
Diese Erinnerungen, deren Geschmack ich immer noch auf meiner Zunge trage, lassen mich nicht kalt. Aber ich versuche trotzdem meinen Blick zu der Schublade unter der zerrissenen Verpackung zu dirigieren.

Darin befindet sich meine Schmerzlinderung.
So gut wie Ophelia sich für mich angefühlt hat, sie hat auch Schmerzen hinterlassen.
Aber die halte ich aus.
Ich drehe meinen Kopf zurück zu Ophelias blonden Locken und ihrem engelsgleichen Gesicht.

Sie ist der Grund, warum ich es aushalte.
Ich verstecke das Heroin nicht mehr vor ihr. Sie weiß, dass ich es konsumiere - was nicht heißt, dass sie es für gutheißt. Aber sie versteht es ein bisschen besser.
Dennoch kann ich in ihren Augen lesen, dass sie mir die Droge ausreden will. Ich spüre ihren tiefverwurzelten Widerstand. Wenn sie doch nur meinen spüren könnte.

Sie denkt jedes Mal, dass sie ihre Emotionen gut genug überspielt, um sich mir nicht vollständig zu offenbaren, dabei reicht mir ein Blick auf ihren unglaublichen Körper und sie ist ein offenes Buch.
Ich unterdrücke ein Lachen bei dem Gedanken, an ihre leicht vorgeschobene Unterlippe und ihr entnervtes Augenverdrehen.
In dieser Nacht habe ich ihre Augen ebenfalls dazu gebracht, sich nach hinten zu rollen, nur auf eine ganz andere Weise.

Bei dem Gedanken an ihren verbogenen Körper sammelt sich das Blut schmerzhaft zwischen meinen Beinen und ein süßes Ziehen geht von meinen Lenden aus.
Ich ändere meine Position etwas, lege mich leicht zur Seite. Von hier aus kann ich die kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase erkennen, die durch das hereinfallende Licht der Straßenlaterne, das durch den Spalt der Vorhänge dringt, einen kühlen Unterton bekommen.

Vorhänge.
Darüber kann ich nur den Kopf schütteln.
Ophelia ist der Grund, warum ich so etwas wie Vorhänge vor meinen Fenstern zuziehen kann, wenn mich eine Lichtquelle des Nachts stört.
Durch sie habe ich plötzlich so viel mehr, als ich je haben wollte.

Ein kleines Zucken geht durch ihren Körper und ihre Wange findet meine Schulter.
Zufrieden schmiegt sie sich an meine Haut und lächelt im Schlaf.
Es ist das Schönste und gleichzeitig das Herzzerreißenste, was ich je gesehen habe.
Mir wird klar, dass ich durch sie wieder Hoffnung erfahre.

Ich bin mir Sicher, dass Mom und Isabell stolz wären, wenn sie mich mit dieser unglaublichen Frau sehen könnten.
Auch, wenn sie zu gut für mich ist, ich werde sie nie wieder von mir stoßen.
Sie hat es beim ersten Mal nicht zugelassen und ich habe keine Kraft für ein zweites Mal.
Die Kraft, die ich noch in mir habe, möchte ich dazu nutzen, ihr etwas von ihrem Schmerz abzunehmen.

Jetzt, wo sie friedlich schläft, sind da keine Geister der Vergangenheit und Gegenwart, die ihr die Lebensfreude aussaugen.
Jetzt, hier in meinen Armen, geht es ihr gut.
Und wenn es das Einzige ist, was ich für sie tun kann, dann ist es mir eine Ehre über ihren Schlaf zu wachen und ihr am Morgen Kraft für den Tag zu geben.

Ich will es nicht Liebe nennen, was ich da in meiner Brust empfinde, weil es mir eine verdammte Angst einjagt.
Aber ich glaube, mein Unterbewusstsein hat es schon längst so benannt.
Ich atme an den Schmerzen in meinem Oberkörper vorbei und schaue in Ophelias Gesicht, auf ihre einladenden, vollen Lippen.

"Was machst du bloß mit mir?", flüstere ich in die Stille der Nacht, bevor ich ihren Körper näher an mich ziehe und ihren süßen Duft ganz tief inhaliere.
Sie riecht nach mir. Nach uns.

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Song: The Dark - SYML

Hi y'all! :)

Die Pause hat gut getan.

Dieses Kapitel ist auf Wunsch eines Lesers entstanden :)
Eigentlich war gar keine P.O.V. von Jace geplant, weil das auf Dauer einfach viel zu viel Verraten würde oder einfach nur "um den heißen Brei geschrieben" wäre xD
Aber so habt ihr hier mal einen kleinen Einblick in Jaces Gefühlsweilt bekommen :) hope u liked it.

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Where stories live. Discover now